Tischtennis:Expedition ins Grabfeld

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Erfahrung und Verfügbarkeit: Jin Ueda, hier bei den japanischen Meisterschaften, soll für den TSV Bad Königshofen zur verlässlichen Größe werden. (Foto: Naoki Morita/Aflosport/Imago)

Anstelle seines Jungstars Yukiya Uda verpflichtet der TSV Bad Königshofen Jin Ueda, einen japanischen Routinier, der seit Jahren keine internationale Praxis mehr hat - dem Verein aber etwas anderes bietet.

Von Andreas Liebmann

Es wird ein Abenteuer, davon kann man wohl ausgehen, aber Jin Ueda wagt sich nicht gänzlich ins Unbekannte. Der Tischtennisprofi hat seine künftige Heimat schon einmal ausgekundschaftet, "inkognito", vor einigen Jahren. Ganz exakt weiß Manager Andreas Albert das nicht mehr. Jedenfalls sei Ueda damals mitsamt Ehefrau zu Besuch gewesen im unterfränkischen Bad Königshofen, erzählt er, und das gibt nun allen ein gutes Gefühl. Denn Jin Ueda will hier in der kommenden Saison nicht nur Erstliga-Tischtennis spielen - er wird mit seiner Familie auch hier leben. Mit Frau und inzwischen zwei kleinen Kindern, in einer 6000-Einwohner-Kleinstadt mit historischem Marktplatz, deftiger Kulinarik und gutem Bier, gelegen im Grabfeld am Fuße der Haßberge, zwischen Naturpark Rhön und Thüringer Wald. Jin Ueda weiß all das. So ungefähr jedenfalls.

Von seinem Wechsel nach Deutschland wissen seit dem Wochenende auch in Japan viele Sportfans, denn Ueda, 31, hat in seiner Heimat durchaus einen Namen. Am Samstag gegen Mitternacht postete der TSV im fernen Unterfranken seinen Transfer, gleichzeitig lief die Meldung bei TV Tokyo. Irgendwann in diesem Sommer soll der Umzug stattfinden. Ueda kommt aus der Hafenstadt Maizuru nördlich der Metropole Kyoto. Zuletzt verdiente er sein Geld bei T.T Saitama in der japanischen Liga, wo er fast nur noch im Doppel eingesetzt wurde und entsprechend unzufrieden war.

Sein Wechsel dürfte in Japan auch deshalb großes Interesse hervorrufen, weil Ueda im Kader des TSV Bad Königshofen den Platz seines zehn Jahre jüngeren Landsmannes Yukiya Uda einnehmen wird, der aktuellen Nummer 20 der Weltrangliste.

Ueda selbst war mal die Nummer 28, nur ist das eben schon fünf Jahre her. Seit etwa drei Jahren spielt er keine Weltcups mehr, keine internationalen Turniere, vielleicht ist seine Verpflichtung für den Verein deshalb sogar ein größeres Wagnis als für den Spieler. Doch auch der Verein hat nicht auf einen Unbekannten gesetzt, im Gegenteil. Koji Itagaki, die japanische Trainerlegende in Diensten des TSV, hat einst an der Aomori-Schule im Norden Japans viele Spitzenspieler ausgebildet, und Ueda sei dort einer seiner Lieblinge gewesen, erzählt Albert. Der einstige Schüler folgt nun also seinem alten Lehrer in ein neues Land. Itagaki ist ja selbst mit Frau und drei Kindern vor sieben Jahren hierhergezogen.

Vorgänger Uda sollte den TSV in die Playoffs führen, doch er hielt dem Druck nicht stand

"Menschlich ein super Typ" sei der Neue, findet Albert, Ueda könne sich auch einen Verbleib über mehrere Jahre vorstellen - wenn auch nicht auf Dauer wie sein Trainer. In einem ersten Statement ließ er wissen, dass er sportlich auf seine Erfahrung setze und jemand sein wolle, der bald auch in Deutschland so geschätzt werde wie in Japan.

Mit Japan-Transfers betritt der TSV Bad Königshofen natürlich kein Neuland, er hat seit Jahren einen japanischen Sponsor und hatte schon eine Handvoll japanischer Profis unter Vertrag. Uedas fehlende internationale Praxis birgt trotzdem eine Restunsicherheit. Andererseits war sich die Vereinsführung vor einem Jahr sicher, einen Riesenfang mit der Verpflichtung Yukiya Udas getätigt zu haben, der sie geradewegs in die Playoffs führen sollte. Der glitzernde Jungstar Uda allerdings begann, nachdem er einen Matchball gegen Timo Boll vergeben und ein, zwei weitere Matches verloren hatte, die hohen Erwartungen und das euphorische Publikum als Last zu empfinden - der er nicht standhielt. Mit einer 2:7-Bilanz schloss Uda die Saison ab, ohne Einsatz in der Rückrunde. "Vor allem hat uns geärgert, dass er so selten da war", sagt Albert.

Genau das ist Uedas Trumpf: dass der routinierte Rechtshänder immer verfügbar sein wird. Sie wollen auf Kontinuität setzen in Bad Königshofen. Der Rest des Kaders bleibe unverändert, sagt Albert. Routinier Bastian Steger, 42, habe seinen Vertrag um zwei Jahre verlängert.

Die Videos, die man sich von Jin Ueda ansehen kann, sind naturgemäß schon älter. Leichtfüßig ist er da, mit solider Vorhand und bisweilen spektakulären Rückhandblocks. 2018 sieht man ihn bei den Swedish Open klar gegen den damaligen Düsseldorfer Kristian Karlsson verlieren und bei den Japan Open desselben Jahres hauchdünn eine Siegchance gegen den Weltmeister Zhang Jike vergeben. Jin Ueda ist sicher kein Transfer, der den Klub nun zwingend wieder vom ersten Playoff-Einzug seiner Geschichte träumen lassen wird wie vor einem Jahr. Wobei Ueda genau das als Ziel angibt: Dem Verein dabei helfen zu wollen, erstmals in die Playoffs zu kommen. Im Vergleich zu Uda ist er vielleicht ein kleineres Abenteuer. Aber vermutlich passt das sowieso besser zu diesem familiären Verein im Grabfeld.

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