Investments aus Saudi-Arabien:Der Sport ist selbst schuld

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Offenbar Objekt der saudi-arabischen Begierde: Der Radsport (hier der Zielsprint beim Klassiker Mailand-Sanremo) steht vor Umwälzungen. (Foto: Gian Mattia D'Alberto/dpa)

Erst Fußball und Golf - jetzt Tennis und Radsport? Saudi-Arabien hat die nächsten Sportarten im Visier. Und deren Verfasstheit macht es der Diktatur auch leicht.

Kommentar von Johannes Aumüller

Die Tennisszene ist gerade ganz aufgeregt. Spätestens seit vergangener Woche steht im Raum, dass bald Geldgeber aus Saudi-Arabien groß einsteigen. Um ein mögliches Milliarden-Investment geht es, einen bevorstehenden Machtkampf und entsprechend einschneidende Veränderungen, die den Sport ereilen könnten.

Auch die Radszene ist gerade ganz aufgeregt. Schon etwas länger steht hier ebenfalls im Raum, dass bald Geldgeber aus Saudi-Arabien groß einsteigen. Hinter den Kulissen schieben einflussreiche Figuren ein Projekt namens "One Cycling" an, das den Sport erheblich umkrempeln würde - als Anschubfinanzierung sollen rund 250 Millionen Euro aus Arabien dienen.

Der saudische Einfluss auf den Sport, das ist die überwölbende Erzählung dieses Sportjahrzehnts. Im Fußball ist ein Großangriff erfolgt, ebenso im Golf, in vielen anderen Disziplinen zumindest ein punktueller. Dass Tennis und Radsport nun besonders ins Visier geraten, passt natürlich bestens in die Strategie der Diktatur, sich mit viel Geld den Sport untertan zu machen und mit Hilfe des Sports das Ansehen des eigenen Landes aufzuwerten. Und viele im Sport nehmen dieses Geld gewiss sehr gerne. Aber zum Gesamtbild gehört: Diese beiden Sportarten eignen sich aufgrund ihrer inneren Verfasstheit auch bestens für einen saudischen Angriff.

Es gibt zu viele Wettkämpfe - und zu viele Interessengruppen

So unterschiedlich die Lage im Tennis und im Rad sein mag: In zentralen Fragen haben sie manches gemeinsam. In beiden Sportarten gibt es einen proppenvollen Wettbewerbskalender, der wie ein Flickenteppich daherkommt. Die Jahreshöhepunkte sind zwar klar, aber abseits der Kernklientel bekommt kaum jemand mit, ob gerade noch in Katalonien retourniert oder schon wieder in Indian Wells pedaliert wird (oder war's andersherum?).

Daneben tummeln sich in beiden Sportarten diverse Interessengruppen, die sich Verteilungskämpfe liefern: von ATP/WTA bis zu den Grand Slams im Tennis, vom mächtigen Tour-Veranstalter Aso bis zu rivalisierenden Team-Vereinigungen im Radsport, dazwischen jeweils noch diverse andere Veranstalter und ein Weltverband, der weit weniger mächtig ist als die Weltverbände in anderen Sportarten.

Eigentlich bedarf es einer Reform

An einem Strang ziehen die Beteiligten viel zu selten. Nur eines von vielen Beispielen, das diesen Konflikt verdeutlicht: Es gibt in den beiden Sportarten keine Zentralvermarktung. Da wird viel verschenkt, und insgesamt viel zu schlecht weg kommen durch diese Auseinandersetzungen die Athleten und ihre Rechte; vor allem, wenn man nicht an die Gruppe der absoluten Spitzenkräfte, sondern ans breite Teilnehmerfeld denkt.

Nun gehören unterschiedliche Interessen zur Natur der Sache und wird es diese immer geben. Aber es liegt auf der Hand - im Radsport gewiss noch mehr als im Tennis -, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher. Es bedarf einer grundsätzlichen Reform des Wettkampfkalenders, einer anderen Vermarktung und auch einer anderen Verteilung der Gelder. Und wenn etablierte Kräfte der Sportarten das nicht begreifen, müssen sie sich nicht wundern, wenn da plötzlich ein saudischer Investor die entscheidende Rolle übernimmt.

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