ATP-Turnier in Stuttgart:Die neuen deutschen Tennispapas

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Vereint als Doppel auf dem Platz und neuerdings auch in den Väterrollen: Tim Pütz (links) und Kevin Krawietz. (Foto: Horst Mauelshagen/pepphoto/Imago)

Fast gleichzeitig wurden Jan-Lennard Struff, Kevin Krawietz, Tim Pütz und Andreas Mies erneut oder zum ersten Mal Vater. Die Profis merken bereits: Ist gar nicht so leicht, Familie und Turniertennis miteinander zu vereinen.

Von Gerald Kleffmann, Stuttgart

Mitte der Woche saßen Kevin Krawietz, 31, Tim Pütz, 35, und Jan-Lennard Struff, 33, im Klubhaus des TC Weissenhof, oben auf dem schönen Killesberg mit all den dicken Villen, und um sie herum herrschte Chaos. Spielsachen lagen auf dem Boden, der vierjährige Sohn von Struff sauste durch den Raum, das Baby von Krawietz lag auf einer Decke, Trinkflaschen wurden gereicht. Auch die Partnerinnen der drei Profis waren dabei, alle redeten munter durcheinander. Krawietz strahlt, als er von diesem Moment erzählt. "Das war eine richtig coole Atmosphäre, sehr familiär." Derart intensiv wie bei diesem ATP-Turnier in Stuttgart glückte die Familienzusammenführung der neuen deutschen Tennisväter bislang noch nie. "Schon verrückt, dass wir jetzt alle Eltern sind", sagt Krawietz und staunt mit seinen himmelblauen Augen.

Dass Profisportler Nachwuchs bekommen, ist natürlich nicht ganz neu, im vergangenen Jahr erlebte ja Tatjana Maria, Mutter zweier Mädchen, eine besondere Erfolgsgeschichte, als sie in Wimbledon das Halbfinale erreichte und das Interesse an ihrer Person auch nutzte, um auf so manches Problem als Tennismutter aufmerksam zu machen. Auf andere Art ungewöhnlich ist nun, dass sich fast alle Spieler der deutschen Davis-Cup-Mannschaft ziemlich gleichzeitig über Kinder freuen durften, als würde ein Masterplan dahinterstehen. "Vielleicht muss man mal die Mondbahnen überprüfen", scherzte Pütz.

"Ich wollte wissen, wie man die Reisen gestaltet oder welche Turniere kinderfreundlich sind"

Der deutsche Kinderboom sieht jedenfalls so aus: Struff hat nach einem vierjährigen Sohn nun eine Tochter. Krawietz hat seit Januar einen Sohn. Pütz nach einem Sohn, zwei Jahre alt, seit März nun auch eine Tochter. Andreas Mies, mit dem Krawietz zweimal den Grand-Slam-Titel bei den French Open gewann, wurde auch kürzlich Vater. Theoretisch könnte Alexander Zverev die Runde mit seiner Tochter komplettieren, aber erstens hat der beste deutsche Profi seine Teilnahme bei den Boss Open verletzt abgesagt, zweitens lebt die 2021 geborene Tochter bei der Mutter.

Wenig überraschend prägt die neue Situation das Leben aller. "Ich habe mir erst mal Tipps vom Pützi geholt", erzählt Krawietz. "Ich wollte wissen, wie man die Reisen gestaltet oder welche Turniere kinderfreundlich sind." Als er in Madrid spielte, empfahl ihm sein Doppelpartner ein Hotel, das in der Nähe eines Parks lag. "Dort konnte meine Frau dann mit dem Kleinen spazieren gehen", sagt Krawietz. Eher schlecht für Spieler oder Spielerinnen mit Nachwuchs seien Turniere wie in Miami: "Man sitzt dort fast eine Stunde im Auto, um nur vom Hotel zur Anlage zu kommen. Das ist mit Kindern blöd. Und das ist auch eine Stunde verlorene Zeit." Beim Turnier in Stuttgart seien die Bedingungen gut, die Anfahrt vom Spielerhotel auf den Killesberg dauert zehn Minuten, Kinderbetreuung wäre vorhanden, die der deutsche Tennistross aber nicht in Anspruch nahm. Man half sich untereinander bei der Betreuung.

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Problemlos verläuft aber auch nicht alles, die Profis müssen ja flexibel sein, trainieren oder Matches bestreiten, wenn es erforderlich ist. "Die Tage sind schwer planbar", schildert Pütz. "Ich glaube, wir alle haben Frauen, die schon sehr viel mitmachen mit uns, muss man ehrlich sagen." Es drehe sich eben alles erst mal ums Tennis. "Sie halten uns zum Glück den Rücken frei. Und natürlich hat man ein bisschen ein schlechtes Gewissen, wenn man den ganzen Tag nicht da war, die Kids waren vielleicht nicht gut drauf, und deine Frau ist groggy." Sie versuchen, wo es geht, "Dinge abzunehmen".

Struff, der an diesem Freitag zum Beispiel seine Viertelfinalpartie gegen den Franzosen Richard Gasquet bestritt und nach einem souveränen 6:4, 7:5-Sieg im Halbfinale am Samstag auch den Polen Hubert Hurkacz besiegte , musste sich auch in den Stunden vor diesem Match ausklinken. Seine Mutter ist zusätzlich nach Stuttgart gereist, um die Familie zu entlasten, wofür Struff, das betonte er gleich zweimal, dankbar sei. So könne er sich ohne Schuldgefühle zurückziehen: "Dann habe ich wirklich die Chance, nahe bei meiner Familie zu sein - und dem Tennis gerecht zu werden."

Wie das im Leben so ist: Wenn man selbst Erfahrungen gemacht hat, blickt man mit mehr Bewusstsein auf gewisse Dinge. Mit Maria hat Struff bislang noch nicht lange über das Thema Familie geredet. Aber eines weiß er jetzt definitiv: "Hochachtung davor, wie Tatjana das macht."

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