Sportpolitik:Das IOC bereitet Russlands Weg zurück in den Weltsport vor

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Die Zentrale des IOC in Lausanne. (Foto: Laurent Gillieron/Reuters)

Kehren Athleten aus Russland und Belarus unter neutralem Banner zurück auf die Bühne des globalen Sports? Die Pläne des Internationalen Olympischen Komitee stoßen rasch auf Widerstand - aus guten Gründen.

Von Johannes Knuth

Am Donnerstagmorgen war es wieder so weit: Luftalarm über der Ukraine. Russland, so schilderten es ukrainische Stellen später, habe 55 Raketen auf Ziele im Land abgefeuert, ein Mann wurde ersten Berichten zufolge getötet.

Oder diese Horrormeldung am Tag davor: Der ukrainische Eiskunstläufer Dmytro Scharpar, 25, sei bei Kämpfen in Bachmut getötet worden, berichtete Anton Heraschtschenko, Berater im ukrainischen Innenministerium. Scharpar war 2016 bei den Jugend-Winterspielen am Start, er ist einer von angeblich mehr als 180 Athleten, die Russlands Invasion bislang zum Opfer gefallen sein sollen.

Das ist der Bass der Gräuel, der im Hintergrund läuft, während das Internationale Olympische Komitee (IOC) jetzt Botschaften wie diese verkündet: Man unterstütze die Ukraine uneingeschränkt, teilte es mit. Zugleich sieht die Solidarität des IOC so aus, dass es einen Fahrplan entworfen hat, der Athleten aus Russland und Belarus den Weg zurück in den Weltsport ebnet: zunächst bei Wettkämpfen im asiatischen Raum; auch bei den Asienspielen im kommenden Herbst. Dann, wie sich unschwer erkennen lässt, bei den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris.

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Dass dies in weiten Teilen der (Sport-)Welt nicht gerade freudig begrüßt werden würde, wird Thomas Bach, der deutsche IOC-Präsident, geahnt haben. Rätselhaft blieb auch diesmal, ob das IOC ernsthaft von seinem Maßnahmenpaket überzeugt ist, mit dem es seine Entscheidungen flankiert. Athleten aus Russland und Belarus würden ohne Flaggen und Abzeichen starten, teilte es mit, man werde von den Sportlern auch ein "klares Bekenntnis" zur Olympischen Charta fordern. Demnach dürften "nur diejenigen teilnehmen, die nicht gegen die Friedensmission des IOC verstoßen haben, indem sie den Krieg in der Ukraine aktiv unterstützt haben".

Der ukrainische Sportminister Wadym Hutzajt erinnerte Bach prompt daran, wie schwer eine solche Gesinnungsprüfung abzuhalten wäre - und wie absurd der Vorstoß an sich anmutet. Er unterstrich, dass viele russische Athleten an staatliche Stellen und an die Armee angedockt sind - jene Armee, "die unsere Bürger tötet und unsere Infrastruktur zerstört". Was zählt da als "aktive" Teilhabe? Schlägt das Tragen eines Trikots den Besitz einer Armeeuniform? Hutzajt erinnerte auch daran, dass Stanislaw Posdnjakow, der Präsident des russischen Olympia-Komitees, alle russischen Athleten ermutigt habe, am Krieg gegen die Ukraine mitzuwirken und diesen Einsatz "als Ehre" bezeichnet habe. Posdnjakow, das nur am Rande, wurde schon im Dezember beim sogenannten Olympic Summit in Lausanne hofiert; einem von Bach ersonnenen Gipfeltreffen, wo der IOC-Präsident Russlands Wiedereingliederung vorbereitet hatte.

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Das blieb auch nun die große Schwachstelle in der Argumentation des IOC: dass einzelne Athleten aus Russland und Belarus ja nicht verantwortlich seien für die Taten ihrer Regierungen - während diese Regierungen seit Jahren massiv daran arbeiten, den Sport und ihre Sportler pauschal als Abspielfläche ihrer politischen Ziele zu missbrauchen. Zwar verwies Bach nun auf Athleten aus Jugoslawien, die während des Balkan-Konflikts ebenfalls unter neutralem Banner im Sport unterwegs waren, er sparte dabei jedoch die Sportler von Nationen aus, die jahrelang kollektiv gesperrt waren, wie Südafrikaner während des Apartheid-Regimes und Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg.

Und so sehr ein Kollektivbann auch die Kriegsgegner in Russlands Sport bestraft, die es zweifellos gibt: Geht das IOC ernsthaft davon aus, dass ein Athlet bei einer Art Gesinnungstest wahrheitsgemäß antwortet? Selbst wenn dies der Fall wäre: Würde das IOC allen Athleten aus Belarus und Russland dann nicht streng genommen das Zeugnis ausstellen, dass diese nicht im Sinne ihrer Regime handeln? Oder geht das IOC automatisch davon aus, dass Russland und Belarus diese Bekenntnisse ohnehin nicht ernst nehmen?

Wie praktikabel der IOC-Kurs ist, lässt sich gerade bei den Australian Open besichtigten. Russische Athleten starten dort unter neutralem Banner. Auf den Tribünen und rund ums Stadion lassen ihre Landsleute Putin und dessen Krieg hochleben. Fortsetzung in Paris 2024? Der ukrainische Sportminister Wadym Hutzajt hat schon mit einem Boykott gedroht, falls russischen Athleten die Teilnahme erlaubt werde.

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