TSV 1860 München:Es wird Licht bei den Löwen

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Coole Sache: Fynn Lakenmacher hebt den Ball zur Münchner 1:0-Führung über Keeper Marius Funk. (Foto: Ulrich Wagner/Imago)

Sechs Spiele ungeschlagen und der dritte Sieg: Die Sechziger bauen die Serie des neuen Trainers Argirios Giannikis gegen den FC Ingolstadt aus und verschaffen sich Luft. Klubpolitisch fragt man sich auf den Rängen, wer auf wen pfeift.

Von Christoph Leischwitz

Für Michael Köllner gilt es fast schon, eine Serie zu verteidigen. Stets verfügt der Trainer über den besten Angreifer der Liga, unter ihm wurden bei 1860 München Sascha Mölders und Marcel Bär Torschützenkönige, und als neuer Chefcoach des FC Ingolstadt zauberte er Jannik Mause aus dem Hut, der aus der Regionalliga West kam, aber schon 15 Mal in der dritten Liga getroffen hat. Am späten Sonntagnachmittag nun stand Köllner zum ersten Mal seit seiner Beurlaubung vor gut einem Jahr wieder im Grünwalder Stadion an der Seitenlinie.

Der FC Ingolstadt ging aufgrund des Tabellenstands favorisiert ins Spiel, und Mause erzielte auch wieder ein Tor. Doch entscheidend war in diesem oberbayerischen Duell der Angreifer der Löwen, der oft nur die zweite Geige gespielt hatte, unter Argirios Giannikis aber aufblüht: Fünf Tage nach dem wichtigen Führungstor gegen Rot-Weiss Essen erzielte Fynn Lakenmacher gegen Ingolstadt schon wieder das 1:0 (15.), ein Tor, das man in dieser Form nur bei voll ausgebildetem Selbstvertrauen schießen kann, ein perfekter Laufweg, ein perfekter Heber ins ferne Eck. "Wenn er das Selbstvertrauen hat, dann sieht man, was er für ein Bulle ist", schwärmte Kapitän Jesper Verlaat hernach.

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Am Ende siegten die Löwen 3:1 (1:0) und schafften es damit, ihre eigene Serie, die Giannikis-Serie an ungeschlagenen Spielen, auf nunmehr sechs auszubauen - und zugleich erstmals unter dem neuen Trainer einen deutlichen Abstand zu den Abstiegsrängen aufzuweisen. In der anschließenden Pressekonferenz gab sich Köllner wortkarg, gratulierte den Sechzigern zu drei Punkten und bescheinigte seiner Mannschaft eine verdiente Niederlage: "Wir haben uns zu viele Fehler erlaubt, und hatten dann auch nicht die Fortune."

"Wir mussten kurzfristig umstellen", erklärte Giannikis zunächst die Tatsache, dass Michael Glück als rechter Verteidiger auflief - Kilian Ludewig war krank geworden. Wie er es schaffe, dass die Viererkette trotzdem immer stabil wirkt? "Durch die Qualität der Spieler und die Abläufe, die sie im Training bekommen", sagte Giannikis. Doch obwohl Glück eher selten hinten rechts trainiert, sah das Spiel nach vorne vor allem auf der rechten Seite zielstrebig aus. Entscheidend war aber auch eine hohe Effizienz, denn Lakenmachers 1:0 war der erste Schuss aufs Tor. Die Löwen spielten sich vor allem über die rechte Seite nach vorne, noch mehr, als der links spielende Abdenego Nankishi verletzt vom Feld musste (19.). Dass der eingewechselte Albion Vrenezi beim Aufbau von Selbstvertrauen noch nicht so weit ist, zeigte sich unmittelbar vor dem Pausenpfiff, als er in spitzem Winkel alleine aufs Tor zulief und vertändelte. Zuvor hatte auch Lakenmacher gezeigt, dass Chancenverwertung freilich kein Selbstläufer ist: In der 27. Minute setzte er ein Zuspiel von Morris Schröter aus drei Metern über das Tor.

Und kurz nach der Pause - das war dann der Unterschied zum Spiel gegen Essen - drosch Julian Guttau den Ball nicht ins Tor, sondern ans Lattenkreuz, es blieb spannend. Dann aber ging es doch erst einmal wieder um den hausinternen Streit. Schon in der ersten Halbzeit hatten sich zahlreiche Anhänger in der Westkurve mit nervigen Trillerpfeifen bemerkbar gemacht, in der 47. Spielminute ging es wieder los, dann war dazu ein großes Banner zu lesen: "Hasan, das ganze Stadion pfeift auf dich." Was so nicht ganz richtig war, denn einige Fans auf der Haupttribüne pfiffen die Fans mit den Pfeifen aus.

Ismaik habe "uns seine Freude über die letzten Ergebnisse mitgeteilt", berichtet Giannikis

Der Investor war Ende vergangener Woche nach München gereist. "Er hat uns seine Freude über die letzten Ergebnisse mitgeteilt und seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, dass es so weitergeht", hatte Trainer Giannikis später über dessen Trainingsbesuch berichtet, die Stippvisite war für Mitarbeiter an der Grünwalder Straße überraschend gewesen. Allerdings war Ismaik schon gleich nach seiner Ankunft am Donnerstag nicht untätig gewesen und hatte sich in einem Münchner Hotel zu einem Kennenlerngespräch mit den beiden neuen Geschäftsführern Christian Werner und Oliver Mueller getroffen. Niemand rechnete ernsthaft damit, dass Ismaik auch noch das Spiel besuchen würde, die Proteste wären vermutlich noch lauter ausgefallen als ohnehin schon.

Münchens Joker Mansour Ouro-Tagba jubelt hier über seinen Treffer zum Endstand, Ingolstadts Keeper kann sich nicht so recht mitfreuen. (Foto: Ulrich Gamel/kolbert-press/Imago)

Wenig später waren Streitereien und vergebene Torchancen allerdings vergessen: Die Löwen spielten, abgesehen von kurzen Phasen vor und nach der Pause, beherzt weiter und hatten die Partie über weite Strecken unter Kontrolle. Erneut zwangen sie die gegnerische Abwehr zu Fehlern, diesmal sogar zu einem besonders fatalen: Ingolstadts Torwart Marius Funk wollte einen Rückpass von David Kopacz direkt weiterleiten, verlor aber die Balance und schoss den Ball ins eigene Tor (58.). Diesen Treffer, wie es der Stadionsprecher tat, Fynn Lakenmacher zuzuschreiben, war trotz der ansprechenden Leistung des Angreifers zu gut gemeint. Giannikis sprach hernach von einem "Geschenk". Trotzdem bescheinigte er seinem Team eine "Phase, wo wir weniger Zugriff hatten", und dann sei es ja auch noch mal hektisch geworden.

Der Gesichtsausdruck von Michael Köllner nach dem 2:0 hatte es vermuten lassen, jedoch: Ingolstadt gab sich nicht auf. Zunächst setzte der eingewechselte Maximilian Dittgen einen Schlenzer an den Außenpfosten (68.), drei Minuten später holte Kopacz ausgerechnet gegen den unglücklich agierenden Vrenezi einen Foulelfmeter heraus. Sechzig-Keeper Marco Hiller berührte den Ball, doch Mause verwandelte zum 2:1 (71.).

So spannend die Partie auch war, Hunderte Anhänger vergaßen um kurz nach 18 Uhr nicht, wo sie ansonsten gerne hingegangen wären, und so schalteten sie in Solidarität mit dem Lichtermeer bei der Demonstration gegen Rechtsextremismus auf der Theresienwiese ihre Handylichter an - eine Veranstaltung, die 1860 München mit unterstützt hatte. In der Nachspielzeit waren die Smartphones dann wieder in der Tasche, als Mansour Ouro-Tagba mit einem sehenswerten Solo erneut Funk düpierte und zur viel umjubelten Entscheidung traf.

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