Die Liste trister Szenen in leeren Stadien ist lang geworden in den vergangenen eineinhalb Jahren, aber fußballästhetisch betrachtet war das noch mal etwas besonderes. Da stand also der große Xavi im Schneeregen von München, er trug Jeans und Winterjacke. Es war ein wetterfester, kein festlicher Aufzug. Mal rief er seine Anweisungen auf den Platz, die zu verhallen schienen. Manchmal wandte er sich enttäuscht ab.
FC Bayern gegen den FC Barcelona, so groß wie das klingt, so klein war die Partie am Mittwochabend im Vergleich der historischen Duelle der beiden Klubs. Es ging vor pandemiebedingt leeren Rängen nur noch für Barcelona um das Weiterkommen ins Achtelfinale. Mit einem 0:3 (0:2) beim deutschen Rekordmeister reichte es für das zu europäischer Mittelklasse geschrumpfte, von Xavi trainierte Barca nur für Platz drei in der Gruppe. Benfica Lissabon schlug gleichzeitig Dynamo Kiew und zog vorbei. Zum ersten Mal seit 17 Jahren findet die K.o.-Phase der Königsklasse damit ohne die Katalanen statt.
"Heute müssen wir uns mit dieser Situation abfinden, auch wenn sie schwer ist. Wir müssen bei Null anfangen", sagte Xavi nach dem Spiel. "Ich habe gehofft, dass wir eine bessere Leistung abrufen können, aber das war nicht so. Die Bayern sind derzeit ein besseres Team als wir. Heute ist eine harte, traurige Situation, wir fühlen uns machtlos."
Für die Münchner reichten die Tore von Thomas Müller, Leroy Sané und Jamal Musiala dagegen zu einer makellosen Statistik. Sechs Mal gewonnen haben sie nun in sechs Spielen, wie in der Vorrunde 2019/20, der Saison ihres Champions-League-Sieges.
FC Bayern in der Einzelkritik:Sanés Bälle flattern wie beim Volleyball
Der Offensivspieler zeigt seine exquisite Schusstechnik, Kingsley Coman überbrückt dribbelnd das halbe Feld und Alphonso Davies wird wieder einen Platz in den Schlagzeilen bekommen. Die Bayern in der Einzelkritik.
"Es macht mich sehr stolz, auch dass wir heute zu Null gespielt haben. Drei Gegentore in der Gruppenphase bei 22 geschossenen, ist schon eine gute Quote. Auch heute waren wir sehr souverän", meinte Bayern-Trainer Julian Nagelsmann. "Wir haben gegen einen Gegner gespielt, der einen sehr großen Namen hat und eigentlich gewinnen musste. Wir haben sie zu keiner Zeit entfalten lassen. Wenn wir am Ende ein bisschen mehr anziehen, können wir mehr Tore als drei machen."
Für Nagelsmann lag die verschmerzbare Komplikation des Abends darin, noch mal Joshua Kimmich wegen seiner Corona-Infektion zu ersetzen. "Frei getestet ist er, heute Nacht endet seine Quarantäne", sagte Sportvorstand Hasan Salihamidzic vor dem Spiel. Wie beim 3:2 in Dortmund am vergangenen Wochenende lief Corentin Tolisso auf. Neben dem Franzosen vertrat Nationalspieler Jamal Musiala den verletzten Leon Goretzka, ansonsten fehlte aus dem Kreise der Stammspieler nur Serge Gnabry. Lucas Hernández saß angeschlagen auf der Bank, dafür spielte erstmals seit einem Monat wieder Niklas Süle von Beginn an.
Als in der vergangenen Saison Geisterspiele noch die Regel waren, hatten Münchner Fußballspiele meist im laut rufenden, jedes Geschehen auf dem Rasen moderierenden Müller einen regelmäßigen Protagonisten. Diesmal war das spätestens nach 34 Minuten wieder so: Robert Lewandowski, von Sané mit einem Steilpass geschickt, wartete mit seiner Flanke auf den richtigen Moment, Müller stieg in der Mitte zum Kopfball und drückte den Ball entgegen der Laufrichtung vom deutschen National-Ersatztorwart Marc-André ter Stegen aufs Tor. "Ja!", rief Müller schon, bevor Schiedsrichter Ovidui Hategan auf Tor entschieden hatte, nachdem der Ball ein paar Zentimeter hinter die Torlinie geflogen war. Es war im siebten Spiel gegen Barcelona Müllers achtes Tor. Auch beim 3:0 im Hinspiel hatte er getroffen.
Ter Stegen sieht bei Sanés Schuss unglücklich aus
Die Führung war Ausdruck Münchner Überlegenheit, ohne zu glänzen. Tolisso etwa tat sich in der Anfangsphase schwer, quasi allein die Angriffe aufzubauen. Erst mit dem 2:0 in der 43. Minute kam dann auch etwas Glanz: Sané traf aus der Ferne mit einem Flatterball, ter Stegen sah schlecht aus. Vor allem aber war Kingsley Coman für seine Vorlage auf der rechten Seite praktisch ganz Barcelona davongelaufen.
Sané vergab kurz nach der Pause vor dem freien Tor das 3:0, danach waren es kurz die Gäste aus Barcelona, die mehr von der Begegnung hatten. Die mitgereisten Radioreporter beschrieben das mit einer Vehemenz, als würden sie über ein Pferderennen auf den letzten Metern berichten; sie klangen laut wie ein ganzes Dutzend. Kommentatoren als Geräuschkulisse, auch das ist ja ein Charakteristikum der Geisterspielabende, die man im Spätsommer schon in der Vergangenheit wähnte.
Musiala trifft in Barcelonas zaghafte Drangphase
Die spanischen Radioleute konnten durchaus die Kunde von ein paar Torannäherungen in ihre Mikrofone rufen, aber meistens endeten die Angriffe chancenlos in den Füßen Münchner Abwehrspieler. Bayerns Rechtsverteidiger Benjamin Pavard etwa stoppte ständig Ousmane Dembélé, einen der letzten übriggebliebenen, so teuren wie namhaften Profis des verschuldeten Klubs, der in Spaniens Liga gerade nur Siebter ist. In der 73. Minute kam noch ein anderer alter Bekannter von der Bank, der frühere Münchner Philippe Coutinho. Für die Bayern spielten da bereits die Reservisten Marc Roca, Omar Richards und Bouna Sarr.
Das Spiel war entschieden, seit Musiala in Barcas ausgesprochen zaghafte Drangphase hinein nach 62 Minuten das 3:0 geschossen hatte. Als die Stadionkamera auf Xavi schwenkte, konnte man in seinem Blick so etwas wie Resignation deuten.