Snowboard:"Und wie wir uns wehgetan haben!"

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Feines Zeichen gelebter Inklusion: Die Olympiaathletin Jana Fischer und der Paralympics-Fahrer Christian Schmiedt starten als Team. (Foto: Snowboard Germany)

Im waghalsigen Snowboardcross trainieren Para-Sportler schon länger gemeinsam mit Nicht-Para-Athleten. Daraus ist die Idee eines inklusiven Teamwettbewerbs entstanden. In Grasgehren fand dessen Weltpremiere statt.

Von Thomas Becker

Christian Schmiedt ist sauer. "Ich verfluche diesen Start! Wo soll man denn so was üben?" Schuld an seinem Ärger ist der gewaltige Buckel, der dem Para-Snowboarder nach dem Start im Weg steht. Da muss er drüber, und über den nächsten, kaum minder steilen Buckel auch noch, bevor es so richtig losgeht mit Steilkurven und Sprüngen.

Snowboardcross ist eine wilde Jagd, erst recht, wenn man wie Schmiedt ohne Unterschenkel und mit dreistrahligen Löffelhänden geboren wurde. Dysmelie aller vier Extremitäten heißt seine Einschränkung offiziell, doch vom Boarden hat ihn das nie abgehalten. "Mit zehn hab' ich meinen Eltern gesagt, dass ich das gern probieren würde, und sie meinten: 'Probier's aus!'" Das hat er nun davon: Steht in Grasgehren bei Oberstdorf am Start und muss sehen, dass er mit seinen Prothesen über die Buckel kommt. "Letzte Woche hätte man hier trainieren können, aber da musste ich geschäftlich nach Berlin", erzählt der Betriebsprüfer aus dem Schwäbischen, "an Crossstrecken wie der im Pitztal verlangen sie für einen Trainingstag 1500 Euro!" Dennoch: Wenn ein Para-Weltcup ansteht, setzt Schmiedt alles in Bewegung, um dabei zu sein. Neunter war der 35-Jährige bei den Paralympics 2022, Siebter bei der Para-WM - und nun Weltcup-Dritter, trotz der Buckel. Wo er in der Gesamtwertung steht? "Keine Ahnung." Es gibt Wichtigeres. Der spannendste Wettbewerb liegt nämlich noch vor ihm: der weltweit erste inklusive Teamwettbewerb, bei dem Para- und Non-Para-Athleten gemeinsam an den Start gehen.

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Der Snowboardcrosser Martin Nörl, 30, hat zweimal den Gesamtweltcup gewonnen und viel in die neue Saison investiert. Nach einem Sturz ist sie für ihn allerdings zu Ende, ehe sie richtig begonnen hat. Diesen Winter wird er also daheim verbringen - und am Comeback arbeiten. Denn er hat noch viel vor.

Von Thomas Becker

Die Idee hatte Chris Thiel, Teammanager bei Snowboard Germany. Seit zwei Jahren betreibt sein Verband eine Kooperation mit dem Deutschen Behindertensportverband (DBS), in dem mehr als eine halbe Million Para-Sportler organisiert sind. Da sind die Ressourcen für Para-Snowboarder dünn, insofern sind Schmiedt und seine wenigen Mitstreiter - beim Weltcup in Grasgehren war er der einzige deutsche Starter, im Europacup ging noch der Kölner Johannes Bessell ins Rennen - dankbar, dass sie seit Jahren bei den Non-Para-Athleten mittrainieren können. "Irgendwann haben wir einfach mal gefragt, ob wir mitfahren dürfen", erzählt Schmiedt, "die Antwort: 'Aber tut euch nicht weh!' Und wie wir uns weh getan haben! Wir wussten ja nicht, was wir tun, wir brauchten Anleitung."

Der Renndirektor der Fis kann sich eine eigene Inklusionswertung mit vier, fünf Rennen vorstellen

Da Crossstrecken aufwendig in Erstellung und Präparation sind, gibt es keine reinen Para-Kurse, sodass die Prothesenträger denselben Kurs fahren wie die körperlich nicht beeinträchtigten Europacup-Athleten. "Für uns ist das grenzwertig", sagt Schmiedt - aber kein Grund, nicht zu fahren. Kollege Bessell ist da vorsichtiger. Der 33-Jährige hat von Geburt an eine Armlähmung, ist im Sommer auf der Tartanbahn unterwegs, hält mehrere deutsche Laufrekorde und gewann bei der Para-EM 2018 Bronze. Es ist sein zweiter Winter als Snowboardcrosser, und anders als Schmiedt fällt es ihm schwer, die Bremse im Kopf zu lösen: "Die Kollegen sagen immer: 'Schalt einfach den Kopf aus!'" Aber die Angst vor einer Verletzung fährt stets mit: "Wenn ich mir noch die andere Schulter verletze, wird es schwierig mit dem Job." Bessell ist Außendienstler. Beim Inklusionswettbewerb hätte er gern mitgemacht, doch leider fehlte eine Non-Para-Athletin als Partnerin. Schmiedt fuhr mit der zweimaligen Olympiateilnehmerin Jana Fischer im Team, die nur ein paar Kilometer entfernt in Fischen lebt.

Neun Teams aus sieben Nationen sind am Start, Team Germany wird Siebter, was aber sehr egal ist, weil es eigentlich darum geht zu zeigen: Es funktioniert, alle haben Spaß, ein feines Zeichen gelebter Inklusion. Warum also nicht öfter? Fis-Renndirektor Alexis Andreis sagt noch an Ort und Stelle: "Wir finden die Idee mega!" Er könne sich eine eigene Inklusionswertung mit vier, fünf Rennen vorstellen. Es brauche lediglich ein Konzept samt Regelwerk (an dem Thiel und Co. arbeiten), und dann könne das von der Fis ins Weltcup-Programm aufgenommen werden. So schwer ist Inklusion gar nicht.

Unterstützung gibt es auch. In Grasgehren an der Piste steht auch Andreas Sand, der Vorstand der Heinz-Kettler-Stiftung, die 1999 gegründet wurde, um den Inklusionsgedanken zwischen Freizeit- und Behindertensport in die Praxis umzusetzen. Ohne die Stiftungsgelder sei ein solches Event für Snowboard Germany nicht zu stemmen, sagt Stefan Knirsch, der Direktor für Finanzen, Marketing und Verbandsmanagement. Auch wenn der Verband seit drei Jahren zwei Event-Inklusionsmanager beschäftigt - Stellen, die der DOSB für zwölf Sportarten geschaffen hat. Knirsch sagt: "Ich denke, das ist der richtige Ansatz und bringt den Sport enger zusammen. Und ich hoffe, dass auch andere Nationen Lust haben, das Rennen künftig in ihre Eventkalender mit aufzunehmen."

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