Romed Baumann:Das Lächeln des Piefke-Zebras

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Zurück an der Stätte großer Erfolge - und großer Tiefpunkte: Romed Baumann überzeugte auch in den ersten Trainingsläufen in Kitzbühel. (Foto: Eibner-Pressefoto/Imago)

Vor zwei Jahren schlich Romed Baumann "wie a gschlogner Hund" aus dem Zielraum, jetzt hat er auf der Streif das Podium im Blick. Eine Geschichte über die Kraft des Kollektivs - und einen langen Atem.

Von Johannes Knuth, Kitzbühel

Wie man das schwer überhöhte Wochenende in Kitzbühel in wenige Worten verpacken könne? Puh, sagt Romed Baumann, er lässt sich die Mittagssonne im Kitzbüheler Zielraum auf die getönten Brillengläser scheinen. Wie wäre es damit, sagt er schließlich: "Es gibt nichts Besseres." Nichts Besseres?

Der 35-Jährige setzt zu einer kleinen Schussfahrt durch die rot-weiß-rote Alpinbefindlichkeit an; Baumann ist in Hochfilzen aufgewachsen, eine halbe Fahrstunde von Kitzbühel entfernt, als Bub verpasste er kaum ein Rennen, mit 20 debütierte er auf der vollwertigen Streif. Er liebe das "Halligalli" hier, wie sich die Fahrer durch die Zuschauer hinter dem Zielraum schlängeln müssen, und die Abfahrt natürlich, die Kurven, die Kompressionen und die Sprünge: "Wenn man hier fährt, riskiert man die Karriere", sagt Baumann, aber wem nur einmal der Jubel der Tausenden Fans bei der Siegerehrung am Abend entgegengeschwappt ist, wie er es 2012 erlebte, nach seinem zweiten Platz in der Abfahrt ...

Für eine Skination wie Österreich gibt es nichts Besseres als einen Sieg in Kitzbühel, auch ohne Zuschauer und Halligalli, und es gibt wohl nur eines, das sie noch mehr schmerzt als ein Sieger, der nicht aus Österreich kommt: ein Österreicher, der Deutscher ist.

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Das Piefke-Zebra galoppiert gerade wieder ganz schön flott durch den Winter

Baumanns Geschichte ist schon im vergangenen Winter durch die Medien gewandert: Er war 15 Jahre lang eine der verlässlichen Kräfte im Österreichischen Skiverband (ÖSV), 303 Starts in der höchsten Liga des Alpinsports mittlerweile, zwei Siege, zehn Podiums, WM-Bronze 2013 in der Kombination. Vor zwei Jahren verließ er die Streif dann schon nach dem Training "wie a gschlogner Hund", so überfordert war er, der "Tiefpunkt meiner Karriere", sagt Baumann heute. Zu alt und nicht mehr gut genug, urteilten sie im ÖSV kühl. Baumann war zunächst etwas ratlos, dann schloss sich der Skirennfahrer, der mit einer deutschen Frau verheiratet ist, dem Deutschen Skiverband an. "Piefke-Zebra" titelten sie in Österreich, angelehnt an die Rennanzüge des DSV und an die herzliche Zuneigung zu ihren großen Nachbarn, eh kloar.

Neu ist, dass das Piefke-Zebra gerade wieder ganz schön flott durch den Winter galoppiert, in seinem zweiten oder dritten Frühling. Der vergangene Winter war schon eine kleine Wellness-Kur fürs Selbstvertrauen, mit den besseren Resultaten kamen bessere Startnummern, die verschafften ihm wiederum bessere Startplätze in den Rennen, undsoweiter. In dieser Saison ist er sogar der beste deutsche Schnellfahrer, neben Andreas Sander und in Abwesenheit von Thomas Dreßen, der nach seiner Hüft-Operation noch leise auf eine WM-Teilnahme hofft. Baumann war zuletzt Neunter, Achter und 14. in den Abfahrten, Siebter in Bormio im kurvigeren Super-G, und nun? "Das Podium ist schon das Ziel", sagt er am Donnerstag in Kitzbühel, viel hat ihn zuletzt nicht von den Allerbesten getrennt. Und seine Lieblingsabfahrt kommt jetzt ja erst, diesmal sogar am Freitag und Samstag, weil sie eine Abfahrt, die ursprünglich in Wengen geplant war, nachholen. "Eine Riesensache", findet er.

Baumanns Geschichte ist eine dieser Erzählungen, wonach man im schaurig-schönen Abfahrtssport immer eine Chance hat; es auch eine Erzählung über die Kraft des Kollektivs. Er stieß aus einer großen Auswahl, in der die Fahrer schnell Nationalhelden, aber oft auch Einzelkämpfer sind, zu einem kleinen Team, in dem sie die große Gemeinschaft schätzen. Wer seine Teamkollegen stärker macht, stärkt auch sich selbst über kurz oder lang, so das Kalkül. Wobei im DSV niemand fürchten muss, dass der Teamkollege, dem man das Geheimnis für die Steilhang-Ausfahrt verrät, einen am Tag darauf aus dem Kader boxt, wenn sich im letzten Training vier Fahrer um zwei Startplätze fürs Rennen zanken. Dieses "Gemetzel", sagt Baumann, habe ihn in den letzten Jahren im ÖSV oft zermürbt, das bleibt ihm nun erspart. Zum Neid manch alter Weggefährten.

Und dann, sagt Baumann, war da noch dieses "Aha-Erlebnis" im vergangenen Jahr: Wieder in Kitzbühel, eine Rückkehr nach der Schmach von vor zwei Jahren, erstmals im Zebra-Outfit. Einige der damals noch vielen Zuschauer schmissen ihm "Judas"-Rufe entgegen, das habe ihn dann doch etwas angestachelt, sagte er. Baumann wurde damals Siebter in der Abfahrt, seitdem, sagt er heute, wähne er sich wieder bereit für einen Podiumsbesuch.

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Bei Baumann spürt man die stille Genugtuung

Am Donnerstag, während es zweiten Trainingslaufs, den sie selbstverständlich live im ersten österreichischen Fernsehen senden, sagt der Ski-Experte Armin Assinger zum Kommentator Oliver Polzer: "Gell, gestern schon vier Deutsche unter den besten Zwölf!"

"Naja, dreieinhalb Deutsche", kontert Polzer mit Blick auf Baumann.

"Gut", sagt Assinger, "man kann ja sagen: Gelernt hat er's bei uns!"

Baumann lächelt derartige Episoden meist freundlich weg, aber man spürt schon die stille Genugtuung, die ihn gerade umhüllt. Als ihn der DSV aufgenommen habe, sagt Baumann, habe er auch etwas zurückgeben wollen: Kleine Betriebsgeheimnisse, was das Material betreffe, auch Tipps für die Abfahrten, die die Fahrer oft erst nach Jahren im Griff haben. Baumann, schwärmt Thomas Dreßen, habe für jede Piste ein außerordentliches Gefühl, "der weiß ganz genau: Das ist eine Schlüsselstelle, diese Passage musst du mit weniger Risiko nehmen". Nicht nur Dreßen profitierte davon zuletzt, auch Simon Jocher, 24, der in diesem Winter seinen ersten vollen Winter auf der Tournee verbringt. In Bormio fanden sich zuletzt alle sechs deutschen Starter unter den besten 30 ein.

Romed, fragen die österreichischen Reporter am Donnerstag im Zielraum, solltest du auf der Streif bester Österreicher sein - das würde runtergehen wie Öl, oder?

Baumann lächelt, er beantwortet die Frage nicht direkt. Aber das Lächeln sagt schon alles. Es gäbe wohl nicht viel Besseres.

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