Schwimm-WM:Punzel springt am Podest vorbei

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"Klar, die Rolle möchte ich erfüllen, ich bin ja schon eine Weile die Älteste": Tina Punzel bei einer ihrer WM-Schrauben in Budapest. (Foto: Attila Kisbenedek/AFP)

Mit einem 33. Platz ist die 26-Jährige vor elf Jahren in die Weltspitze eingestiegen, nun ist sie zum sechsten Mal dabei. Und kann die Lücke nicht ganz füllen, die nach dem Rücktritt von Patrick Hausding entstanden ist. Die ersehnte WM-Medaille verpasst sie in Budapest knapp.

Von Sebastian Winter, Budapest/München

Es ist drei Wochen her, als Tina Punzel in einer Videoschalte einen kleinen Einblick ins deutsche Wasserspringen, in ihre neue Führungsrolle, und ja, auch in ihr Seelenleben gab. Nach dem Rücktritt von Patrick Hausding, Weltmeister, Olympia-Bronzegewinner, dem Mr. Wasserspringen des Deutschen Schwimm-Verbandes, war Anfang Mai auch ein nicht ganz kleines Vakuum entstanden. Die Frage war: Wer übernimmt nun die Führungsrolle in der deutschen Mannschaft so kurz vor der Weltmeisterschaft in Budapest? Punzel sagte: "Klar, die Rolle möchte ich erfüllen, ich bin ja schon eine Weile die Älteste." Die 26-Jährige meinte allerdings eher jene bei den Frauen. Bei den Männern "müssen die anderen in die Rolle schlüpfen, wie Lars oder Timo".

In Budapest spürte man dann in der vergangenen WM-Woche, dass es noch eine Weile braucht, Hausdings Lücke zu füllen. Nach dem schönen Bronze-Auftakt im Synchronfinale der Männer vom Drei-Meter-Brett durch Timo Barthel und Lars Rüdiger drückte die Corona-Erkrankung von WM-Debütant Moritz Wesemann nur ein paar Stunden vor seinem Einzelfinale vom Drei-Meter-Brett auf die Stimmung. Danach verpassten die Deutschen reihenweise mit sehr ordentlichen vierten oder fünften Plätzen die Medaillenränge. Auch Punzel: Im Mixed wurde die gebürtige Dresdnerin zusammen mit Lou Massenberg Fünfte, im Einzelfinale vom Drei-Meter-Brett landete sie auf Rang vier. Am Sonntagnachmittag hatte sie ihre letzte Chance auf Edelmetall, zusammen mit Lena Hentschel im Synchronwettbewerb, ebenfalls vom Drei-Meter-Brett. In derselben Disziplin hatten sie bei den Olympischen Spielen in Tokio Bronze gewonnen. Doch ihr Pech in Budapest setzte sich fort, wieder wurde es nur Platz vier.

Nach Tokio hatte Punzel fünf Monate Pause gemacht, eine dringend nötige Auszeit aus ihrer Sicht. Das vergangene Jahr hatte sie viel Kraft gekostet, die Trainingseinheiten vor den Spielen begannen um 4 Uhr morgens. "Es waren extreme Entbehrungen, Corona kam hinzu, ich war satt und hatte keine Lust mehr auf Springen", sagte Punzel. Sie brachte ihr Wirtschaftswissenschaften-Studium voran, machte ein Praktikum, erst nach Weihnachten sprang sie wieder ins Wasser. Und sie sah: Es funktioniert immer noch. "Es macht mir so viel Spaß wie lange nicht", sagte Punzel vor der WM.

"Der Druck ist da", sagte Punzel vor der WM

Ihr Gefühl bei dieser für sie nun schon sechsten Weltmeisterschaft ist ganz anders als noch bei ihrer Premiere 2011 in Schanghai. Sie war damals die Jüngste in der deutschen Equipe, kurz vor ihrem 16. Geburtstag. "Alle haben sich toll um mich gekümmert, ich musste keine Medaille holen, sondern konnte Erfahrung sammeln. Das ist der große Unterschied zu jetzt: Der Druck ist schon da." Auf Platz 33 landete sie damals vom Ein-Meter-Brett.

Inzwischen ist Punzel viermalige Europameisterin, neben Olympia-Bronze hat sie auch WM-Bronze gewonnen, 2019 in Gwangju - und insgesamt 17 Mal Edelmetall bei internationalen Großereignissen. Im vergangenen Jahr wurde sie zu Europas Wasserspringerin des Jahres gewählt, mit 62 Prozent der Stimmen. Es ist also nicht vermessen zu sagen, Punzel, die auch DSV-Aktivensprecherin ist, spielt längst nun die Rolle bei den Frauen, die Patrick Hausding bei den Männern immer ausgefüllt hat. Die Frage ist nur: Hört sie nun auch auf, wie Hausding, oder macht sie bis Paris 2024 weiter?

Punzel hatte ja wieder Entbehrungen, seit Anfang dieses Jahres, wenn auch weitaus weniger Wettkämpfe als früher. Dafür war sie relativ viel krank, hatte keine optimale Vorbereitung. Sie zehre nun "von den Tausenden Trainingssprüngen, die ich davor gemacht habe. Für mich geht es nicht mehr darum, den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen, sondern stabile Serien mit Ausreißern nach oben zu zeigen".

All das hat sie gezeigt in Budapest, "ich war super in meinem Tunnel", sagte sie. Am Ende hat es halt einfach nicht gereicht gegen die goldverwöhnten Artistinnen aus China.

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