Hilfe für die Ukraine:Mit sechs Geflüchteten im Van nach Bayern

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Auf zur ungarisch-ukrainischen Grenze: Hans Haslreiter vor seinem vollgepackten Van. (Foto: oh)

Die Fußballbasis zeigt sich solidarisch: Auch im Kleinen wird für die Menschen aus der Ukraine ganz pragmatische Hilfe organisiert - wie die Geschichte eines Fußball-Internats in Bad Aibling zeigt.

Von Ron Ulrich

Am Montag nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine saß Hans Haslreiter Hunderte Kilometer entfernt in Bayern beim Schafkopfspielen. Der Jugendcoach beim Deutschen Fußball-Internat, einer durch private Gelder finanzierten Fußballschule, hatte gerade seinen Urlaub begonnen. Just nach dem Kartenspiel schickte aber der Schulleiter einen Hilferuf per Mail. Haslreiter las darin, dass in den kommenden Tagen dringend Freiwillige benötigt würden, die mit einem Van ukrainische Geflüchtete nach Deutschland holen. "Eigentlich wollte ich am nächsten Tag in den Skiurlaub aufbrechen", sagt Haslreiter, "aber dann dachte ich mir: Okay, machst du etwas Sinnvolles."

Am nächsten Tag postete er seinen Plan auf den sozialen Netzwerken. Innerhalb weniger Stunden spendeten die Menschen aus der Umgebung so viele Lebensmittel, Hygieneartikel oder Babykleidung, dass Haslreiters Van bei der Abfahrt randvoll war. 1970 Kilometer legte er in den drei folgenden Tagen insgesamt zurück, brachte die Hilfsgüter an die ungarisch-ukrainische Grenze in Záhony - und sechs Geflüchtete nach Bayern. "Diese Woche werde ich in meinem Leben so schnell nicht vergessen", sagt Hans Haslreiter.

Mit sechs Geflüchteten aus der Ukraine zusammen im Van: "Diese Woche werde ich in meinem Leben so schnell nicht vergessen", sagt Hans Haslreiter. (Foto: oh)

Der Fußball sendet in Zeiten des Krieges eindrucksvolle Bilder der Solidarität, wenn auf Videowürfeln Botschaften und Appelle erscheinen. Im Kleinen, wie im Fall von Hans Haslreiter, zeigt er seine pragmatische Hilfe. Der Oberligist MSV Pampow aus der Nähe von Schwerin etwa holte 51 Geflüchtete im Mannschaftsbus ab; auch unzählige Fan-Initiativen, Ultragruppen oder der Nationalspieler Matthias Ginter organisierten Hilfslieferungen. Ihre Berichte zeigen aber auch, welche Schwierigkeiten vor Ort auftauchen.

Die Organisation läuft über Improvisation - und die internationalen Kontakte des Fußballs

So erzählt Haslreiter von Schikanen der ungarischen Grenzer: "Ich wurde nicht in die neutrale Zone gelassen, um die Ladung zu übergeben. Ich hatte zwar einen Dolmetscher am Handy dabei, aber die Beamten blieben stur. Viele Ukrainer erzählen, dass die Ungarn nicht gerade hilfsbereit waren." Haslreiter lieferte die Spenden aus dem Van 300 Meter weiter bei einem Ukrainer ab, auf der ungarischen Seite; von dort aus wurden sie von einem weiteren Kontaktmann später abgeholt.

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Die Organisation in diesen Zeiten läuft eben über Improvisation - und die internationalen Kontakte des Fußballs. Der Kiewer Jugendtrainer Eugen Bantysh floh aus seiner Heimatstadt an die Grenze in der Westukraine; von dort aus versucht er, die jugendlichen Fußballer, ihre Mütter und Geschwister in Sicherheit zu bringen - Bantysh stellte den Kontakt zum Fußball-Internat her. Er sagt am Telefon: "Wichtig ist, dass die Kinder wieder im Verein spielen, damit ihre Integration erleichtert wird." Das Fußball-Internat in Bad Aibling hat nun 20 Geflüchteten eine Herberge organisiert - drei Jungs und ein Mädchen aus der Ukraine trainieren schon bei der U 14 von Haslreiter mit.

Der 14 Jahre alte Sasha aus Kiew spielt schon seit fünf Monaten für das Deutsche Fußball-Internat in der U-15-Regionalliga; er hatte sich als Jugendspieler von Dynamo Kiew in einem Camp empfohlen. Nach dieser kurzen Zeit kann Sasha schon passabel auf Deutsch am Telefon sprechen, er meldet sich gar mit "Servus". Seinen Nachnamen will er aber aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht wissen, zu präsent erscheint ihm die Gefahr in seiner Heimat. Seine Mutter, Schwester und eine Freundin sind vier Tage lang mit dem Zug über Salzburg nach München geflüchtet, alle wohnen nun in einer vom Internat organisierten Unterkunft. Aber: "Mein Vater ist noch in Kiew, ich telefoniere jeden Tag mit ihm - und höre dann die Sirenen."

Sasha verfolgt noch immer zwei Träume: in Deutschland Profi zu werden und irgendwann wieder seine Heimat besuchen zu können. Die Hoffnung aber, alle Freunde wieder zu treffen, hat er aufgegeben. Die meisten seien nun in ganz Europa verstreut, sagt er, und einer kehre nie wieder zurück: "Sasha-Oleksandr und seine Familie wurden bei der Flucht auf offener Straße von einem russischen Panzer beschossen. Sie haben es nicht überlebt. Mein Freund war auch ein guter Fußballer beim FC Atlet. Er wurde nicht älter als 15 Jahre."

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