Tischtennis:Ein verschusseltes Halbjahr

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Wegen eines Formfehlers darf Jin Ueda erst zur Rückrunde für den TSV Bad Königshofen zum Schläger greifen. (Foto: Naoki Morita/Aflosport/Imago)

Der japanische Tischtennisprofi Jin Ueda sucht in Bad Königshofen eine neue Herausforderung. Bald zieht er mit der ganzen Familie nach Franken - nur spielen darf er hier erst mal nicht. Denn sein neuer Verein hat einen folgenschweren Fehler gemacht.

Von Andreas Liebmann

Es kann durchaus vorkommen, dass man vor lauter Aufregung und Vorfreude nächtelang nicht schlafen kann. Andreas Albert, dem Teammanager des Tischtennis-Erstligisten TSV Bad Königshofen, ist das vor etwas mehr als einem Jahr so gegangen, als er kaum erwarten konnte, dass die Unterschrift des japanischen Jungstars Yukiya Uda endlich auf seinem Schreibtisch lag. Fast auf den Tag genau 14 Monate später hat sich Albert wieder wegen eines Transfers aus Japan rastlos hin und her gewälzt in seinem Bett, diesmal allerdings nicht aus Nervosität. Sondern aus Ärger und Fassungslosigkeit. Denn die ersehnten Unterschriften waren längst da, Jin Ueda stand bereits seit April als einziger Zugang für die neue Saison fest, war sogar schon zu einem Sponsorentermin nach Unterfranken gereist. Dann aber hatten sie im Verein bemerkt, dass sie ein entscheidendes Formular vergessen hatten - und Ueda damit in der Hinrunde gar nicht spielberechtigt ist.

Aus Japan fegt nun ein Shitstorm über den kleinen Klub im fernen Franken hinweg

Sie haben noch eine Zeit lang damit gewartet, ihr Versäumnis öffentlich zu machen, erst interne Gespräche geführt, am vergangenen Montag verschickte der Verein dann eine Rundmail, die mit der ungewöhnlichen Schlussformel endete: "Sorry - die TSV Geschäftsführung." Albert lacht nun spitz am Telefon. "Ich bin jetzt berühmt", sagt er, "der Depp der Nation."

Drei Dinge gibt es formal zu erledigen bei einem solchen Transfer: Der Verein muss einen Arbeitsvertrag mit dem Spieler abschließen, dazu einen Lizenzvertrag mit der Tischtennis-Bundesliga (TTBL) - und der Bayerische Tischtennis-Verband muss bis Ende Mai einen Wechselantrag bekommen. "Seit 40 Jahren muss dieser Zettel nach München", sagt Albert, Routine also, doch ausgerechnet in diesem Fall habe sich im ehrenamtlichen Führungstrio aus verschiedenen, teils gesundheitlichen Gründen jeder auf den anderen verlassen. Den TTF Ochsenhausen ist das vor einigen Jahren mal mit dem Franzosen Can Akkuzu so ergangen, sogar der damalige Fußball-Zweitligist Jahn Regensburg hatte vor seiner Abstiegssaison verschusselt, seine FC-Bayern-Leihgabe Sarpreet Singh anzumelden - und das mit hauptamtlich Zuständigen. Aber das tröstet in Königshofen natürlich niemanden.

"Wir haben letztes Jahr gezeigt, dass wir auch so eine gute Mannschaft haben", sagt Albert zwar, schließlich hatte Vorgänger Uda als vermeintlicher Königstransfer in der Vorrunde enttäuscht, in der Rückrunde keinen Einsatz mehr. Doch mit Ueda sollte es eben anders werden, seine Erfahrung sollte ein Pluspunkt sein - und seine ständige Verfügbarkeit. Denn der 31-Jährige zieht mitsamt seiner Familie in die unterfränkische Kleinstadt, will eine neue Kultur kennenlernen und länger als nur ein Jahr bleiben. Mitte August wird die ganze Familie erwartet, der Sohn ist fünf, die Tochter zwei, das Haus in Japan ist verkauft, die Kindergartenplätze sind gebucht, die neue Wohnung wird gerade hergerichtet. Das ist der eine Aspekt, der die ganze Sache besonders misslich macht.

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Anstelle seines Jungstars Yukiya Uda verpflichtet der TSV Bad Königshofen Jin Ueda, einen japanischen Routinier, der seit Jahren keine internationale Praxis mehr hat - dem Verein aber etwas anderes bietet.

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Der andere: Ueda hat einen großen Namen in Japan. Auch wenn er mal die Nummer 28 der Welt war, ehe er sich vor einigen Jahren aus dem Weltcupzirkus zurückzog, holte er nie die ganz großen Titel, dennoch hält ihn Albert sogar für beliebter als den langjährigen Top-Ten-Spieler Jun Mizutani: "Es ist seine ganze Art, wie er auftritt." Ueda kommentierte die jüngste WM für TV Tokyo, wo auch sein Wechsel nach Deutschland verkündet worden war; und Bad Königshofens japanischer Klubsponsor Akihiko Kotani nahm ihn für seine Tischtennisplattform unter Vertrag und richtete sein ganzes Marketing voll auf Ueda aus. Weshalb nun aus Japan auch noch ein Twitter-Shitstorm über den kleinen Verein im fernen Franken hinwegfegt.

"Das hat uns alle ganz schön mitgenommen", sagt Albert, und Ueda sei natürlich "geknickt". Inzwischen ist es gelungen, ihm für die Vorrunde einen Champions-League-Vertrag beim TTC Wiener Neustadt zu vermitteln - in Österreich gelten andere Fristen. Ab Januar darf er dann für Bad Königshofen spielen. "Er hat mir geschrieben, dass er auch das jetzt als Herausforderung begreift", erzählt Albert, "er hat es gleich ins Positive gedreht." Ein bisschen Vorfreude auf den Neuen ist trotz des Malheurs geblieben.

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