Sebastian Hoeneß in Hoffenheim:Attacke nur auf dem Rasen

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Bald in Hoffenheim: Sebastian Hoeneß. (Foto: dpa)

Sebastian Hoeneß, der neue Trainer in Hoffenheim, unterscheidet sich charakterlich deutlich von Vater Dieter und Onkel Uli. Den berühmten Nachnamen empfindet er eher als Hypothek.

Von Maik Rosner, Sinsheim/München

Als das Interesse des Bundesligisten TSG Hoffenheim an Sebastian Hoeneß konkreter wurde, ging es bald weniger um den Trainer des Drittliga-Meisters FC Bayern II, sondern um seinen Nachnamen. Das Magazin 11Freunde fragte in einer Glosse, ob der Bundesliga "eine weitere Schreckensherrschaft" drohe. Verbunden damit waren Fragen, die an den berühmten Onkel des Trainers erinnerten, an Uli, den langjährigen Macher des FC Bayern. "Wen nagelt der junge Hoeneß als erstes im Sportstudio an die Wand? Kauft die TSG nun gnadenlos ihre direkten Konkurrenten tot?", fragte das Magazin. Und: "Gibt es im beschaulichen Kraichgau überhaupt eine Abteilung Attacke?"

Den FC Bayern II führte Hoeneß in der dritten Liga zum Meistertitel

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Sebastian Hoeneß brillierte in seiner ersten Saison als Trainer der U 23. Dass er schon jetzt das Interesse von Bundesligist Hoffenheim weckt, erwischt die Münchner auf dem falschen Fuß.

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Was zur Erheiterung der Leser beitragen sollte, war zugleich Ausdruck jener Last, die für Sebastian Hoeneß mit seiner Verwandtschaft verbunden ist. Wie viele Nachkommen berühmter Fußballer empfindet der 38-Jährige seinen Nachnamen zuweilen eher als Hypothek. Zumal es oft so wirkt, als stehe der imaginäre Zusatz "der Neffe von Uli und Sohn von Dieter Hoeneß" in seinem Pass. Sebastian Hoeneß hat sich daran gewöhnt. "Es begleitet mich ein Leben lang. Ich heiße halt schon immer Hoeneß, und der Name polarisiert", sagte er einmal, "natürlich würde ich mir hin und wieder wünschen, als Sebastian wahrgenommen zu werden, nicht als Hoeneß." Er möge seinen Nachnamen, "aber es wird häufig in Kontext gesetzt, und das fühlt sich manchmal ein bisschen ungerecht an. Damit muss ich leben."

Das gilt nun umso mehr, nachdem Hoffenheim am Montag die Verpflichtung von Hoeneß als Nachfolger von Alfred Schreuder bekannt gab. Hoeneß' Arbeit bei Bayern II habe ihnen "imponiert", so wurde Hoffenheims Sportdirektor Alexander Rosen in der Mitteilung zitiert, "Sebastian hat eindrucksvoll bewiesen, junge Spieler zu einer leistungsstarken Einheit formen und individuell weiterentwickeln zu können." Sein offensiver fußballerischer Ansatz sei zudem "nicht nur attraktiv, sondern auch außerordentlich erfolgreich".

Der Vertrag bis zum 30. Juni 2023 für Hoeneß ist ein Beleg, dass sie bei der TSG an eine gedeihliche Zusammenarbeit glauben, obwohl Hoeneß noch über keine Erfahrung auf höchstem Niveau verfügt. Entsprechend nannte dieser seinen Job, den er am 2. August aufnimmt, "eine große Herausforderung", auf die er sich "enorm freue". Zumal er in den Gesprächen festgestellt habe, dass sie in Hoffenheim ein Ideal verfolgten, das "identisch mit meiner Idee von Fußball" sei, also "offensiv, mutig, flexibel und immer aktiv". In München bezeichnete Sportvorstand Hasan Salihamidzic den Abschied als "schade", der Klub habe Hoeneß den Karrieresprung aber trotz eines Vertrages bis 2022 nicht verwehren wollen. Welche Ablöse die TSG zahlt, wurde nicht bekannt. Wer die Nachfolge von Hoeneß bei den Bayern antritt, ist noch offen.

Die Personalie Sebastian Hoeneß ist auch deshalb so spannend für die Bundesliga, weil hinter Hoeneß gerade sein erstes Jahr als Cheftrainer im Profifußball liegt. Nach seiner Zeit bei den A-Junioren von Hertha Zehlendorf in Berlin (2011 bis 2013) und in RB Leipzigs Nachwuchs (2014 bis 2017) kam Hoeneß vor drei Jahren zur U19 des FC Bayern. Schon vor seiner Beförderung zur U23 im Sommer 2019 bezeichnete der aktuelle Assistenztrainer der Profis, Hermann Gerland, ihn als "großes Trainer-Talent".

Der Nachweis folgte nach einer mittelprächtigen Anlaufzeit. Nach 20 Spieltagen stand der FC Bayern II auf Platz 15. Weitere 18 Spieltage später feierte Hoeneß den Meistertitel - als Trainer-Neuling im Profigeschäft und mit einem Aufsteiger. Nie zuvor hatte eine zweite Mannschaft den Titel in der dritten Liga geholt, Hoeneß wurde dort auch zum Trainer des Jahres gewählt. Beigetragen hatte zum Meistertitel vor allem jener offensive Spielstil, den Hoeneß zunehmend mit defensiver Stabilität kombinierte. Doch auch als Persönlichkeit lernte er dazu: Er stellte sich stets vor die Spieler, verteidigte sie leidenschaftlich - auch den Schiedsrichtern gegenüber (weswegen er einmal gelbgesperrt war). In der Mannschaftsführung ließ er sich auch von oben nicht reinreden - Profispieler Mickaël Cuisance durfte einmal nicht mitspielen, weil er seine Schuhe vergessen hatte.

Der Wechsel nach Hoffenheim ist für den gebürtigen Münchner Hoeneß auch eine Rückkehr. In seiner nicht sonderlich auffälligen Spielerkarriere kickte er für die TSG in der Saison 2006/07 fünf Mal für die zweite Mannschaft in der Oberliga und drei Mal für die erste in der Regionalliga. Auch damals bekam er schon die Last der Erwartungen an den Namen Hoeneß zu spüren. Dabei hat er mit seinem berühmten Onkel eben nur diesen Nachnamen gemein - und einen enormen Ehrgeiz. Und auch von seinem Vater Dieter, früher ebenfalls Spieler und Manager in der Bundesliga, unterscheidet er sich charakterlich. Weggefährten beschreiben Sebastian Hoeneß als ruhig, bodenständig und keinesfalls aufbrausend. Eine Abteilung Attacke bekommen sie in Hoffenheim also wahrscheinlich nur sportlich.

© SZ vom 28.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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