Trainer Guardiola und Ancelotti:Asket gegen Brummbär

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Pep Guardiola (links) und Carlo Ancelotti begrüßen sich vor dem Halbfinal-Hinspiel im Bernabeu-Stadion in Madrid (Foto: dpa)

Im Champions-League-Halbfinale zwischen dem FC Bayern und Real Madrid treffen zwei große Trainer aufeinander. Um den detailversessenen Josep Guardiola wird ein fast spiritueller Kult betrieben. Wer allerdings glaubt, der rundliche Carlo Ancelotti habe nichts drauf, täuscht sich gewaltig.

Von Thomas Hummel

Das Duell im Champions-League-Halbfinale zwischen dem FC Bayern München und Real Madrid ist auch eine Auseinandersetzung zweier großer Trainer: Josep Guardiola gegen Carlo Ancelotti. Während um den einen fast ein spiritueller Kult betrieben wird, werkelt der andere ständig im Schatten seiner Spieler und Klubbesitzer.

Pep gegen Carletto - oder wie es in Bayern heißen müsste: Sepp gegen Karl - das ist ein Duell der Typen. Hier der Asket, der nachdenkliche Katalane, der Detailversessene. Dort der gemütlich daherkommende Italiener, der Brummbär, immer für ein Späßchen gut. Hier der halb vergötterte Wundertrainer aus Barcelona, der zum Sabbatical in die Weltstadt New York auswandert. Dort der ewig unterschätzte Titelsammler aus Reggiolo in der Emilia-Romagna, von dem bekannt ist, dass er die deftige Küche seiner Frau liebt und mit ihr einen Bauernhof betreibt.

Dabei sind die Bilanzen der beiden ähnlich, sehr ähnlich. Und wer in München glaubt, dieser rundliche Ancelotti hat nichts drauf, der täuscht sich gewaltig.

Als Spieler bekleideten beide die gleiche Position: defensives Mittelfeld. Dort, wo eine Mannschaft zusammengehalten werden muss, wo sich Offensive und Defensive treffen. Beide gewannen je zweimal einen Europapokal. Ancelotti mit dem AC Mailand den der Landesmeister 1989 und 1990, Guardiola mit Barcelona einmal den Landesmeisterpokal 1992 und einmal den Pokalsieger-Pokal 1997. Nationale Meisterschaften und Pokalsiege kommen hinzu. Als Spieler ihrer Nationalmannschaften blieb ihnen der große Sieg verwehrt, Ancelotti war beim WM-Erfolg der Italiener 1982 verletzt.

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Auch als Trainer ist ihre Bilanz vordergründig ähnlich. Guardiola hat durch seine Super-Super-Bilanz beim FC Barcelona mit 17 Titeln (14 mit Barça, drei mit Bayern) derzeit einen Vorsprung, Ancelotti hat 13 vorzuweisen. Allerdings gelang es Ancelotti, mit vier verschiedenen Klubs Titel zu gewinnen. Und das nicht immer unter beschaulichen Umständen.

Er kam im November 2001 zum AC Mailand, dem Klub des autoritären Selbstdarstellers Silvio Berlusconi. Der Präsident streute immer wieder Gerüchte, dass er vor wichtigen Spielen seinem "Carletto" die Aufstellung diktiere, doch der Trainer blieb stets cool und souverän. 2003 und 2007 gewann Ancelotti mit Milan die Champions League, 2005 scheiterte er im Finale dramatisch nach 3:0-Führung am FC Liverpool. Dabei machte er sich auch einen Namen als Bayern-Schreck.

Erstmals traf er in der Gruppenphase 2002 auf die Münchner. Im Olympiastadion gewann Milan 2:1 (Torschütze für Bayern war Claudio Pizarro), zu Hause noch einmal mit demselben Ergebnis. Drei der vier Treffer erzielte übrigens der Bayern-Alptraum Filippo Inzaghi. 2006 schieden die Münchner gegen Milan im Achtelfinale aus (1:1, 1:4 - zwei Tore Inzaghi), 2007 im Viertelfinale (2:2, 0:2 - Inzaghi traf diesmal nur einmal). Zusammen mit dem Hinspiel in Madrid hat Ancelotti gegen Bayern eine Bilanz von fünf Siegen und zwei Remis.

Da der 54-Jährige auch mit dem FC Chelsea unter dem launischen Besitzer Roman Abramowitsch und beim Scheich-Klub Paris Saint-Germain Titel gewann, begleitet ihn inzwischen der Ruf des Friedensstifters, des ausgleichenden Moments inmitten selbstverliebter Stars und Klubeigner. Dabei ist er als Schüler von Milan-Ikone Arrigo Sacchi auch taktisch gewieft, wie die Bayern im Hinspiel erfahren mussten.

Er steht für Balance und Teambuilding, auch die teuersten Schönspieler müssen sich diesem Prinzip unterordnen. Wenngleich er die Spielweise der Mannschaft den Stärken seines Personals durchaus anpasst. "Wir wollen immer Offensiv-Fußball spielen, aber nicht mit derart langen Ballzirkulationen, da wir einfach die Spieler für ein schnelles Umschaltspiel haben", erklärte er am Montag vor dem Rückspiel in München.

Guardiola stellte indes bei seinen zwei Trainerstationen in Barcelona und München das eigene Spielsystem über die Spieler. Sein Stil ist auf Ballbesitz angelegt, auf genaues Passspiel und das Finden der offenen Räume in der gegnerischen Deckung. Mit Barça und Bayern klappte das vorzüglich, die Bilanz von 17 Titeln in nur fünf Trainerjahren ist einmalig.

Sein Stil erhielt bereits einen Namen: Pepismus. In München steht er kurz vor der Trainer-Heiligsprechung, Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge sagte zuletzt im Fachmagazin Kicker: "Dieser Trainer ist etwas Außergewöhnliches, weil er Dinge völlig anders angeht. Er analysiert Fußball, wie ich es noch nie erlebt habe. Er seziert den Gegner."

Dazu kann Guardiola ähnlich wie sein Konkurrent Ancelotti darauf verweisen, mit dem Gegner bislang (fast) nur gute Erfahrungen gemacht zu haben. Real Madrid ist auf Pep Guardiola so gut zu sprechen wie Bayern München auf Pippo Inzaghi.

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Mit Barcelona wies er im spanischen Clásico eine beeindruckende Bilanz auf: neun Siege, vier Remis, zwei Niederlagen. Darunter das in Katalonien nie vergessene 6:2 im Bernabéu im Mai 2009 oder ein 5:0 zu Hause im Nou Camp 2010. In Madrid verlor Guardiola als Trainer überhaupt nur einmal - beim 0:1 im Hinspiel mit dem FC Bayern.

Ein Unterschied zwischen Guardiola und Ancelotti ist dennoch überliefert: die Ansprache an die Mannschaft. Der Katalane ist berühmt dafür, mit Enthusiasmus für die Sache, mit exakter Aufgabenverteilung sowie mit sehr respektvollem Umgang die Herzen seiner Spieler zu erreichen. Ancelotti analysiert ebenfalls genau und ordnet das System. Berichtet wird zudem davon, dass selbst vor den brisantesten Spielen die Kabine schallt vor Lachen, weil er nie seinen Humor vergisst.

In München sagte er zu einem Reporter: "Weißt du, auf einer Pressekonferenz muss du halt auch irgendwas sagen, damit die Zeit vergeht." Und: "Rummenigge sagte, glaub ich, dass die Bäume brennen. Aber hier regnet es."

In einer vorherigen Version stand, dass Carlo Ancelotti 2011 als Trainer zu Milan kam. Das ist nicht richtig, er kam 2001.

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