EM der Springreiter:Alter Schwede

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Fast ein halbes Jahrhundert im Sattel: Der Schwede Rolf-Göran Bengtsson auf seinem Pferd Zuccero. (Foto: Petter Arvidson/Bildbyran / Imago)

Rolf-Göran Bengtsson sitzt seit 30 Jahren als Profi im Sattel. Bei seiner zehnten Europameisterschaft reitet er in Mailand auf Zuccero um den Titel - über einen, der sein Handwerk wirklich versteht.

Von Gabriele Pochhammer, Mailand

Eigentlich ist der Schwede Rolf-Göran Bengtsson kein Mann großer Worte. Sein Ding ist das Reiten, nicht das Reden. Doch bei der Springreiter-EM in Mailand, als ihm mit dem elfjährigen Holsteiner Schimmelhengst Zuccero eine großartige Nullrunde gelang, die ihn vorübergehend sogar in Führung des 85-Starter-Feldes brachte, da konnte er gar nicht genug erzählen. In drei Sprachen erklärte Bengtsson den Reportern, wie alles kam, wo es ein bisschen eng wurde zwischen den Hindernissen und wo der Bogen ein bisschen groß. Und plötzlich habe Zuccero gemerkt: "Oh, so hoch ist das heute." Dann sprang er einfach eine Etage höher.

Fast ein halbes Jahrhundert sitzt Bengtsson im Sattel, davon die vergangenen 30 Jahre beständig im Spitzensport. 2012 war er der erste Schwede, der die Weltrangliste anführte. 62 Seiten lang ist die Liste seiner Erfolge in der Datenbank des Weltreiterverbandes FEI. Heute, mit 61 Jahren und als Ältester des EM-Feldes, reitet Bentsson seine zehnte Europameisterschaft, im kommenden Jahr strebt er seine sechsten Olympischen Spiele an. Karrieren außergewöhnlicher Reiter dauern naturgemäß länger als die ihrer Pferde.

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Mit Ninja verpasste Bengtsson 2008 knapp den Olympiasieg in Peking, er wurde mit dem Fuchs 2011 Europameister. Mit Casall erreicht er das Finale der vier Besten bei der Weltmeisterschaft 2014 in Caen. Sein gut ausgebildeter Hengst arbeitet gewissermaßen gegen ihn, wurde bestes Pferd unter den Konkurrenten und damit Weltmeister der Pferde.

Ein feinfühliger Ausbilder, der den Pferden die Chancen gibt, sich zu entwickeln

Wenn ein Pferd in den Ruhestand geht, dann fängt der Reiter oft wieder von vorne an. Hochbegabte Springpferde, mit denen sich Championats-Medaillen gewinnen lassen, sind deutlich seltener als Einser-Abiturienten. Rolf Göran Bengtsson, der mit seiner Frau in der Nähe von Itzehoe einen Turnierstall betreibt, hat Glück: Der Holsteiner Zuchtverband lässt ihm die freie Wahl unter den jungen Talenten, die allesamt für ein Ziel gezüchtet wurden: über hohe Hindernisse zu setzen, ohne eine Stange zu berühren. Die Pferdeleute in Holstein wissen, dass ihre Rösser bei dem Schweden gut aufgehoben sind.

Bengtsson versteht sein Handwerk, er gilt als ein feinfühliger, ruhiger Ausbilder, der den Pferden die Chancen gibt, sich zu entwickeln. Keine Hektik, keine Temperamentsausbrüche. In der Ruhe liegt die Kraft dieses Mannes mit der idealen Jockey-Statur, dessen Haare schon ein bisschen grau sind und dessen braun gegerbten Händen man ansieht, dass sie jeden Tag viele Stunden lang die Zügel halten. Keiner, der mit den Pferden flüstert, aber sie so behandelt, dass sie sich wohlfühlen und gerne für ihn arbeiten. Insofern hat auch Zuccero Glück gehabt.

Der Schimmel sei ganz einfach zu reiten, versichert Bengtsson: "Er hat die ideale Kombination aus Vorsicht und Mut". Bengtsson geht sogar noch weiter: "Das ist ein Pferd, dem man alles zutrauen kann, da ist noch viel mehr drin."

Vielleicht zeigt er das schon bei dieser EM ( ZDF-Livestream, Freitag ab 13.25 Uhr, Sonntag ab 11.55 Uhr). Bengtsson weiß, dass das Zeitspringen, der erste von fünf Parcours, erst der Anfang war, dass die Führung der Schweden nach der ersten Runde noch keine Medaille bedeutet, dass alle Reiter und Teams noch dicht beieinander liegen und nicht jeder Tag von einer Sternstunde gekrönt sein muss. Aber Zuccero hat gezeigt, dass er es kann. Bengtssons Ziel für die nächsten Tage: "So viele Stangen oben lassen wie möglich."

Auch einer wie er spürt den Druck eines Championats, selbst wenn der Turnierplatz im Innenbereich der berühmten Mailänder Rennbahn eher das Flair eines gemütlichen Regionalturniers hat und offensichtlich nicht viele Zuschauer erwartet werden, denn Sitzplätze gäbe es für sie so gut wie keine. Bengtsson hat in 40 Jahren gelernt, wie man Wettkampffieber kontrolliert: "Deckel drauf, und die Aufregung drinnen lassen, damit sie nicht meine Runden stört." Bisher hat das immer gut funktioniert.

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