Schalke 04 vor dem Revierderby:Jedes Jahr ein neuer Julian Draxler

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Vor dem Revierderby diskutiert das Ruhrgebiet, ob Schalke 04 den Weg von Intimfeind Borussia Dortmund kopiert. Das klingt absurd - doch nach dem heftigen Ende der Ära Felix Magath zeigt die Entwicklung beider Teams auffällige Parallelen. Sogar ein Lob aus Schalke verirrt sich zum großen Rivalen.

Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Böser als der Feind, der einen verhöhnt, ist der Feind, der einen lobt. Diese gemeine Hinterlist haben sich Clemens Tönnies und Jürgen Klopp vor dem großen Ruhrpott-Derby zunutze gemacht und durch hemmungsloses Schmeicheln die Gegenseite provoziert.

Schalkes Diamant: Julian Draxler. (Foto: dpa)

"Die Jungs aus Dortmund haben in den letzten Jahren nicht viel falsch gemacht", hat das Schalker Oberhaupt Tönnies beiläufig erklärt, während BVB-Trainer Klopp die Ansicht äußerte, sein Team werde einem "extrem starken Gegner" zu begegnen, der "eine wirklich gute Entwicklung genommen" habe. Schalkes Fans dürften vor Wut geschäumt haben, als sie diese Beleidigungen hörten.

Klopp und Tönnies waren nicht die einzigen Unruhestifter vor der 79. Bundesliga-Auflage des Bruderkampfes. In Gelsenkirchen tauchten auch Leute auf, die von Horst Heldt wissen wollten, ob Schalke 04 ganz einfach das Konzept des Nachbarn kopiere. Der Manager hat sich gegen diesen ehrverletzenden Vorwurf verwahrt, "wir wollen ganz sicher keine Kopie sein, das werden wir nie sein", sagte er. "Wir wollen unseren eigenen Weg gehen, wir sind ein stolzer Verein."

Abgesehen von dem notwendigen Hinweis auf Schalkes Unverwechselbarkeit weiß Heldt aber, dass ihm schon dümmere Fragen gestellt worden sind. Schalke imitiert nicht den Dortmunder Weg, aber im vergangenen Halbjahr haben sich einige Parallelen ergeben. Beide Klubs betreiben auf ihre Weise die Markenpflege als Volksvereine und die Sanierung und Renovierung nach Zeiten der Verschwendung, die fast in den Ruin geführt hätten.

Der seit 2004 beschrittene Weg hat den Dortmundern eine Reihe von Platzierungen im gehobenen Mittelfeld beschert und im vorigen Sommer den Gewinn der Meisterschaft. Schalke ist seit 2004 dreimal Zweiter geworden und stellte im vorigen Sommer einen Rekord auf: Nie hat der Klub einen teureren Lizenzspieler-Kader unterhalten als zur Spielzeit 2010/11.

Die kurze, aber intensive Ära Magath hatte den Verein in einem aufgewühlten, unübersichtlichen Zustand hinterlassen. Einerseits hatte der Generalintendant große Erfolge erreicht, die Schalke ins Pokalfinale und international in die High Society führten; andererseits war der Verein emotional und strukturell zerrissen und beschäftigte ein so großes Profi-Aufgebot, dass sich Tönnies genötigt sah, Magath zu warnen: "Bald brauchen wir einen Knickbus, um die Mannschaft zu transportieren."

78 Millionen Euro musste der Verein aufbringen, um die Saison mit diesem Team zu finanzieren. Für Schalke ein Wendepunkt wie der Beinahe-Konkurs für Borussia.

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Vieles hat sich seit Magaths Kündigung im März verändert, Heldt hat am inneren Frieden gearbeitet und wie ein Großhändler den Kader reduziert, inzwischen steht Schalkes Elf mit klaren Konturen. Jürgen Klopp hat recht, wenn er eine sportliche Entwicklung beschreibt, die mit Ralf Rangnick begonnen hat und von Huub Stevens gefestigt wurde.

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Auch Schalke hat jetzt - trotz Raúl und Huntelaar - ein Team mit jugendlichem Gesicht, und so wie in Dortmund Mario Götze als hausgemachter Spitzenspieler für die verheißungsvolle Erneuerung steht, so ist es in Schalke das hausgemachte Spitzentalent Julian Draxler, der, wenn er weiter so gut spielt, im nächsten Sommer noch Götzes Mannschaftskollege werden könnte - in Joachim Löws EM-Aufgebot.

Aber Draxler diente auch so schon als Argument für eine strategische Entscheidung. Kürzlich hat der Verein beschlossen, für 13 Millionen Euro ein neues Trainingszentrum zu bauen; eine Investition, die schon länger in Planung war, zu deren Realisierung man aber kein Geld übrig hatte. 13 Millionen hatte übrigens der Erwerb von José Jurado gekostet. Auch ein neues Stadion für die Jugendteams gehört zum Bauprojekt. Unter anderem, weil die bisherigen Spielstätten einen Standortnachteil zur Konkurrenz in Dortmund bedeuteten.

Künftig wolle man jedes Jahr man einen Draxler hervorbringen, hat Trainer Stevens gesagt. Ein paar Talente sind in den Blick geraten, auch der Sohn des früheren Torjägers Martin Max gehört dazu, und als neulich über die kniffligen Verträge der Stars Raúl, Farfán und Huntelaar diskutiert wurde, konterte Heldt mit einer preiswerten Alternative: dem 18-jährigen Junioren-Torjäger Philipp Hofmann. Einstweilen geht es für den Manager erst mal darum, nach den Vertragsverlängerungen mit Papadopoulos (bis 2015) und Draxler (bis 2016) das Bleiben von Holtby und Matip zu sichern.

Julian Draxler, der einer Familie mit königsblauer Gesinnung entstammt, wird am Samstag seine erste echte Derby-Erfahrung machen. Bisher kann er nur einen Vier-Minuten-Einsatz vorweisen, und im Stadion hat er lediglich einmal zusehen dürfen, sein älterer Bruder Patrick hatte das Vorrecht auf die Familien-Dauerkarte. Den Dortmunder Weg, hat Draxler jetzt versprochen, werde es für ihn nie geben: "Was ich definitiv ausschließen kann, ist ein Wechsel zum BVB." Worte, die man in Schalke und in Dortmund gerne hören wird.

© SZ vom 26.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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