Streit beim DFB:Zwanzigers Peitschenknall

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Per Machtwort zugunsten des Bundestrainers beendet der DFB-Chef Theo Zwanziger den Dauerstreit zwischen Sportdirektor Sammer und Joachim Löw.

T. Kistner/U. Hartmann

Das Hotel der deutschen U21-Auswahl liegt idyllisch an einem See im Osten Göteborgs. Eine alte Baumwollfabrik, umgebaut zur Luxusherberge. Wer hier, im Nääs Fabriker, Bundestrainer Joachim Löw und Teammanager Oliver Bierhoff auf einer Holzbank am sonnigen Ufer sitzen sah, hätte kaum geglaubt, dass an einem so netten Ort mächtig Äger einziehen könnte. Am Freitag aber saß Matthias Sammer dort und schaute auf den unruhigen See.

Vorerst Verlierer im Dauerzwist: DFB-Sportdirektor Matthias Sammer. (Foto: Foto: Getty)

Es regnete, und auch Sammer war beunruhigt - er hatte mit DFB-Präsident Theo Zwanziger telefoniert. "Es gab ein paar Dinge, die ich erklären musste", sagte er. Ein Interview von ihm mit durchaus kühnen Forderungen hatte für Aufruhr gesorgt: Sammer besprucht die Zuständigkeit für die U21-Auswahl und erhebe gar Ambitionen auf Löws Job, war der Eindruck, Zwanziger musste den folgenden internen Streit per Peitschenknall beenden. Und Sammer kommt angeknockt aus der selbstangezettelten Affäre.

Zwanziger hatte am Donnerstag die Reißleine gezogen, nachdem ihm aufgegangen war, dass es beim seltsamen U21-Zwist nur vordergründig um Fragen der Nachwuchsarbeit ging. Denn erst am Mittwochmorgen lag ihm das Interview vor, das Sammer in der FAZ-Samstagsausgabe gegeben hatte. Es enthielt irritierende Passagen, Sammer forderte offenbar die Macht.

Und dies mussten nicht nur Löw und Bierhoff als Angriff auffassen, die seit längerem vom Sportdirektor beharkt werden. Schon 2008 kam es zum Duell um die Trainerbesetzung für die U21-Auswahl. Sammer wollte Heiko Herrlich, Löw den Stuttgarter Amateurtrainer Rainer Adrion - und setzte sich durch. Und schon dabei gab es Reibereien insbesondere zwischen Sammer und Bierhoff, der für den konfliktscheuen Löw öfter ins Kreuzfeuer muss.

Sammers jüngster Vorstoß aber war Zwanziger zu viel. "Man darf da einiges beim DFB nicht mehr trennen", sagte der Sportdirektor im Inteview zur U21-Frage, "weder gedanklich noch personell." Ob er selber auf den Bundestrainerposten spekuliere? Das ließ er offen, merkte nur an, er sei gewohnt, "Verantwortung zu tragen und Verantwortlichkeiten zu schaffen". Beansprucht da einer die Regie über die U 21, die doch bisher klar bei Löw und Bierhoff angesiedelt war - und mehr? "Solche Aussagen", grollt Zwanziger, "sind unklug. Die sollen ihre Verträge lesen: Darin steht klar, der Bundestrainer hat das letzte Wort."

Größere Brisanz erhielt die Causa Sammer für Zwanziger aber durch eine Parallel-Lektüre: Spiegel-Online befasst sich mit Sammers Hintermännern, zu denen Markus Höfl zählt, Berater von Franz Beckenbauer und neuerdings von Boris Becker. Die Beckenbauer-Schiene ließ sich fortsetzen, über Sammers publizitätswirksame, nie ernsthafte Rolle in den Trainerplanspielen des FC Bayern nach Klinsmann bis zu einschlägigen Tätigkeiten im Medienbetrieb.

Wie der dauerpräsente Beckenbauer, verbreitet der festangestellte DFB-Sportdirektor Sammer regelmäßig Expertenansichten über bunte Sportkanäle: Als Kolumnist von Welt und Welt am Sonntag, dazu im Kicker und beim Pay-Sender Premiere. Ein weiterer Meinungsmacher, der forsch nach der Macht im DFB greift? Zwanziger findet dies durchaus schlüssig: "Das ist keine falsche Interpretation. Daraufhin habe ich gesagt, Freunde, das geht nicht."

Es kam zur Telefon-Krisenkonferenz mit den Kombattanten Sammer, Löw und Bierhoff sowie Mediendirektor Harald Stenger und Generalsekretär Wolfgang Niersbach. Auch über dessen Tisch war Sammers Interview ja gegangen - Zwanziger mutmaßte, dabei könnte "ein bisschen was übersehen" worden sein.

"Wer meine Aussagen rein inhaltlich betrachtet, merkt schnell, dass ich auf das Amt des Bundestrainers gar nicht aus bin", sagte Sammer der SZ am Freitag. Er habe nur über seine Aufgaben als DFB-Sportdirektor gesprochen, über die Nachwuchsarbeit.

"Vielleicht habe ich ein bisschen unterschätzt, dass diese inhaltlichen Aussagen personenbezogen diskutiert und falsch interpretiert werden", sagt er. Zwanziger habe er "erklärt, dass ich dem Bundestrainer gar nichts möchte". Er habe trotzdem Klarstellungsbedarf erkannt, so Zwanziger zur SZ: "Sammer hat weite Zuständigkeiten, von den Elffährigen bis zur Trainersausbildung und den Juniorenteams, sie enden bei der U21. Die ist ein klarer Bezug zur A-Nationalmannschaft, der Bundestrainer muss den Zugriff haben und spüren, dass dort in seinem Sinne gearbeitet wird."

Es dürfe "in dem Bereich nichts überschwappen - du kannst nicht den Sportdirektor zum Bundestrainer machen. Der Bundestrainer heißt Löw, mit dem bin ich hochzufrieden." Anders als mit Sammer, dem er neben Hitzköpfigkeit ("Er muss seine Dynamik, seine Emotionaliät in den Grenzen bewegen, die einem Sportdirektor im Verhältnis zum Bundestrainer gegeben sind") mangelndes Gespür für die Situation attestiert. "Ein knüppelharter Weg liegt vor uns. Die Leute denken an Südafrika, Zimmer sind bestellt. Aber wir haben in der Qualifikation gegen Russland in Moskau ein wahnsinnig schweres Spiel."

Der zermürbende Gang in die Relegation sei denkbar. Also " hat sich alles der Arbeit des Bundestrainers unterzuordnen, ohne Irritationen von wo auch immer, das muss jeder beim DFB wissen", sagt Zwanziger, "jeder!" Auch Sammer:. "Ich kann absolut verstehen", sagt der, "dass der Präsident in der jetzigen Phase so ein klares Wort sprechen muss."

© SZ vom 20.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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