Schwimm-WM:Hausboot mit Ausblick

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Hat gute Chancen auf eine vordere Platzierung: Brustschwimmerin Anna Elendt. (Foto: Gerry Schmit/Imago)

Die Schwimm-WM in Budapest ist für den Weltverband Fina auch eine Werbeveranstaltung in Pandemiezeiten. Die Deutschen um Florian Wellbrock haben so gute Medaillenchancen wie selten - und einen Corona-Fall.

Von Sebastian Winter, Budapest

Ein bisschen wirkte es am späten Freitagvormittag so, als würde da unten auf der Donau ein Promipaar zu seiner Hochzeit einladen. Auf dem strahlend weißen Hausboot "Stopper", das vor Anker lag, hatte allerdings nur der Schwimm-Weltverband Fina Stehtische mit strahlend weißen Hussen platziert, von der Aussichtsterrasse hatte man einen wunderbaren Blick auf die mächtige Fischerbastei, die über Ungarns Hauptstadt thront.

Der Ort war gut gewählt, um für die Weltmeisterschaften zu werben, die in den kommenden zwei Wochen in den Sparten Schwimmen, Freiwasserschwimmen, Wasserspringen, Wasserball und Synchronschwimmen in Budapest stattfindet (und im Falle von Wasserball, das wegen der Präsentation des neuen Spielgeräts samt verbessertem Grip und weniger Gummiabfall einen Großteil der Pressekonferenz einnahm, noch in drei anderen Städten). So beginnt nun eine WM, die ursprünglich 8700 Kilometer weiter östlich hätte ausgetragen werden sollen, in der japanischen Metropole Fukuoka.

Die dortigen Organisatoren gaben die WM allerdings wegen der Pandemie zurück. Budapest, das schon 2017 Gastgeber war, sprang binnen vier Monaten ein. "Nach Corona kommt der Sport langsam zurück", jubilierte Fina-Präsident Hussein al-Mussalam, was ein Euphemismus ist, denn ein Nach-Corona ist wohl noch fern. Im Land des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban, der auf dem Hausboot vom Verteidigungsminister vertreten wurde, spielt die Pandemie aber ohnehin eher eine untergeordnete Rolle. Nun sollen im schwimmverrückten Ungarn heimische Stars wie Kristof Milak und Katinka Hosszu Medaillen holen, auch internationale Größen wie Caeleb Dressel, Sarah Sjöström oder Katie Ledecky fehlen nicht. Manche aber doch, wie der verletzte Adam Peaty und die Australierin Ariarne Titmus, die lieber bei den Commonwealth-Spielen startet.

Zugleich erhält das Schwimmen in einer kurzen Zeitspanne viel Aufmerksamkeit: Weil die WM in Fukuoka 2023 nachgeholt werden soll, finden nun binnen drei Jahren vier Weltmeisterschaften auf Kurz- und Langbahn sowie die Olympia-Wettbewerbe in Paris statt. Fernsehzuschauer in Deutschland schauen dabei in die Röhre - die Wettkämpfe in Ungarn werden weder von ARD und ZDF noch von Eurosport gezeigt, sondern nur im Livestream der Fina. "Scheinbar verliert Schwimmen immer mehr an Stellenwert, obwohl die Leistungen deutlich stärker geworden sind", kritisierte Bundestrainer Bernd Berkhahn.

Weil Freistilschwimmer Josha Salchow corona-positiv ist, muss der DSV die Staffel abmelden

Dass die Viren indes nach wie vor hinter jeder Ecke lauern, hat nun auch die wegen verpasster Normzeiten ohnehin kleine Becken- und Freiwassermannschaft des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) wieder erfahren.

Freistilschwimmer Josha Salchow wurde noch vor dem Abflug positiv getestet, der 22-jährige vom SV Nikar Heidelberg hätte über 100 Meter und in der Staffel (4x200 Meter Freistil) starten sollen - nun musste der DSV diese Staffel abmelden. Leistungssportdirektor Christian Hansmann bedauerte dies laut Mitteilung auch perspektivisch: "Leider ist nun keine Nachmeldung mehr möglich. Das ist sehr schade, weil die lange Freistilstaffel bis zu den Olympischen Spielen 2024 von uns als ein Prestigeobjekt angesehen wird."

Im Dauereinsatz in Budapest: Olympiasieger Florian Wellbrock. (Foto: Oliver Weiken/dpa)

So konzentrieren sich die Hoffnungen des DSV noch mehr auf Weltmeister und Olympiasieger Florian Wellbrock, der über 800 und 1500 Meter im Becken der 5000 Zuschauer fassenden Duna-Arena startet und sich danach über fünf und zehn Kilometer in den Lupa-Badesee stürzt. Der 24-jährige Magdeburger saß am Freitag auch auf dem Hausboot, als eines der Gesichter dieser WM, was schon mal nicht schlecht ist für den DSV, dem oft Gesichter gefehlt haben. Wellbrock, der im Becken und im See Gold anpeilt, sagte, es brauche "viel Energie, um so ein großes Programm zu überleben". Natürlich wurde er auch zu Michailo Romantschuk befragt, jenem großen Rivalen aus der Ukraine, den Wellbrock per Instagram Ende Februar, als der Krieg losbrach, in seine Magdeburger Trainingsgruppe einlud und der seither dort trainiert. Das ist auch international ein großes Thema.

Wellbrock erhält zugleich von einem weiteren Trainingspartner Konkurrenz: Lukas Märtens hat im Frühjahr Weltjahresbestzeiten über 800 und 1500 Meter Freistil erzielt, just auf Wellbrocks Strecken. Der 20-Jährige startet außerdem gleich am Samstag über die 400 Meter, er zählt dort zu den Medaillenkandidaten. Im nur sieben Schwimmer und drei Schwimmerinnen umfassenden Kader haben auch Anna Elendt (Brust) und Isabel Gose (Freistil) gute Chancen auf vordere Platzierungen.

Die Wasserballer sind in ihrer Vorrundengruppe B in Debrecen, ganz im Osten Ungarns, nur Außenseiter. Die erfahrene Tina Punzel ist nach dem Rücktritt von Patrick Hausding im Wasserspringen aussichtsreichste deutsche Teilnehmerin. Und Synchronschwimmerin Marlene Bojer hat am Freitag noch vor der Eröffnungsfeier als Elfte in der Technischen Kür das Solo-Finale erreicht - schon jetzt das beste DSV-Abschneiden in dieser Disziplin seit 2007. Allerdings läuft diese Sparte wie so oft eher unter dem Radar, nicht in der Duna-Arena, sondern in einem Extra-Becken auf der Budapester Margareteninsel.

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