Schwimm-Weltmeisterschaft:Delfin vor dem Bug

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Mit fast 19 Sekunden Vorsprung zu Gold: Florian Wellbrock. (Foto: Quinn Rooney/Getty Images)

Florian Wellbrock schwimmt der Konkurrenz im Freiwasser davon und holt das zweite WM-Gold. Die Bronzemedaille für Oliver Klemet komplettiert das perfekte Start-Wochenende für die Deutschen, die sich drei Olympiastartplätze sichern.

Von Sebastian Winter

Florian Wellbrock verzog sich dann irgendwann in den Schatten, hinter die Werbeaufsteller, bloß weg vom gleißenden Licht und der brennenden Sonne. Er hatte sich schon früh, nachdem er aus dem Wasser gestiegen war, ein weißes Handtuch über den Kopf gelegt und sah ein bisschen aus wie ein Beduine, der gerade an der Wasserstelle angekommen ist und versucht, seine Energiespeicher aufzufüllen. Der Flüssigkeitsverlust ist ja immens beim Schwimmen, gerade im Freiwasser, auf der harten Zehn-Kilometer-Strecke. Leonie Beck kam noch dazu, umarmte den 25-Jährigen herzlich, sie hatte Wellbrock am Samstag ja vorgemacht, wie man in der japanischen Millionen-Metropole Fukuoka den WM-Titel über diese Strecke gewinnen kann.

Aber Wellbrock, der nun fünfmalige Weltmeister, hatte sich seinen eigenen Plan gebastelt. Anders als Beck wartete er nicht lange im Mittelfeld, um Kräfte zu sparen und dann ganz am Ende aus der Spitzengruppe auszubrechen. Nein, er machte das Rennen von Anfang an schnell, zog die 69 Schwimmer große Gruppe auseinander, bestimmte das Tempo, indem er einfach den Hasen gab wie in der Leichtathletik. Oder, vielleicht ein passenderes Bild: einen Jacobita-Delfin, der bekannt dafür ist, gerne vor dem Bug von Schiffen zu schwimmen.

Am Ende hatte Wellbrock die Konkurrenz in einem beeindruckenden Rennen dominiert, ja fast deklassiert. In 1:50:40,3 Stunden schlug er im Ziel des Momochi Seaside Parks an, fast 19 Sekunden vor dem zweitplatzierten Ungarn Kristof Rasovszky. Fast ging es ein wenig unter, dass Wellbrocks 21 Jahre alter Trainingskollege Oliver Klemet Bronze gewann, nur 1,8 Sekunden hinter Rasovszky. Für Klemet, der schon einen Freiwasser-Titel mit der Mixed-Staffel aus dem vergangenen Jahr in Budapest in den Büchern stehen hat, war es die erste WM-Einzelmedaille.

Eine Trinkpause, die keine Pause ist: Wellbrock sucht schon mal nach der für ihn bestimmten Flaschenangel. (Foto: Jo Kleindl/dpa)

Aber was war eigentlich mit Gregorio Paltrinieri, Wellbrocks ewigem Konkurrenten aus Italien, in dessen Gruppe auch Leonie Beck in Italien trainiert? Der wurde, nachdem er Wellbrock in Budapest noch düpiert hatte, diesmal nur Fünfter, mit mehr als 40 Sekunden Rückstand, noch hinter seinem Landsmann Domenico Acarenza. Sie alle waren chancenlos gegen diesen Delfin aus Deutschland. "Ein Hammerergebnis und ein Bombenstart in diese Weltmeisterschaft", sagte Wellbrock und gestand: "Ich habe schon ein bisschen damit geliebäugelt, dass wir heute zwei Medaillen holen."

Fast schien es so, als würden sich die beiden sogar ein wenig darüber ärgern, dass der Ungar sich noch zwischen sie geschoben hatte. Andererseits veranschaulichte auch der Sportdirektor des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV), Christian Hansmann, den Wert dieses goldenen Auftaktwochenendes für die Deutschen: "Unbeschreiblich, die beiden haben nie einen Zweifel daran gelassen, wer hier auf dem Podium steht. Und wir haben drei von vier persönlichen Quotenplätzen für Olympia erreicht." Für 2024 in Paris sind nun Wellbrock, Klemet und Beck gesetzt, das Trio muss keinen Zulassungsumweg mehr über die WM nehmen, die im Februar liegt, wenn die Olympiavorbereitung schon begonnen hat. Die frühe Qualifikation ist den Schwimmern also wichtig, Klemet sagte, diese bedeute ihm mehr als sein WM-Bronze.

Die Wasserqualität war kein Thema mehr

Die Magdeburger Trainingsgruppe um Wellbrock, Klemet und Lukas Märtens, in der auch noch der Ukrainer Mykhailo Romanchuk schwimmt, ist der Schlüssel für diesen Erfolg bei den Männern. Bundestrainer Bernd Berkhahn hat sie zuletzt bei der Akklimatisierung in Kumamoto und im Juni im Höhentrainingslager in der Sierra Nevada akribisch auf die WM vorbereitet, erstmals hatte das Team auch einen Koch nach Spanien mitgenommen, weil das Ernährungsangebot dort ungenügend war. "Das Höhentrainingslager war sehr gut, nicht nur für mich, sondern fürs gesamte Team", hatte Wellbrock der SZ vor dem WM-Start gesagt, auch wenn er seine Frau Sarah vermisste, die nach ihrem Rücktritt vom Leistungssport nicht mit dabei ist in Fukuoka: "Ich habe im Trainingslager immer wieder gemerkt, dass die Zeit ohne sie emotional etwas schwierig ist, das war eine kleine Herausforderung."

Sieger unter sich: Silbergewinner Kristof Rasovszky, Weltmeister Florian Wellbrock und Bronzegewinner Oliver Klemet. (Foto: Iiiei Kato/Reuters)

Der gebürtige Bremer scheint aber auch in Japan bislang noch gut mit dieser Distanz zurechtzukommen - und auch mit den schwülheißen Bedingungen, die Wellbrock ohnehin eher schätzt als Kälte an Land und im Wasser. Er habe gewusst, dass am Ende des Rennens der Wind auffrische. "Bei diesem kabbeligen Wasser komme ich dann nicht so gut weg. Deshalb wollte ich vorne schwimmen und das Tempo bestimmen, um die Gruppe auszudünnen. Ich hatte keine Lust, dass wir mit acht Mann auf den letzten 200 Metern in den Endspurt gehen." Die in den Tagen zuvor diskutierte Wasserqualität infolge von Starkregen und Überschwemmungen war im Rennen am Sonntag kein Thema mehr.

Am Dienstag geht es weiter für Wellbrock und Co. Über die fünf Kilometer im Freiwasser zählt er als Titelverteidiger erneut zu den Top-Favoriten. Ob er anschließend noch in der Staffel antritt, ließ er offen. In der zweiten WM-Woche startet er dann über 800 und 1500 Meter Freistil im Becken, auf der langen Strecke war in diesem Jahr niemand schneller als er. Die Aussichten bleiben: schwülheiß und ziemlich medaillenträchtig.

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