Schiedsrichter bei der Fußball-WM:Die Spiele sollen länger werden

Lesezeit: 2 min

Pierluigi Collina erklärt in Katar, wie es um die Schiedsrichter bei der WM steht - und um die Schiedsrichterinnen. (Foto: Christopher Lee/Getty Images)

Vor dem Turnierstart bereitet Schiri-Chef Collina die Zuschauer auf ausgebaute Nachspielzeiten vor. Erstmals kommt die "Halbautomatische Abseits-Technologie" bei einem WM-Turnier zum Einsatz - und erstmals gibt es Schiedsrichterinnen.

Von Martin Schneider, Doha

Pierluigi Collina sieht immer noch aus, als könnte er sofort ein WM-Finale leiten. 62 Jahre ist der Italiener mit der markanten Frisur mittlerweile alt, äußerlich verändert hat er sich kaum, er ist immer noch sehr drahtig, sein Blick duldet keinen Widerspruch, seine Stimme erst recht nicht. Collina ist einer dieser Menschen, die qua Auftreten eine natürliche Autorität besitzen, unter anderem das machte ihn seinerzeit zum besten Schiedsrichter der Welt.

Nun ist Collina der Chef der hoffentlich besten Schiedsrichter der Welt, sein Titel lautet "Vorsitzender der Fifa-Schiedsrichter-Kommission" und als solcher trägt er die Gesamtverantwortung für die Unparteiischen bei diesem Turnier. Vor der WM sitzt er in einem sehr großen Pressekonferenzsaal in einem sehr klimatisierten Gebäude und erläutert, worauf Spieler, Referees aber auch Zuschauer zu achten haben. Collina erklärt einfache Sachen, etwa, dass Fouls, die die Gesundheit der Fußballer gefährden, noch konsequenter mit einer roten Karte bestraft werden sollen.

SZ PlusKimmich im deutschen Nationalteam
:Die Welt auf seinen Schultern

Er muss alles machen, aber nicht zu viel: Joshua Kimmich wird bei der WM mehr denn je im Zentrum der deutschen Mannschaft stehen. Für den Turnierverlauf könnte entscheidend sein, ob Bundestrainer Flick die Balance im Mittelfeld gelingt.

Von Christof Kneer

Außerdem bereitet er das Publikum darauf vor, dass die Partien länger werden. Die Spielleitung sei angehalten, die Nachspielzeit strenger zu interpretieren. Wenn in einer Halbzeit drei Tore fallen würden, gehe schon sehr viel Zeit für den Jubel verloren, sagt Collina. Niemand solle sich bei der WM auch bei vermeintlich gewöhnlichen Begegnungen über neun Minuten Nachspielzeit wundern. In der deutschen Bundesliga wird traditionell mit Extraminuten sparsam umgegangen, nur in Ausnahmefällen gibt es mehr als fünf.

Auch beim Thema Abseits tut sich etwas in Katar

Collina erklärt aber auch komplizierte Sachen, etwa die Änderung der Interpretation der Abseitsregel, wenn der Ball vom gegnerischen Spieler kommt. Da muss der Schiedsrichter nun interpretieren, ob dies "kontrolliert" passiert. Collina zeigt Beispiele, die immer uneindeutiger werden und gibt schließlich selbst zu, dass die Regel nun möglicherweise im Sinne des Fußballs fairer formuliert, für die Schiedsrichter aber nicht unbedingt leichter geworden sei. "Aber wir verlangen von den Schiedsrichtern, dass sie Fußball verstehen", sagt Collina.

Vor allem aber stellt die Fifa ein neues Spielzeug vor, die "Semi-Automatic Offside-Technology", was man mit "Halbautomatische Abseits-Technologie" übersetzen kann. Ein System aus zwölf Kameras im Stadion erfasst jeden Spieler, im Ball befindet sich ein Sensor und ein Programm - die Fifa nennt es "künstliche Intelligenz" - errechnet aus jeder Spielsituation eine mögliche Abseitsstellung und schickt dem Videoschiedsrichter einen Alarm.

"Es soll die Arbeit des Videoschiedsrichters leichter machen", sagt Collina. Bislang muss der VAR jede mögliche Abseitsstellung selbst nachprüfen, was Zeit kostet und den sowieso schon schwierigen Job noch schwieriger macht. Zumindest in den Demonstrationsvideos der Fifa funktioniert das System fehlerfrei, das in seiner Art an die Ballerkennungssoftware "Hawk-Eye" im Tennis erinnert. Getestet wurde es unter anderem bei der Klub-WM.

Eine von sechs Schiedsrichterinnen in Katar: die Französin Stephanie Frappart. (Foto: Maurice Van Steen/dpa)

Und noch eine Neuerung gibt es bei dieser Weltmeisterschaft: Zum ersten Mal gehören sechs Frauen dem Schiedsrichterteam an. Stéphanie Frappart aus Frankreich ist nominiert, die seit mehreren Jahren als beste Schiedsrichterin der Welt gilt, das WM-Finale 2019 pfiff und seit 2019 internationale Spiele im Männerfußball leitet. Zudem sind Salima Mukansanga (Ruanda) und Yoshimi Yamashita (Japan) als Schiedsrichterinnen dabei, als Assistentinnen sind Neuza Back (Brasilien), Karen Diaz Medina (Mexiko) und Kathryn Nesbitt (USA) nominiert.

"Dass Frauen dabei sind, ist neu, und alles Neue sorgt für Interesse", sagte Collina, als er darauf angesprochen wurde. Es hätte aber keine Quote gegeben, alle Schiedsrichter seien unabhängig von ihrem Geschlecht aufgrund ihrer Leistung nominiert und die Leistung entscheide auch über weitere Ansetzungen. Für den DFB wurden Daniel Siebert aus Berlin nominiert, Rafael Foltyn und Jan Seidel sind seine Assistenten, Bastian Dankert und Marco Fritz fungieren als Videoschiedsrichter.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFußball-WM
:Gigantische Kühlhäuser im Sand

Die neu erbauten Arenen der Weltmeisterschaft bezeugen die futuristische Ambition von Katar - und stehen doch für eine Erregungsarchitektur von gestern. Eine Architekturkritik im Grenzbereich.

Von Gerhard Matzig

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: