Spaniens Weltfußballerin:Das erfolgreiche Jahr der Aitana Bonmatí

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Aitana Bonmatí hat in diesem Jahr überzeugt: Als Fußballerin, aber auch als Stimme einer neuen Richtung im Sport. (Foto: Alex Caparros/Getty Images)

WM-Titel, Champions-League-Sieg, Weltfußballerin - die Überfigur im Weltfußball ist in diesem Jahr die Spanierin Aitana Bonmatí. Allerdings nicht nur auf dem Feld.

Von Felix Haselsteiner

So viel kam in den Katakomben des Eden Park Stadions in Auckland zusammen, dass sich die Geschichte von Aitana Bonmatís fabelhaftem und gleichzeitig von Abgründen geprägtem Jahr anhand von nur einem kurzen, unscheinbaren Gespräch erzählen lässt. Mit dem spanischen Nationalteam war Bonmatí in Neuseeland kurz zuvor ins Finale der Fußball-Weltmeisterschaft eingezogen, und während die meisten ihrer Kolleginnen singend in die Kabine entschwunden waren, nahm sie sich eine Viertelstunde Zeit. Eine Gelegenheit zum Zuhören für die internationalen Journalisten.

Bonmatí hatte da längst verstanden, dass sich ihr die historische Chance bot, in diesem Jahr die große Überfigur des Frauenfußballs zu werden und dass sie daher auch bereitstehen musste für Erklärungen. Weit über Spanien hinaus machte sie sich während der WM einen Namen als geniale Regisseurin im Mittelfeld, als technische Perfektionistin, als die personifizierte Fußballidee des FC Barcelona, dem Verein, von dem ihre Identität stammt. Darüber sprach Bonmatí nun in bemühtem Englisch, über den Weg, der sie bis nach Auckland geführt hatte und der wenige Tage später mit dem WM-Titel enden sollte, "wie bei meinen großen Vorbildern".

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In der fußballerischen Tradition von Xavi und Iniesta, von Johan Cruyff und Pep Guardiola sieht sich die 25-Jährige, die damit an der Speerspitze einer neuen Richtung im Frauenfußball steht, der sich vor allem bei der WM und in der Champions League längst auf einem enorm hohen taktischen Niveau befindet. Beide Wettbewerbe gewann Bonmatí mit Spanien und dem FC Barcelona, in beiden Fällen wurde sie als beste Spielerin ausgezeichnet. Sie wurde Weltfußballerin, Europas Fußballerin des Jahres - bis auf den nationalen Pokaltitel gewann Bonmatí alles, was es zu gewinnen gab.

Bonmatí gewann alles, was es zu gewinnen gab - sie sieht sich in der Barça-Tradition von Guardiola und Cruyff

Und doch deutete sich schon in Auckland an, dass es am Ende nicht nur um Fußball gehen könnte, bei all diesen Triumphen. Mitten in ihren Erklärungen vor der internationalen Presse trat ein großer, glatzköpfiger Mann von hinten an Bonmatí heran und drückte ihr einen langen Kuss auf die Wange. Sie lächelte zwar schüchtern, doch das verkrampfte Unwohlsein war ihr anzumerken, als ihr Luis Rubiales, damals Präsident des spanischen Fußballverbandes, auf eine so übergriffige Art und Weise begegnete. Einen solchen Kuss von Rubiales musste in Auckland auch noch Spaniens Kapitänin Irene Paredes über sich ergehen lassen, die neben Bonmatí stand, doch nur ein paar entsetzte Journalisten sahen diese Szene.

Ein paar Tage später wusste dann die ganze Welt um das Fehlverhalten des Luis Rubiales. Sein Kuss auf den Mund der Spielerin Jenni Hermoso sorgte für einen wochenlangen, weltweiten Skandal und für einen ausufernden Protest, der zum Glück so lange hartnäckig blieb, bis Rubiales von der Fifa gesperrt wurde und sein Amt im spanischen Verband abgeben musste. Bonmatí war Teil der Protestbewegungen, so wie sie schon im Jahr zuvor Teil von "Las 15" gewesen war, der meuternden Gruppe an spanischen Spielerinnen, die den Umgang des Verbands mit ihnen kritisierte und in einen Streik eintrat.

Es brauchte die Dummheit eines arroganten Mannes in einem Euphoriemoment vor laufenden Kameras, damit auch die Weltöffentlichkeit verstand, wie überaus gerechtfertigt dieser Protest einer Gruppe von Frauen schon damals war. Heute und auch in Zukunft sollte man ihnen dringend zuhören, sie werden ohnehin weitermachen.

Aitana Bonmatí mag die fußballerische Erbin von Xavi und Iniesta sein, in Wahrheit allerdings ist sie noch viel mehr: So viel Aufmerksamkeit im Frauenfußball zu bekommen wie Bonmatí in diesem Jahr, kann auch als Aufforderung verstanden werden, den aktivistischen Kampf für mehr Gerechtigkeit anzuführen. Man kann das gut oder schlecht finden, Bonmatí jedenfalls nimmt es als Tatsache an und füllt diese Rolle aus.

In einem Interview mit ESPN sprach sie vor Kurzem über die zurückliegenden Monate, sie zog ein positives Fazit: "Es war ein erfolgreiches Jahr", sagte Bonmatí: "Weil wir auf und neben dem Feld gewonnen haben."

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