Golf:Einen solchen Ryder Cup hat es noch nie gegeben

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An eine römische Gladiatorenarena angelehnt: Der erste Abschlag im Marco Simone Golf Club, an dem am Freitag der Ryder Cup beginnt. (Foto: Carl Recine/Reuters)

Siegesarien zum Sonnenaufgang, Pasta al dente an Loch elf, ein Traumstart der Gastgeber: Bereits vor dem Wochenende wird in Rom klar, wie einmalig das Turnier diesmal ist.

Von Felix Haselsteiner, Rom

Nur ein einziges Mal erklingt am Freitagmorgen kurz Musik aus den Lautsprechern an dem Ort, den sie hier "Golfosseo" nennen. Angelehnt an das 17 Kilometer entfernte Kolosseum, die antike römische Gladiatorenarena mit ihren ikonischen Bögen, ist die Gestaltung der Arena um den ersten Abschlag im Marco Simone Golf Club - der zentrale zeremonielle Ort beim Ryder Cup. Als die ersten der 5000 Zuschauer, die auf der Tribüne Platz haben, sich ab 6 Uhr einfinden, liegt er noch im Dunkeln. Dann, um kurz nach sieben, mit Sonnenaufgang, erklingt Puccini.

"Nessun dorma", niemand schlafe, hallt über den ersten Abschlag. Die Arie, die der Prinz Kalaf in der Oper Turandot anstimmt zu Beginn des Tages, an dem sich sein Schicksal entscheiden wird, haben die Italiener als hochkulturelle Ouvertüre zu diesem Golfturnier ausgewählt. Und zum Ende hin haben zumindest die anwesenden Italiener ein triumphierendes Lächeln auf den Lippen, sie erkennen das wundervoll Prophetische in den Zeilen: "All'alba vincerò, vincerò, vin-ce-rò", zum Sonnenaufgang werde ich siegen!

Nicht jedem geht das allerdings so. "Oh, welches Lied war das?", fragt eine Amerikanerin im Zuschauerraum, und ihr Ehemann antwortet: "Ich glaube, das war Bocelli."

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Schon vor dem Start des Ryder Cups versuchen sich das europäische und das US-Team mittels Datenanalyen auszutricksen. Als Tüftler im Hintergrund stehen sich dabei gegenüber: Edoardo Molinari, der Herr der Zahlen, und Jason Aquino, ein ehemaliger Pentagon-Mann.

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Bocelli, Puccini, man verliert sich ungern in solchen Details auf Seiten der Gäste aus den USA, die sich einmal mehr im kontinentalen Europa auf einem Golfplatz messen müssen, wo immer alles so puristisch ist. In Paris 2018 überließ man zum Auftakt die Bühne den Tausenden Zuschauern und ihren selbst gedichteten Liedern auf die Spieler; sie leiteten einen dreitätigen europäischen Triumph ein in einer Atmosphäre, in der die Amerikaner fremdelten wie immer: Seit 30 Jahren hat das US-Team nicht mehr in Europa gewonnen. Sie mögen es eben lieber laut. In Wisconsin 2021 waren am ersten Abschlag Rock-Klassiker zu hören, die USA gewannen am Ende 19:9.

Der Ryder Cup in Italien ist auch ein angenehmer Fingerzeig an den Golfsport, der sich im Moment in zwei Welten teilt

Dass so etwas erneut gelingt bei diesem Ryder Cup alla Italia, darf bezweifelt werden, wenn man zumindest die ersten vier Duelle am Freitag heranzieht: 4:0 für Europa, das gab es in der 96 Jahre langen Geschichte dieses Turniers noch nie! Auch am Nachmittag: Keine europäische Schwäche erkennbar, am Abend steht es 6,5:1,5. Und Rom, die ewige Stadt, bietet die Bühne dafür und hat die Gelegenheit angenommen auf ihre eigene, italienische Art.

Der Marco Simone Golf Club wurde einst rund um eine Burg errichtet, die etwa 700 Jahre vor der Entdeckung Amerikas gebaut wurde. Perfektion allerdings sucht man vergeblich. Während in den reichen, privaten Klubs der Amerikaner, die meist den Ryder Cup ausrichten, jeder Grashalm mit der Nagelschale bearbeitet wird, was dem Zuschauer offenbar das Gefühl vermitteln soll, dass er an solch einem elitären Ort eigentlich nichts verloren hat, ist vor den Toren Roms alles ein bisschen improvisiert - und einladend.

Traumstart: Ludvig Aberg (links), Viktor Hovland (rechts) und Team Europa gewinnen die ersten vier Duelle. (Foto: Mathias Bergeld/Bildbyran/Imago)

Am Straßenrand vor dem Haupteingang liegen Metallteile herum; das Gras, auf dem nicht Golf gespielt wird, ist nach dem langen Sommer erdig braun; der Whirlpool, der neben dem Pressekonferenzzelt steht, ist kurzfristig mit einer grünen Plane abgedeckt worden. Nicht das Land hat sich an den Perfektionismus des Ryder Cup angepasst, sondern andersrum. In Italien bleibt alles verhandelbar: Bei der Einfahrt steht ein großes Schild mit der Aufschrift "No Taxi", aber der Taxifahrer, der laut genug aus dem Fenster flucht, darf weiterfahren.

Es ist auch ein angenehmer Fingerzeig an den Golfsport, der sich im Moment in zwei Welten teilt, die beide Gefahren bergen. Die eine prägt der alte Elitarismus, die ewige Traditionsliebe, die bisweilen eingerostet wirkt, wenn sie zum Selbstzweck wird und den Sport verschlossener, männlicher und weißer wirken lässt, als er ist. Die andere ist der laute Extremismus des neuen Reichtums, den die Saudi-Araber mit ihren Milliarden geschaffen haben und der absurd wirkt, sobald man in Rom sieht, wie emotional ein Kampf um Punkte für den eigenen Kontinent sein kann, mit dem keiner der 24 beteiligten Spieler seinen Kontostand verändern wird.

Das Turnier erzählt auf vielen Ebenen über Europa und die USA

In Rom werden all diese Debatten gekonnt ignoriert, wichtiger ist, dass die Pasta am Stand neben Loch elf al dente ist. Natürlich hat auch dieser Ryder Cup mit Geld zu tun. Die Italiener hätten ihn wohl nicht bekommen, hört man, hätten sie damals 2015 nicht große Investments versprochen wie etwa die Förderung des nationalen Turniers, der Italian Open: Dort sollte für mindestens zehn Jahre ein deutlich erhöhtes Preisgeld ausbezahlt werden, um Werbung zu machen, das war der Deal mit den Entscheidern im europäischen Golf, den andere Nationen offenbar nicht eingehen wollten - darunter Deutschland, das sich mit Bad Saarow vor den Toren Berlins für den Ryder Cup 2023 beworben hatte.

Die Italiener versprachen viel und erfüllten davon nur recht wenig. Dafür kommt das Improvisationstalent zum Vorschein, wenn etwa der Shuttle-Bus zum Platz am frühen Freitagmorgen zu spät losfährt. "Mi scusi, signori", sagt der Fahrer, dann biegt er kurzum in eine Spur ab, die für die Polizeifahrzeuge reserviert ist, um Zeit gutzumachen. Im Gegenzug verzeihen die Kellner in Trastevere den amerikanischen Touristen in ihren Golfpolos, die Carbonara bestellen und dann die Spaghetti klein schneiden.

Es ist das beachtliche Verständnis der Kulturen füreinander, das den Ryder Cup zu einer Veranstaltung macht, die auf vielen Ebenen über Europa und die USA erzählt. Es zeigt sich die beste Seite eines Kontinents, der gerade im rechts wählenden Italien nicht immer den besten Ruf genießt. Der aber dann unter der blauen Flagge mit den gelben Sternen zusammenfindet, wenn Österreicher Putts von Schweden bejubeln, Iren sich über Schläge von Dänen freuen und auch die Briten zur Gruppe gehören. Europa findet sich in einer sportlichen Rivalität mit den USA, die wiederum einfach so bleiben, wie sie sind. Kapitän Zach Johnson beendet seine Eröffnungsrede mit einem euphorisch falsch ausgesprochenen "Grazia".

Was bleiben wird von diesem Ryder Cup ist jedenfalls mehr als der Sport, wenngleich der ja auch schon zu Beginn gleich historisch war, mit den vier Auftaktpartien, die alle die Europäer gewannen. Aber vor den Toren Roms, wo man von einer Anhöhe aus an Loch zwölf in der Ferne die Kuppel des Petersdom sehen kann, kann man förmlich spüren, wie zuhause sich die europäischen Spieler fühlen, während sie auf dem Platz daran arbeiten, Kalafs Prophezeiung zu erfüllen.

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