TSV 1860 München:Zweimal Zwarts

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Er trifft: Joël Zwarts (re.), hier gegen Marvin Bakalorz, verdeutlicht in Duisburg sein Rollenprofil. (Foto: Ralf Treese/Imago)

Mit einem 3:0 in Duisburg übernehmen die Sechziger in der dritten Liga vorübergehend die Tabellenführung - dank ihres neuen Angreifers, der zwar ganz sicher kein Landkartenzeichner ist, aber mühelos den Weg zum Tor findet.

Von Korbinian Eisenberger

Kommt er? Oder kommt er doch nicht? Wie teuer wird er? Weit über die Stadtgrenzen hinaus war ja zuletzt wochenlang über diesen Stürmer spekuliert worden, den sie in München unbedingt haben wollten. Irgendwann sickerte durch, dass er tatsächlich in die bayerische Landeshauptstadt wechseln würde. Und nun stand er also in den Katakomben, als neue Sturmhoffnung, im finsteren Auswärtstrikot, bereit für sein erstes Ligaspiel. Die Rede ist natürlich von Joël Zwarts, 24 Jahre alt, Holländer, zuletzt bei Jahn Regensburg unter Vertrag und nun per Überweisung einer mittleren fünfstelligen Ablösesumme nach München-Giesing zum TSV 1860 gelotst. Erste Station am Samstag: Auswärtsspiel in Duisburg.

Dort lief Minute 53, es war ein Moment der sogenannten Zebras, der Moment, in dem dieses Fußballspiel zugunsten der Heimmannschaft hätte kippen können, eventuell müssen: Ecke Duisburg, Kopfball Marvin Bakalorz Richtung Tor. Doch der Ball flog nicht ins Netz, sondern knapp übers Gebälk der sogenannten Löwen. Und während der Trainer dieser Löwen noch auf seine zunehmend schläfriger wirkenden Verteidiger einschimpfte, reagierte sein neu eingekaufter Angreifer Joël Zwarts auf seine Weise: Er stibitzte sich den Ball von einem Duisburger Verteidiger und drosch ihn am Keeper vorbei ins Netz. 2:0 statt 1:1. Dieser Moment, der nach einem Zebramoment ausgesehen hatte, gehörte nun dem Löwen Zwarts. Am Ende dieses 3:0-Erfolgs in Duisburg hieß es dann gar: zweimal Zwarts.

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Der TSV 1860 München gewinnt den Drittliga-Auftakt gegen Waldhof Mannheim mit 2:0. Das Spiel liefert erste Hinweise, wie die neu zusammengestellte Löwen-Mannschaft unter Trainer Jacobacci funktionieren könnte.

Aus dem Stadion von Korbinian Eisenberger

Die Sechziger erwiesen sich nicht als sonderlich höfliche Gäste, allen voran der neue Kapitän Jesper Verlaat, der in Minute zwölf Duisburgs Thomas Pledl im Zweikampf niederstreckte und zur Aufgabe zwang - für den Verletzten kam Alaa Bakir. Die Stimmungslage in der gut besetzten Duisburger Arena verbesserte sich nicht wesentlich, als Manfred Starke die Löwen in der 32. Minute per Linksschuss mit 1:0 in Führung brachte.

Nach der Pause wirkte der immer wilder gestikulierende Löwen-Trainer Maurizio Jacobacci zeitweise aktiver als seine Kicker auf dem Rasen. In dieser Phase kam nun Debütant Zwarts zu Hilfe, indem er Hinweise hinterließ, zu welchem Zweck er nach München-Giesing geholt worden ist. Er traf zunächst per Fuß (54.) - ehe er in der 87. Minute wie von unsichtbaren Propellern angetrieben sämtliche Köpfe im Strafraum überflog und eine präzise Freistoßvorlage von Niklas Tarnat sehenswert in den Duisburger Torwinkel köpfelte (87.). "Alle haben sich reingehauen. Sie haben auch die schwierigen Momente, die sie gehabt haben, gut überstanden", erklärte der inzwischen gut gelaunte Trainer Jacobacci nach dem Spiel. Zweiter Sieg, zweimal Zwarts.

Die Wechselgeschichte um Zwarts ist und bleibt bei all dem ein Kuriosum mit offenen Fragen. Der 24-jährige Niederländer hatte sich ja nach einer durchwachsenen Saison 2021/22 bei Jahn Regensburg zuletzt für ein Jahr nach Den Haag verleihen lassen, von wo er unlängst zurückgekehrt war. Regensburgs Coach Joe Enochs hatte in der Vorbereitung voll auf ihn gesetzt, der Verein hätte Zwarts gerne behalten. Dann aber teilte der Angreifer dem Klub mit, dass er aus privaten Gründen näher an seiner niederländischen Heimat spielen wolle. Es braucht kein Geografiestudium, um sich zu fragen, warum in aller Welt es den Stürmer dann nach Giesing verschlagen konnte - wo bereits am Dienstag (19 Uhr, Magenta) das nächste Heimspiel der Löwen ansteht. Gegner (und der niederländischen Grenze deutlich näher als München oder Regensburg) ist der VfB Lübeck. Zwarts selbst ließ nach dem Spiel am Mikrofon von Magenta Sport Ambitionen in Richtung England erkennen: "Mein persönliches Ziel ist die Premier League."

Sechzig neigt dazu, nach Tabellenführungen abzustürzen

Zwarts freilich ist kein Landkartenzeichner, sondern Fußballstürmer. "Die Löwen sind ein großer Verein. Aber ich weiß noch nicht genau, wie groß. Das muss ich noch sehen", erklärte Zwarts. Vergangene Saison spielte er in der zweiten niederländischen Liga 32 Mal im Trikot von ADO Den Haag (sechs Treffer). Seine erfolgreichste Zeit hatte er bei Ligakonkurrent Excelsior in seinem Geburtsort Rotterdam - mit 20 Toren und 18 Assists in 66 Spielen. Mit Sechzig steht er nun auf Rang eins der Drittliga-Blitztabelle, wenngleich die Aussagekraft dieser Tabelle nahe null geht, besonders wenn man sich die jüngere Klubhistorie ansieht.

Etwa die vergangene Drittligasaison: Nach zehn Spieltagen führten die Löwen die Tabelle an, ehe sie aus den Top drei rutschten, dann im Nirwana vor sich hin rumpelten und die Spielzeit nach 38 Auftritten auf Rang acht beendeten - endlich, wie in Giesing nicht wenige meinten. "Wir dürfen nicht das, was wir uns in den ersten beiden Spielen aufgebaut haben, wieder hinwerfen", erklärte Coach Jacobacci daher mit Blick auf das Spiel am Dienstag. Eine Warnung dürfte auch die Saison 2020/21 sein, da lagen die Sechziger nach Spieltag fünf noch auf Rang eins, auch da wurde vom Aufstieg geraunt, am Ende reichte es nur zu Platz vier. Derlei Sinkflüge, so werden sie in Giesing hoffen, sollen den neu zusammengepuzzelten Löwen diese Saison erspart bleiben. Erst recht mit dem neuesten Puzzleteil, einem durch den Strafraum fliegenden Holländer.

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