Alexander Zverev in Wimbledon:Nächster Gegner, bitte

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"Ich bin auf einem guten Weg, aber es war auch nur eine zweite Runde am Ende des Tages": Alexander Zverev in Wimbledon. (Foto: Toby Melville/Reuters)

Der deutsche Tennisprofi beherrscht inzwischen eine Kunst, die große Spieler auszeichnet: in frühen Runden schnell und unkompliziert siegen.

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon/München

Alexander Zverev ist seit 2013 Tennisprofi, mehr als 400 Turnier-Duelle hat er bestritten, aber so eine Partie wie am Donnerstag? "Das kommt kaum vor, solche Matches", sagte er. Sein Zweitrundenspiel gegen Tennys Sandgren aus Tennessee war in der Tat außergewöhnlich gewesen, weniger aus spielerischen Gründen. 7:5, 6:2, 6:3 hatte sich der Hamburger durchgesetzt, nur zwei Doppelfehler, 13 Asse dafür, der Amerikaner, auf Platz 68 der Weltrangliste geführt: chancenlos. Und weil er das wusste und weil er, wie Zverev betonte, "guten Sinn für Humor" hat, wurde der ungleiche Kampf amüsant. Hin und wieder warfen sie sich Kommentare zu, plauderten in Richtung Zuschauer auf Court No.2, für Heiterkeit sorgte, dass Sandgren wiederholt der in der Hosentasche steckende Ball herausfiel.

Ohne größere Widerstände also ist der Weltranglisten-Sechstee in die dritte Runde von Wimbledon eingezogen. Beeindruckend an dem unspektakulären Sieg war, wie selbstverständlich Zverev solche Spiele zu seinen Gunsten entscheidet. Da wackelte nichts. Es gab ja auch Zeiten, da hatte er in ähnlich frühen Phasen von Grand Slams eineinhalb bis zwei Dramenmomente durchlitten. Oder zu viele Kräfte verschlissen, weil er zu träge begann und sich im Matchplan verhedderte. Jetzt bestreitet er seine Partien von Beginn an klar strukturiert, was ihm kurzzeitig Zufriedenheit verschaffte, mehr aber nicht. "Ich bin auf einem guten Weg, aber es war auch nur eine zweite Runde am Ende des Tages." Punkt. Thema erledigt, Aufgabe erledigt. Weiter. Nächster Gegner, bitte.

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Zverev weiß eben auch: In Wimbledon war er bisher nicht wirklich gefordert, auch nicht in Runde eins gegen den niederländischen Qualifikanten Tallon Griekspoor. Und er macht keinen Hehl daraus, dass er bei diesem Rasenturnier im All England Club, bei dem er als bestes Ergebnis ein Achtelfinale vorweisen kann, 2021 doch andere Ambitionen hegt. "Ich bin in einer Phase, in der ich komme, um ein Turnier zu gewinnen", antwortete er einem amerikanischen Reporter auf die Frage, ob er sich den Titel zutraue.

Novak Djokovic, der Weltranglisten-Erste, sei der Favorit, unterstrich er. Aber: "Ich bin in einer Position, in der ich nicht mit einem Viertel- oder Halbfinale zufrieden bin." Zverev klang eins zu eins wie in Paris, was wiederum bedeutete: Die bei den French Open schmerzvolle Halbfinal-Niederlage gegen den Griechen Stefanos Tsitsipas hat keine Wunden hinterlassen.

Bot ein unvergessenes Match: Der Kölner Oscar Otte zwang Andy Murray in den fünften Satz und zu einem ungewöhnlichen Notplan. (Foto: Alastair Grant/AP)

Wie unterschiedlich im Tennis die Perspektiven in ein und der selben Runde sein können, zeigte sich bei der speziellen Geschichte, die dieser Tage Zverevs deutscher Kollege Oscar Otte erlebte. Der Kölner (und natürlich Hardcore-Fan des FC) ist 27, die Nummer 151 der Weltrangliste, er changiert zwischen unterschiedlichen Turnierwelten. Mal spielt er sehr kleine, mal große Veranstaltungen, wenn er es dort wie in England ins Hauptfeld schafft. Über die Qualifikation gelang ihm das diesmal, bei den French Open spielte Otte schon mal gegen Roger Federer.

Nun gewann er zunächst in der ersten Runde in einem Match, das wegen Dunkelheit abgebrochen worden war und über zwei Tage ging, mit 13:12 (2) im fünften Satz. Den verwandelten Matchball zum 7:2 hatte er gar nicht mitbekommen, weil er dachte, in diesem Entscheidungsformat ginge es nun bis 10 Punkte. Mittwochnacht dann war Andy Murray Ottes Gegner, und dass der dreimalige Grand-Slam-Sieger aus Schottland die Fans ausflippen ließ und später meinte, wegen Matches wie diesem spiele er immer noch Tennis, verdeutlichte: Otte hatte fantastisch gekämpft.

Sollte er mal eines Tages zu Hause in der Dom-Stadt am Tresen stehen, sich ein Kölsch gönnen und von den alten Zeiten schwärmen, kann Otte tatsächlich glaubwürdig erzählen: Dieser Murray musste sämtliche Tricks auspacken, um mich zu schlagen! Otte, 1,93 Meter groß und ein formidabler Netz-Angreifer, piesackte den hüftsteifen Murray mit Vorhandschüssen und guten Volleys, 2:1 Sätze lag er vorne, da musste Murray einen ungewöhnlichen Notplan abrufen.

Er brauchte Energie, erzählte er offen, innere Spannung fehlte ihm, also "pickte ich mir ein paar Leute in der Menge und starrte sie nach jedem Punkt an und versuchte eine Verbindung mit ihnen herzustellen". In England sind diese drei, vier Murray-Aufpeitscher, die ihm auf diese Weise zum Sieg verhalfen, jetzt ein Riesenthema. Murray selbst erinnerte sich noch an eine Dame sowie zwei Herren in Schottland-Shirts, und wie es seine Art ist, machte er sich selbstkritisch Sorgen: "Ich hoffe, die Fans mochten es auch und denken nicht, dass es etwas seltsam war, dass ich sie anstarrte und sie über eine Stunde anschrie."

Andrea Petkovic hofft auf Punkte, um in Grand Slams zu kommen - und wird nicht bei Olympia spielen

Otte war nach der 3:6, 6:4, 6:4, 4:6, 2:6-Niederlage niedergeschlagen, klar, aber das Match gab ihm "viel positive Energie für die Zukunft". Früher habe er Murray und Federer im TV gesehen, und jetzt spiele er gegen beide. Murray zollte ihm am Netz, beim Handschlag, höchsten Respekt. "Er sagte, wenn ich weiter so arbeite und weiter so spiele, kommen die Resultate", berichtete Otte. "Genau dafür arbeitest du jeden Tag." Auch bei Experten hinterließ Otte Eindruck. Darren Cahill, Trainer-Koryphäe und Coach von Simona Halep, twitterte noch in der Nacht: Spieler wie Otte seien eine Erinnerung, dass diese Spieler außerhalb der Top 100 "verdammt gute Spieler" sind.

Wie Otte schied auch Andrea Petkovic in ihrem Zweitrundenmatch aus, die 33-Jährige aus Darmstadt unterlag am Donnerstagmittag der French-Open-Siegerin Barbora Krejcikova 5:7, 4:6, mehr wäre möglich gewesen. "Es ärgert mich, dass ich noch nicht so diese Balance finde bei den wichtigen Punkten zwischen aggressiv und sicher zu spielen", sagte Petkovic, die nun wichtige Monate vor sich hat. Sie verzichtete letztlich darauf, auf Biegen und Brechen an Olympia teilzunehmen, theoretisch hätte sie die komplizierten Kriterien wohl erfüllen können, erklärte Petkovic. Sie ist nun, auch aus freien Stücken, nicht auf der Liste für Tokio. Sie wolle nun bei anderen Turnieren "Punkte machen, um in die Grand Slams reinzukommen". Olympia ohne Petkovic? "Das war eine Abwägungssache, die für mich emotional schwierig war", sagte sie, "aber ich glaube, am Ende war es die richtige Entscheidung." Angelique Kerber indes ist eine Runde weiter, die Wimbledon-Siegerin von 2018 setzte sich in einem hochklassigen Match gegen die Spanierin Sara Sorribes Tormo mit 7:5, 5:7, 6:4 durch.

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