Rafael Nadal bei den Australian Open:Der Titelverteidiger humpelt davon

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"Es ist ermüdend und frustrierend": Für Rafael Nadal setzt sich bei den Australian Open seine Verletzungsserie fort, diesmal stoppt ihn die Hüfte. Er ist Leid gewohnt, aber so betrübt wie nach dieser Zweitrundenniederlage klang er selten.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Mackenzie McDonald stand vor dem Mikrofon und erklärte den 15 000 Zuschauern in der Rod Laver Arena, wie er seine Leistung beurteile. "Ich finde, dass ich wirklich gut gespielt habe", setzte er an, "ich schlug gut auf, retournierte auch gut, ich habe ihm wirklich zugesetzt." Es war ansonsten still im Hauptstadion der Australian Open, und auf der Videoleinwand tauchte just in dieser Sekunde eine Szene auf, die gleichzeitig stattfand. Zu sehen war ein Mann, ein Spieler, der eine Tasche trug, der humpelte, durch einen engen, langen Gang. Wahrscheinlich kam er dem Mann endlos vor.

Es war Rafael Nadal, der erst wenige Sekunden zuvor unter bebendem Applaus den Platz verlassen hatte, den rechten Arm hatte er gehoben und sich auf seine typische höfliche Art für die Anteilnahme bedankt. So unspektakulär sah sein Abtritt auf der Bühne diesmal aus. "Er ist ein unglaublicher Champion, er gibt nie auf, egal wie die Situation ist", sprach derweil McDonald weiter. "So ein Match durchzuziehen, ist immer schwer. Ich versuchte, mich auf das zu fokussieren, was ich mache." Oben auf der Leinwand war Nadal nun nicht mehr eingeblendet, stattdessen tauchte eine blaue Fläche auf der Videowand auf, in der Mitte die Zeile: "The story starts here." Einen schlechteren Zeitpunkt für diesen Spruch hätte es kaum geben können.

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Denn gerade war dieses Turnier für Nadal zu Ende gegangen, das er vor zwölf Monaten - zur Verblüffung aller - gewonnen hatte. Monatelang hatte er zuvor verletzt pausiert. Es war sein 21. Grand-Slam-Triumph gewesen, danach hatte er noch bei den French Open in Paris seinen 22. hinzugefügt. Wenn Profis dieser Kategorie ausscheiden, von denen es keine Handvoll gibt im Männertennis, herrscht immer erst mal große Aufregung.

Und deshalb hatte hier und jetzt natürlich jedes Wort Gewicht, das Nadal von sich geben würde, als er nach der 4:6, 4:6, 5:7-Zweitrunden-Niederlage gegen den Kalifornier Mackenzie McDonald zur Pressekonferenz erschien. Andy Murray, 35, der erfolgreichste Tennisprofi der Welt mit künstlicher Hüfte, hatte jüngst gesagt, er sei im Grunde nur eine schwere Verletzung vom Karriereende entfernt. Womöglich - oder ganz sicher - befindet sich Nadal, ein Jahr älter als der Schotte, auch in diesem Stadium.

Nadals Verletzungsserie des Schreckens bei den Australian Open ging 2010 los

"Ich bin bereit weiterzumachen", sagte Nadal zwar an einer Stelle, doch ob es so kommen wird, darf man als offen erachten. Er tut es ja auch. Im Kontext dieser Aussage hatte er verdeutlicht, dass es ihn jetzt auch irgendwie graust vor der nächsten Zukunft, die wieder einmal an viele unerfreuliche vergangene Zeiten erinnert. Schon wieder zu den Ärzten. Möglicherweise erneut eine lange Reha. Schon wieder den gesamten Trainingsrückstand aufholen, um an sein bestes Niveau heranzukommen. "Ich habe diesen Prozess zu viele Male in meiner Karriere gemacht", sagte Nadal. Er wolle sich ihm wieder stellen - "aber es ist nicht leicht, ohne Zweifel".

Da hilft kein Kneten und kein Dehnen: Beim Stand von 4:6, 3:4, 15:15 durchzuckt Nadal ein Schmerz wie ein Stich. Nun droht vielleicht wieder eine lange Reha. (Foto: Diego Fedele/AAP/Imago)

Natürlich wird die Tennis- und Sportwelt diesen von Arbeit und Kampfgeist besessenen Mallorquiner für immer mit seinen Siegen und Schlachten verbinden. Aber eben auch mit seinen körperlichen Problemen und Beschwerden, die seine Karriere mindestens ebenso zahlreich begleiten. Diesbezüglich hat Melbourne seinen Ruf als Ort, an dem Nadal besonders oft verletzt ist, untermauert, warum auch immer. Nadals Serie des Schreckens ging 2010 im Viertelfinale los: Aufgabe gegen Murray, das Knie. 2011: Dreisatzniederlage gegen David Ferrer, der Oberschenkel. 2013: Rückzug zwei Wochen vor Turnierstart, der Bauchmuskel. 2014: Finalniederlage gegen Stan Wawrinka, der Rücken. 2018, Aufgabe gegen Marin Cilic, die Hüfte. 2019: Finalniederlage gegen Novak Djokovic, muskuläre Probleme. Schon das alles zu lesen, tut weh.

Dass Nadal einmal auch bemerkte, er sei "müde, darüber zu reden", ist nur allzu verständlich. Er könne sich zwar "nicht über mein Leben beschweren", sagte er. Er ist reich, hat eine große Familie, Freunde um sich herum, mit Gattin Xisca Perelló durfte er sich über die Geburt des ersten Kindes freuen, ein Sohn. Doch was seinen Beruf betreffe, wäre es eben gelogen, zu sagen, alles sei fantastisch, gab er zu.

Nadal muss wieder diverse Körperstellen abklappern, um den Schaden zu ermitteln

Allein 2022 war wieder ein Jahr, in dem es Sportreportern half, medizinische Vorkenntnisse mitzubringen. Bei den French Open war das Müller-Weiss-Syndrom das große Thema, Nadal leidet seit 15 Jahren an dieser Verknorpelung im linken Fuß. In Wimbledon trat er im Halbfinale nicht an, weil er einen Riss im Bauchmuskel erlitten hatte. Nun also stoppte ihn die Hüfte. Er hätte schon in den vergangenen Tagen etwas gespürt, doch "mit diesem Szenario hätte ich nie gerechnet", versicherte er.

Ein Bild, bei dem man sich immer öfter fragt: Verabschiedet sich Rafael Nadal hier für immer vom Publikum in Melbourne? (Foto: Loren Elliott/Reuters)

Beim Stand von 4:6, 3:4, 15:15 war Nadal die Grundlinie entlang zum Ball gelaufen, als ihn etwas wie ein Stich durchzuckte. Er verzog das Gesicht. Er nahm eine Behandlungspause, verließ mit einem Physiotherapeuten den Platz. Sein Team saß geschockt in der Box. Wie die Fernsehbilder einfingen, liefen seiner Frau dicke Tränen herunter, Trainer Carlos Moya schaute trübsinnig, Manager Carlos Costa und Nadals Vater auch. Er habe, als er weiterspielte, die ganze Zeit ans Aufhören gedacht, sagte Nadal, doch er sei ja auch der Titelverteidiger gewesen - "ich wollte nicht aufgeben".

Nun muss Nadal wieder diverse Körperstellen abklappern, um den Schaden zu ermitteln. Muskel, Gelenk, Knorpel, wie ein Arzt, der erst einmal alle Optionen in Betracht zieht, benannte er die diesmal möglichen Schwachstellen. Was ihn noch motiviere, immer wieder zurückzukommen, wurde er gefragt. "Es ist wirklich einfach: Ich mag, was ich mache", sagte Nadal, um nur kurz darauf aber wieder in den Blues zu verfallen. "Es ist ermüdend und frustrierend", gab er zu, "einen großen Teil meiner Tenniskarriere in Regenerationsprozessen zu verbringen und zu versuchen, gegen all diese Dinge anzukämpfen." Er wisse jedenfalls nicht, "was in der Zukunft passieren kann". So betrübt klang er selten.

Als dann auch der spanische Teil der Pressekonferenz absolviert war, verabschiedete sich Nadal noch von den beiden Stenotypisten in der Ecke, die die Interviews stets aufzeichnen. "Gracias, thank you", sagte er und lächelte. Und dann rutschte ihm eine kleine Bemerkung aus Gewohnheit heraus, von der noch unklar ist, ob sie so eintreten wird: "See you", sagte Nadal - und humpelte davon.

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