Sportpolitik:Russlands EM-Bewerbung ist eine Provokation

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Fifa-Präsident Gianni Infantino (links) zählt zu den Sportfunktionären, die traditionell ein besonders enges Verhältnis zu Wladimir Putin und Russland hatten. (Foto: Alexei Nikolsky/AP)

Russlands Interesse, die Fußball-EM 2028 und 2032 auszurichten, ist aussichtslos. Aber der Vorgang zeigt: Russland ist im Sport keineswegs so isoliert, wie die Verbände gerne behaupten. Es braucht schärfere Sanktionen und Maßnahmen.

Kommentar von Johannes Aumüller

An Chuzpe und Zynismus hat es russischen Sportfunktionären bekanntlich noch nie gemangelt, aber nun haben sie nochmal ein besonders derbes Beispiel geliefert. Während der Kreml einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, hinterlegt Russland bei Europas Fußball-Union offiziell, dass es sich für die Ausrichtung der EM 2028 oder 2032 bewerben möchte. Sein Land habe doch Erfahrung bei der Organisation großer Sportveranstaltungen und eine fertige Infrastruktur, lässt der Fußballverbandschef Alexander Djukow wissen. Und der Krieg, nun ja, die Situation sei doch "sehr dynamisch".

Nun sollte zwar, wie die Vergangenheit zuhauf lehrt, bei der Vergabe großer Sportevents grundsätzlich nichts ausgeschlossen werden. Und im vergangenen Jahrzehnt durfte Russland trotz eines Krieges im Kaukasus, einer Krim-Annexion und dem Einmarsch in die Ostukraine Olympische Winterspiele, eine Fußball-WM und eine Reihe anderer Großereignisse ausrichten. In der aktuellen Lage aber rechnen nicht einmal Djukow & Co. selbst damit, dass es 2028 oder 2032 zu EM-Spielen in Moskau oder Sankt Petersburg kommt. Da dient die Kandidatur vor allem als ein politisches Zeichen an die eigene Bevölkerung und ließe sich die Niederlage als böses anti-russisches Handeln darstellen.

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Doch zugleich ist die Bewerbung ein entlarvendes Beispiel für den Umgang des organisierten Sports mit Russlands Kriegsregime. Zwar tun die Verbände gerne so, als gingen sie streng vor; zwar sind in diversen Sportarten russische Mannschaften und russische Einzelsportler ausgeschlossen worden, zuletzt im Schwimmen. Tatsächlich aber ist Russland im Sport nicht wirklich isoliert, sondern weiter eingebunden in das System, in dem es in den vergangenen Jahren auf gezielte Art so viele Abhängigkeiten schuf - und bräuchte es schnell schärfere Sanktionen und Maßnahmen.

Das IOC ignoriert einfach, wie politisch geprägt Russlands Olympia-Komitee ist

Noch immer sitzen in wichtigen Gremien viele russische Repräsentanten, etwa der Fußballverbandschef und Gazprom-Manager Djukow in der Uefa-Exekutive oder gleich vier Mitglieder (zwei ehrenhalber, zwei reguläre) im Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Aber besonders zeigt sich die mangelnde Konsequenz des Sports darin, dass die großen Sportföderationen dieser Welt den jeweiligen russischen Fachverband weiterhin als ihr Mitglied führen. Das ist die Grundlage dafür, dass Gelder und Fördermittel ins russische Sportsystem fließen können.

In negativer Form stilbildend waren in dieser Frage mal wieder das IOC und sein Präsident Thomas Bach, die die fällige Suspendierung von Russlands Olympia-Komitee mit dem schrägen Argument unterließen, dieses sei doch "nicht verantwortlich" für den Krieg. Dass in Russlands Sport traditionell die Staatsspitze den Ton angibt und im Olympia-Komitee enge Gefolgsleute von Wladimir Putin sitzen, überging das IOC geflissentlich. Wahrscheinlich hätte es nicht mal in dem Fall gehandelt, wenn dort Putin nicht nur faktisch das Sagen, sondern auch formal irgendeine Funktion innehätte.

Nun ist es nach der Provokationsidee für die Europameisterschaften 2028 und 2032 an der Uefa, klar zu reagieren - mit einer Suspendierung des russischen Fußballverbandes. Dann könnte Russland schon formal gar keine Bewerbung einreichen.

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