FC Bayern gegen Barcelona:Goldener Geist für Thomas Müller

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"Er gewinnt vielleicht noch mehr an Bedeutung, wenn keine Zuschauer da sind": Beim 3:0 der Bayern gegen Barça schießt der Nationalspieler sein 50. Champions-League-Tor - und belegt die Stärke der Münchner Stammelf.

Von Sebastian Fischer

Der Ärger ist wohl immer noch nicht ganz verflogen. Etwas mehr als eine Woche ist es nun her, dass der FC Bayern mit einer kleinen Delegation nach Paris flog, zu Ehren von Robert Lewandowski. Der Angreifer gewann entgegen den Forderungen des deutschen Rekordmeisters nicht den "Ballon d'Or", den goldenen Ball für den besten Fußballer der Welt. "Ein bisschen schockiert" sei er, bemerkte Bayerns Vorstandschef Oliver Kahn danach.

Die Zeitschrift France Football erfand stattdessen eine Auszeichnung für den besten Stürmer des Jahres, die prompt Lewandowski gewann. Aber inzwischen drängt sich die Frage auf, ob genügend neue Preise erfunden wurden, um den Leistungen des FC Bayern gerecht zu werden. Müsste es nicht einen "Fantôme d'Or" geben, ein goldenes Gespenst für Thomas Müller, den besten Geisterspieler des Jahres?

Thomas Müller glänzt gegen Barça - ist er das beste Phantom des Jahres?

Müller, 32, hatte am Mittwochabend nach dem 3:0 der Bayern gegen den derzeit zu europäischem Mittelmaß geschrumpften, nun erstmals seit 17 Jahren vor der K.o.-Phase ausgeschiedenen FC Barcelona augenscheinlich von allen die beste Laune. Er reckte seine Faust in eine Kamera, die ihm auf dem Rasen entgegenfuhr, er reckte sie sogar noch zwei Mitarbeitern zu, die am Kabinenausgang standen. Der Sieg bedeutete neben dem ohnehin schon gesicherten Platz eins in der Gruppe den sechsten Erfolg im sechsten Spiel der Vorrunde.

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Der FC Bayern gewinnt auch sein sechstes Gruppenspiel, schlägt den FC Barcelona souverän mit 3:0 - und schießt den Gegner damit aus der Königsklasse.

Aus dem Stadion von Sebastian Fischer

Müller hatte das 1:0 erzielt, mit einem Kopfball, für den er sich in der Luft nach hinten streckte, eine Lewandowski-Flanke gerade so erreichte und den Ball entgegen der Laufrichtung von Barças deutschem Torwart Marc-André ter Stegen nur ein paar Zentimeter hinter die Linie beförderte. Es war nicht nur ein typisches Müller-Tor, es war auch bereits sein 50. in der Champions League und sein achtes im siebten Spiel gegen Barcelona.

"Flutschig", so beschrieb er dann im Interview beim übertragenden Sender Dazn nicht nur die Bedingungen auf dem vom Schneeregen nassen Rasen, sondern auch seine Leistung: "Gegen Barca flutscht's irgendwie bei mir."

Müller war aber nicht nur mit seinem Tor aufgefallen. Das Spiel gegen Barcelona war das erste in München seit dem erneuten Ausschluss von Zuschauern wegen der vierten Welle der Pandemie. Und prompt war von Beginn an wieder durchweg Müller zu hören, wie er anleitete, moderierte, sich ärgerte (selten) und jubelte. "Er gewinnt vielleicht noch mehr an Bedeutung, wenn keine Zuschauer da sind", sagte Trainer Julian Nagelsmann in der Pressekonferenz.

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Von Martin Schneider

In "neuneinhalb von zehn Fällen" coache Müller seine Kollegen richtig. Und er bringe die Mitspieler "in eine Aktivität". Dass "Radio Müller" besonders in der Stille leerer Stadien auf allen Frequenzen sendet, ist weit mehr als Folklore. Es ist für die Mannschaft ein wichtiger Antrieb.

Leroy Sané bekommt nach Tor gegen Barcelona Sonderlob von Julian Nagelsmann

Nagelsmann war auch über den auffälligsten Spieler des Abends hinaus in der Laune, seine Mannschaft zu loben. "Wenn wir am Ende ein bisschen mehr anziehen, können wir mehr Tore als drei machen", sagte er zum Beispiel, eine vielsagende Bemerkung auch über die Gegenwehr des FC Barcelona. Und er pries die Leistung von Leroy Sané, dem man nicht mehr anmerke, dass er noch vor ein paar Monaten für seine sparsame Laufarbeit ohne Ball kritisiert worden war. "Die Dinge, die ihm angekreidet wurden, die sieht man gar nicht mehr. Wie er defensiv arbeitet und die Dinge umsetzt und verbessern will, das ist der Unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten Spieler. Und Leroy ist ein sehr sehr guter Spieler", sagte Nagelsmann.

Sané hatte das 2:0 kurz vor der Halbzeit mit einem flatternden Fernschuss erzielt, der ter Stegen schwach aussehen ließ. Mit dem 3:0 nach einer Stunde tat sich danach auch noch Jamal Musiala hervor, der den angeschlagenen Leon Goretzka ersetzte. Neben und hinter ihm war es womöglich zum vorerst letzten Mal Corentin Tolisso, der für Joshua Kimmich von Beginn an auflief. Der Nationalspieler ist nach seiner Corona-Erkrankung wieder freigetestet, seine Quarantäne ist seit Donnerstag beendet.

Auch Musiala fällt auf beim FC Bayern

Es ging bei Nagelsmanns Lob etwas unter, dass es mit Ausnahme des 18-Jährigen und so häufig auffälligen Musiala kaum Ergänzungsspieler waren, die für sich warben - und das in einem Spiel, das eigentlich wie für die zweite Reihe prädestiniert schien, auch wenn es für die Bayern darum ging, das Ergebnis in der Gruppe nicht zu verzerren. Dass Spieler wie die im Sommer 2020 verpflichteten Marc Roca und Bouna Sarr oder der im Sommer 2021 verpflichtete Omar Richards auch am Mittwoch erst in der zweiten Hälfte eingewechselt wurden, untermauerte nicht gerade ihre Bedeutung im Kader.

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Solange die Spieler aus der ersten Reihe aber auflaufen können, ist das wohl eine nachrangige Beobachtung. Und Müller erklärte seine imposante Statistik von 50 Champions-League-Toren entsprechend: Der FC Bayern komme "immer relativ weit, dazu bin ich relativ oft spielfähig. Dementsprechend mach ich viele Partien." Sagte Müller und ging aus dem leeren Stadion. Jenem Ort, an dem wohl kein Fußballer so wichtig ist wie er.

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