FC Schalke 04:Schalke sucht den nächsten Abenteurer

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Er wird nicht neuer Coach: Maskottchen Erwin auf der leeren Tribüne. (Foto: Leon Kuegeler/dpa)

Das uralte Gefühl angeborener Verdammnis ist zurück auf Schalke: Der neue Trainer übernimmt einen Klub im Abstiegskampf, der kein Geld hat, um den Kader erstklassig zu machen, aber trotzdem Erstklassigkeit benötigt und beansprucht. 

Kommentar von Philipp Selldorf

Eine europäische Super League und der FC Schalke 04 - über die Unvereinbarkeit dieser beiden Subjekte könnten schlechte Komödianten zurzeit jede Menge schlechte Witze machen, an schadenfreudigem Publikum würde es vermutlich nicht mangeln. Obwohl es sogar im Stamm der schwarz-gelben Borussen Leute gibt, die das Schicksal des alten Rivalen inzwischen bedauern. Wenn einem der Lieblingsfeind abhandenkommt, dann fehlt etwas. Selbst der Ur-Dortmunder Kevin Großkreutz hat sich schon mal mitfühlend geäußert - schlimmer kann es wirklich nicht mehr kommen für die Schalker!

Während der vergangenen Woche ist die Kluft zwischen Schalke 04 und Borussia Dortmund beziehungsweise zwischen Schalke 04 und der Super League wieder ein bisschen größer geworden. Die Super League scheint sich gerade wieder aus dem Reich der Toten zu erheben, wohin sie im Frühling 2021 von ihren Widersachern schleunigst befördert und damit vermeintlich entsorgt worden war. Doch getragen von den Interessen der Investoren und einer Handvoll abtrünniger Großklubs im Süden Europas, erweist sich das Projekt als zähes Ungetüm, das nicht aufhören will, den Status quo der Fußballordnung zu bedrohen. Diesmal ist beim Vorstoß die Propaganda geschickter und die Versuchung gefälliger verpackt. Gemäß dem reformierten Wettbewerbskonzept soll die mögliche Superliga nicht mehr einen geschlossenen, elitären Kreis bilden, sondern durch Auf- und Abstieg allen Klubs zugänglich sein.

Wenn neuerdings Auf- und Abstieg drin sind, könnte doch auch Schalke wieder mitreden... Okay, schlechter Scherz.

Schwarzen Humor auf ihre Kosten bekamen die Schalker bereits ausreichend zu spüren, als ihnen zuletzt die TSG Hoffenheim binnen fünf Tagen zwei harte Niederlagen verpasste - just das Team des Trainers André Breitenreiter, den Schalke vor sechs Jahren vor die Tür setzte, weil er zu Saisonschluss "nur" Fünfter geworden war. Damals wähnte sich Schalke, nicht ganz grundlos, einer imaginären Familie europäischer Superliga-Klubs zugehörig. Breitenreiter musste Markus Weinzierl Platz machen, der zu jener Zeit ein gefragter Mann war und sich für den Job auf Schalke mit Gewalt vom FC Augsburg lossagte. Heutzutage hingegen gilt Gelsenkirchen in Fußballlehrerkreisen als Hochrisikogebiet und Karrierefalle - und obendrein als mittellos. Einen Mann wie Breitenreiter bekäme Schalke nicht mehr.

Schalker Trainer werden nicht entlassen - sondern erlöst

Das macht die Arbeit für Manager Rouven Schröder nicht leichter, nachdem er den anständigen, aber ungeeigneten Chefcoach Frank Kramer von seiner Aufgabe hat befreien müssen. Immer wieder werden Schalke-Trainer ja nicht entlassen, sondern erlöst. Im Grunde ist es ein Posten für Masochisten, bloß dass diese dann Gefahr laufen, nach einem zufälligerweise gewonnenen Spiel mit dem zügellosen Glücksrausch der Schalker konfrontiert zu werden. Doch für die vielen Trainer, die hier schon scheiterten, bleibt Schalke im Guten wie im Schlechten stets unvergesslich, schaurig und schön zugleich.

Der nächste Abenteurer, der sich jetzt nach Gelsenkirchen wagt, muss wissen, dass er zu einem Klub im Abstiegskampf geht, dessen Kader nur mit Wohlwollen als erstklassig bezeichnet werden kann, der kein Geld hat, um den Kader erstklassig zu machen, aber trotzdem Erstklassigkeit benötigt und beansprucht und Niederlagen nicht verzeiht. Das uralte Gefühl angeborener Verdammnis ist anstelle der Aufstiegseuphorie wieder über Schalke gekommen, der gewohnte Notstand ist zurück. Außer dem Cheftrainer sind durch Verkäufe, Verletzungen und Indisponiertheiten auch nahezu sämtliche Innenverteidiger abhandengekommen, nur der betagte Japaner Yoshida ist übrig geblieben. So was muss ein Klub erst mal schaffen nach zehn Spieltagen. Das kann nur Schalke.

Am 4. Mai vor 118 Jahren mag Schalke tatsächlich als Chaosklub 04 zur Welt gekommen sein. Aber eben nicht als ein Retortenbaby wie die Super League, für die niemals jemand eine Mauer der tausend Freunde errichten wird.

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Von Philipp Selldorf

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