Spanischer Fußball:Der Hexer von Arteixo

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Auf Händen getragen: Trainer Arsenio Iglesias mit den Spielern Fran und Lopez Rekarte in La Coruña. (Foto: Luis Gabriel/Marca/Imago)

Der Fußballertrainer Arsenio Iglesias hat Deportivo La Coruña zu einer kurzen, prächtigen Blütezeit getrieben. Nachruf auf einen Mann, den sie in Spanien als Orakel verehrten.

Von Javier Cáceres

Es gab eine Zeit, da der Fußball noch Aufstiegschancen zu versinnbildlichen schien und der Erfolg nicht nur den Reichen gehörte, die immer mehr vom Kuchen haben wollten und bekamen. Auch in Spanien. Nie schien die Liga durchlässiger zu sein als in den 1990er-Jahren, und dieses Phänomen hatte einen Namen, oder, genauer gesagt, zwei: "Superdépor" und Arsenio Iglesias. Im Alter von 92 Jahren ist Iglesias nun gestorben.

Iglesias, der in den 1950er-Jahren eine bescheidene Karriere als Profifußballer hingelegt hatte, war Trainer dieses "Superdépor", wie Deportivo La Coruña von der Sportpresse getauft wurde. Die Stadt La Coruña, im nordwestspanischen Galicien gelegen, hatte damals kaum mehr als 200 000 Einwohner, und als Iglesias den Verein zum zweiten Mal in seiner Karriere in die erste Liga führte - nach fast zwei Jahrzehnten in der zweiten Liga -, fehlte Deportivo anfangs die Aura des Erfolgs. Wie sich das doch ändern sollte: Djukic, Fran, Bebeto, das waren die Helden jener Mannschaft. Und Iglesias war ihnen allen mehr als nur ein Trainer, "ein zweiter Vater", wie Bebeto nun "weinend" in einem rührenden Nachruf schrieb, den La Voz de Galicia druckte.

Von den Medien wurde der damals vollends ergraute Iglesias mal "der Weise", mal "der Hexer", mal "der Zorro von Arteixo" genannt, nach seinem Geburtsort, der zu La Coruña gehört. Der Beiname zorro, der Fuchs, gefiel ihm "noch am ehesten", wie er einmal sagte, "weil ich manchmal nicht klarstelle, warum ich gewisse Dinge mache". Obschon er erstaunlich viele und sinnvolle Dinge zu sagen wusste, reichte manchmal ein einsilbiges Wort, um ihn zum Reden zu bringen. Die eine oder andere Pressekonferenz von Iglesias begann mit einem "Arsenio, ¿qué?", das ihm ein Journalist hinwarf: Was, Arsenio? Als wäre er ein Orakel.

Der Irrtum mit Real Madrid

Denn weise war er eben auch, die Grenze zwischen Allgemeinsinn und Philosophie war bei ihm fließend. Die Niederlage sei humaner, weil häufiger verbreitet, argumentierte Iglesias: "Die Welt wird nicht allein von den Gefühlen derer regiert, die sich selbst 'geborene Sieger' nennen." Diesen Satz sagte er kurioserweise am Vorabend seines einzigen Titelgewinns, des spanischen Pokals 1995, es war auch der erste Titel der Vereinsgeschichte des heutigen Drittligisten. Oder, wie man auch sagen könnte: Es war das Jahr nach der dramatischen Niederlage des letzten Spieltags der Saison 1993/94. Miroslav Djukic vergab in den Schlusssekunden des letzten Spieltages gegen Valencia beim Stand von 0:0 einen Elfmeter, der FC Barcelona wurde deshalb punktgleich Meister. "Ich hätte viel zu erzählen und habe wenig zu sagen", sagte Iglesias danach.

Er beging wenig später einen dramatischen Fehler. 1996 ging er für 19 Spiele zu den Reichen und Schönen, zu Real Madrid, als Interimstrainer. "Diesen Wahnsinn kann niemand aushalten. Ich wünschte mir, dass dies endlich zu Ende geht, damit ich wegrennen kann", sagte er, nachdem er erst wenige Wochen im Amt gewesen war. Bei Deportivo war er gegangen, "damit sie mich zum Abschied umarmen und mich niemand verwünscht". Niemand hat dies je in La Coruña getan, wo sie ihn am Samstag im Stadion aufbahrten und Hunderte am Sarg vorbeizogen, um ihm ein letztes Mal Dankbarkeit zu zeigen.

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