Der Schiedsrichter hatte dieses Fußballspiel gerade wieder angepfiffen, als ein zweiter Anpfiff erfolgte. Der Stadionsprecher nahm sich die Gästefans zur Brust, die gerade in der Ostkurve Pyrotechnik entzündet hatten. Diese Ausdrucksform sei zu unterlassen, hieß es durch die Lautsprecher. Doch da war es schon zu spät. Weiße Rauchschwaden zogen aufs Spielfeld und hüllten den Strafraum der Gäste in eine dichte Wolke. Das Torgebälk des SV Waldhof Mannheim wurde zeitweise unsichtbar. Als wollten die Zündler dem Gegner den Zutritt fortan so versperren.
Das Grünwalder Stadion in München-Giesing ist nicht zwingend für seine innovative Architektur bekannt. Den Rauchabzug allerdings haben sie beim Stadionbau Anfang des 20. Jahrhunderts astrein konzipiert. So kam es, dass der Schiedsrichter etwa ein Jahrhundert später das Drittliga-Fußballspiel zwischen dem TSV 1860 München und den Gästen aus Mannheim schon nach einer etwa 60-sekündigen Unterbrechung fortsetzen konnte. Die Sicht aufs Tor war wieder frei, und so ließen es sich die Sechziger nicht nehmen, den Ball wie bereits in Halbzeit eins abermals ins Netz zu befördern. Am Ende dieser Feuer-, Rauch- und Wasserschlacht verbuchten die Löwen am ersten Spieltag vor 15 000 Zuschauern im ausverkauften Stadion einen 2:0-Sieg.
Arminia Bielefeld in der 3. Liga:Ein Fall für die Paartherapie
Zwei Abstiege hintereinander, nur Fabian Klos ist noch da: Bielefelds Mission in Liga drei prägen 17 neue Spieler und der Wunsch, sich mit den Fans wieder zu versöhnen - helfen könnte auch ein explosives Derby.
Wie funktionieren diese neuen Sechziger? So gut wie alle Klubbeobachter hatten sich vor diesem ersten Saisonspiel schwer mit dieser Frage getan. Die Testspiele gaben wenig Anlass zu Optimismus. Und auch sonst: Trainer Maurizio Jacobacci hat angesichts von zwölf Neuzugängen ein Puzzle der komplizierteren Art zusammenzusetzen. Kompliziert, weil eben alles andere als klar ist, ob die verfügbaren Teile überhaupt zusammen passen. Und wie puzzle-affin die Fans der Löwen sich zeigen werden.
Starke schießt aus der Distanz - und hat ein bisschen Glück
Vor der Westkurve, dem Stammplatz der Löwen-Ultras, ist auf einer Werbebande "Mia kehr'n zam" zu lesen - ein doppeldeutiges Wortspiel, mit dem die verantwortliche Firma die Verbindung zum Klub ausdrückt sowie die Funktion der firmeneigenen Reinigungsmaschinen. Der Text ist fast schon eine Parabel auf diesen Verein in dieser Phase: Passen wir zusammen? Oder müssen die einzelnen Puzzleteile am Ende zusammengekehrt werden?
Der Samstag lieferte erste dezente Hinweise, wie das Zusammenspiel der Löwen-Mannschaft - und deren Fans - in dieser Saison idealerweise aussehen könnte. Das Team präsentierte sich gegen den Rangsiebten der Vorsaison über 90 Minuten ungeahnt stabil in der Abwehr. "Die Viererkette hat eine sehr gute Blockteamleistung gebracht", sagte Coach Jacobacci nach dem Spiel, ehe er ein Sonderlob für Mittelfeldmann Manfred Starke aussprach. Starke hatte sich für das oberste Ziel dieser Sportart hauptverantwortlich gezeigt, das Toreschießen.
Das 2:0 fällt nach einer schönen Kombination
Er eroberte in Minute zwölf etwa 30 Meter vor dem Mannheimer Tor den Ball und hielt drauf. Sein Schuss prallte zunächst an die Latte, ehe er am hinteren Bein von Mannheim-Keeper Bartels landete, der die Kugel unglücklich ins eigene Tor lenkte. Offenbar hatte Starke auf Anweisung seines Übungsleiters gehandelt. "Ich habe ihm auf dem Weg gegeben, aus der Distanz aufs Tor zu schießen", erklärte Jacobacci.
Nach Wiederanpfiff und Pyropause befolgte Starke diese Anweisung nicht mehr so konsequent. Stattdessen schnappte er sich tief in der eigenen Hälfte den Ball, ließ zwei Mannheimer aussteigen und setzte dann Angreifer Albion Vrenezi in Szene. Der spurtete los, steckte auf Julian Guttau durch - von da landete der Ball per Querpass bei Fynn Lakenmacher, der ihn nur noch über die Torlinie schieben musste (55.). "Das war eine große Mannschaftsleistung", bilanzierte Jacobacci.
Hiller gewinnt das Torwart-Duell
Torhüter Marco Hiller stand seinerseits durchnässt, aber durchaus zufrieden dreinschauend in der Mixed Zone. Oder besser: erleichtert, einerseits weil er den Zweikampf um den Platz im Tor der Löwen vorerst für sich entschieden hat - und in Spiel eins mit einem Sieg und null Gegentoren zu überzeugen wusste. "Ich war froh, dass ich heute hier mit der Mannschaft die drei Punkte holen konnte", erklärte er, ehe er hinzufügte, dass er "eigentlich nie daran gezweifelt" habe, sich im Torhüterduell mit Zugang David Richter durchzusetzen.
Und die Fans? Feierten ihre Mannschaft im Giesinger Regen. Kurz vor Schluss, als die Löwen einen Doppelwechsel vornahmen (Tarsis Bonga kam für Morris Schröter und Tim Kloss für Niklas Tarnat), standen die Zuschauer auf der Nord- und Südtribüne geschlossen auf, klatschten und johlten. Im Westteil des Stadions standen und johlten sie natürlich auch, dort ist Stehen und Johlen mangels Sitzen und dank gut geübter Kehlen handelsüblich. Und im Osten, im Gästeblock, da standen die Mannheimer Anhänger und johlten nicht. Ihr Pulver hatten sie inzwischen offenbar restlos verschossen.