Schwimm-WM:Maracanã auf der Margareteninsel

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Harter Kampf um jeden Ball: Ungarn und die USA (weiße Badekappe) schenken sich nichts im WM-Finale. (Foto: Lisa Leutner/Reuters)

Das WM-Finale von Ungarns Frauen gegen die USA vor 7000 lärmenden Zuschauern zeigt, welch riesigen Stellenwert Wasserball in Ungarn hat. Die erfolgsverwöhnten Männer patzen allerdings bereits im Viertelfinale.

Von Sebastian Winter, Budapest/München

Jeder einigermaßen sportinteressierte Mensch kennt das Wembley-Stadion oder das Maracanã. Das Alfred-Hajos-Stadion auf Budapests Margareteninsel, die von der Donau umarmt wird, dürfte dagegen den wenigsten Menschen etwas sagen, selbst den sportinteressierten. In den vergangenen beiden Wochen ist der riesige Komplex aus den 1930er-Jahren, in dem sich acht Innen- und Außenpools befinden, dafür hell ausgeleuchtet worden. Wasserballerinnen und Wasserballer richteten hier im Rahmen der Schwimm-Weltmeisterschaften ihr WM-Turnier aus, und innerlich dürften sich die meisten verneigt haben vor dem ehrwürdigen Gemäuer. Denn das Alfred-Hajos-Stadion gilt, samt seinen steilen Stahlrohrtribünen und der Patina, je nach Interpretation als Wembley, Mekka oder Maracanã dieses Sports. Eines Sports, der in Ungarn schwer populär ist.

Das sah man auch am Samstagabend, als 7000 lärmende Zuschauer das Finale der heimischen Frauen gegen die USA verfolgten. Die Atmosphäre ähnelte der eines aufgeheizten Fußballkessels, Schlachtrufe und La Ola inklusive. In mehreren Blöcken saßen die Ultras, wenn man sie so nennen will, und machten Stimmung. So ist das seit Anbeginn dieser WM, wenn Ungarn spielt, ist kein Platz mehr zu finden auf der Tribüne (die deutschen Männer wurden 13., deutsche Frauen waren nicht am Start). Fast hätte es für die Außenseiterinnen zum Sieg gereicht, aber die USA gewannen dann doch durch ein 9:7 ihren insgesamt siebten WM-Titel. Und die Tribüne? Sie weinte.

Mekka im Flutlicht: 7000 Zuschauer sind keine Seltenheit im Alfred-Hajos-Stadion auf Budapests Margareteninsel. (Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty)

Diese magische Anziehungskraft hat auch historische Gründe. Neun Mal gewannen Ungarns Männer Gold bei Olympischen Spielen, 1932 in Los Angeles, 1936 in Berlin, 1952 in Helsinki, 1956 in Melbourne, 1964 in Tokio, 1976 in Montreal, 2000 in Sydney, 2004 in Athen und 2008 in Peking. Viele der besten Wasserballer sind im Leistungszentrum in Budapest ausgebildet worden, auch Tibor Benedek, der dreimal in Serie Olympiasieger wurde. An Benedek, 2020 mit 47 Jahren an Krebs gestorben, erinnert ein großes Schwarz-Weiß-Foto an der Außenfassade des Alfred-Hajos-Stadions. Viele Menschen verweilen dort und legen Blumen nieder.

Entrücktes Trainergespann: US-Headcoach Adam Krikorian (Mitte) nimmt nach dem Schlusspfiff ein Bad. (Foto: Marton Monus/Reuters)

Seine Erben, von denen eigentlich immer Gold erwartet wird, enttäuschten diesmal in ihrem Wohnzimmer. Sie schieden im Viertelfinale 10:11 gegen Italien aus. Die Frauen, die bislang zweimal Weltmeisterinnen, aber nie Olympiasiegerinnen waren, laufen den Männern langsam den Rang ab. Ihr Finale bot alles, Lattenknaller, minutenlang diskutierte Videobeweise, wütende Tritte des ungarischen Trainers gegen die Werbebande. Am Ende war es das US-Trainerteam, das vor Freude in Jeans und T-Shirts ins Wasser sprang. "Heal the World" von Michael Jackson tönte später bei der Siegerehrung aus den Boxen. Die Tribünen waren immer noch voll.

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