Trainerwechsel in der Bundesliga:Magie und heiße Luft

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Wenn ein Verein den Trainer tauscht, wird oftmals vom psychologischen Effekt gesprochen. Jedoch: Gibt es den überhaupt?

Jürgen Schmieder

Jens Lehmanns Aussage hörte sich ein wenig an wie die einer jungen Frau, die sich in einen Mann verliebt hat und nun den Freundinnen erklären muss, warum gerade er der Außerwählte sein soll. "Er hat ganz offensichtlich eine bestimmte Magie entfacht", sagte Lehmann. Es war ein Lob für Christian Gross, den neuen Trainer des VfB Stuttgart - es war aber auch ein Eingeständnis der Unerklärlichkeit dieses Erfolgs im letzten Champions-League-Gruppenspiel gegen Unirea Urziceni.

Stuttgarts neuer Trainer Christian Gross - das ist der mit der Magie. (Foto: Foto: rtr)

In Berlin dagegen scheint es so etwas zu geben wie eingeschränkte Magie. Am 3. Oktober trat Friedhelm Funkel seinen Dienst bei Hertha BSC Berlin an, die Mannschaft konnte seitdem in der Bundesliga nicht gewinnen und schaffte in acht Spielen gerade einmal zwei Punkte. Magie gibt es unter Funkel nur in der Europa League, Berlin schaffte mit drei Siegen aus vier Spielen den Einzug in die nächste Runde. "Das war ein tolles Lebenszeichen", sagte Funkel und klang dabei so wie ein Teenager, dessen Exfreundin ihm gerade mitgeteilt hat, man könne doch Freunde bleiben.

Wenn ein Verein seinen Trainer entlässt, dann hoffen die Verantwortlichen oftmals auf den psychologischen Effekt durch den neuen Mann. Von besser kehrenden neuen Besen ist dann oft die Rede, von gelösten Blockaden und frischen Winden - doch so genau weiß niemand, was da wirklich vorgeht bei einer Mannschaft, die einen neuen Trainer vorgesetzt bekommt und nur ein paar Tage Zeit hat bis zum nächsten Spiel. Aber woran liegt es dann, dass Christian Gross - ein ausgewiesener Fachmann und Psychologe - einen Erfolg feiern darf und Friedhelm Funkel - ebenfalls ausgewiesener Fachmann und Psychologe - zunächst nicht? Gibt es diesen vielzitierten psychologischen Effekt überhaupt?

Klar: Ein Trainerwechsel stellt eine Zäsur da, einen Neubeginn. Mancher Stammspieler bekommt dadurch einen Tritt in den Hintern - und mancher Bankdrücker Hoffnung auf mehr Einsatzzeit. Jeder Spieler im Kader will bei den ersten Einheiten mit dem neuen Trainer beweisen, dass er in die Startelf gehört, das ist ein nachvollziehbarer Effekt. Allerdings kann dieses Argument auch umgekehrt werden. "Misserfolg nach einem Trainerwechsel resultiert daraus, dass der neue Coach die Mannschaft nicht kennt", sagt etwa der Sportpsychologe Bernd Strauß.

Mehr als 10.000 Spiele zwischen 1963 und 1998 hat er mit seiner Kollegin Alexandra Tippenhauer in einer Studie aus dem Jahr 2003 analysiert. "Trainerwechsel bringen nichts", lautete das verkürzte Urteil. "Der Rauswurf ist die falsche Strategie", sagte Strauß in einem Interview: "Die Rettungen in letzter Sekunde sind reine Glückssache." Der neue Trainer wisse nicht unbedingt, wie er die neue Elf psychologisch anzupacken hat - auf monotone Gras-fressen-Floskeln nämlich fällt der moderne Profi nicht mehr herein. Während der alte Übungsleiter die Eigenheiten seiner Spieler kenne, benötige der neue Mann Zeit, um die Strukturen der Mannschaft und vor allem den psychischen Zustand der einzelnen Spieler kennenzulernen.

Vielleicht ist deshalb die Strategie von Vereinen wie Werder Bremen (Otto Rehhagel, Thomas Schaaf), dem SC Freiburg (Volker Finke) oder dem Karlsruher SC (Winfried Schäfer), auch in Zeiten des Misserfolgs zu ihrem Trainer zu stehen, die bessere Variante. Begründe man den Rauswurf nämlich mit einer Niederlagenserie, dann sei dies der falsche Weg. "Natürlich ist es richtig, einen Coach zu entlassen, wenn es mit ihm nicht mehr passt", sagt Strauß. Doch wissenschaftlich sei dieser Effekt nicht zu beweisen. Schon in den achtziger Jahren hatte der Darmstädter Sportprofessor Roland Singer eine ähnliche Studie mit ähnlichen Ergebnissen vorgelegt.

Warum also glauben die Verantwortlichen der Bundesligisten immer noch an diesen psychologischen Effekt des Trainertausches? "Die Vereine stehen sehr stark im Blickpunkt der Öffentlichkeit", sagt Strauß. "Das Management steht unter Druck." Den Verantwortlichen würde Führungsschwäche vorgeworfen, wenn sie bei Misserfolgen den Trainer nicht in Frage stellt.

Mit einem Trainerwechsel ist es eben doch wie mit einer neuen Freundin: Man verliebt sich, weiß nicht warum, und ob es funktioniert oder nicht, das kann niemand vorhersehen. Auch nicht die Fans in Stuttgart, die am Samstag wieder die Hände über dem Kopf zusammenschlugen - aber nicht wegen drei Toren innerhalb von acht Minuten, sondern wegen des Fußtritts ihres Torhüters. Gegen Mad Jens ist eben selbst die Magie machtlos.

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