Spaniens "Kuss-Affäre":Hermoso senkt den Daumen

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Unter Bedrängnis: Der spanische Verbandschef Luis Rubiales sieht sich mit Rücktrittforderungen konfrontiert, nachdem er bei der WM-Siegerehrung die Spieler Jenni Hermoso ungefragt auf den Mund geküsst hat. (Foto: Gabriel Bouys/AFP)

Der spanische Fußballverband ermittelt in der "Kuss-Affäre" - und auch die Politik erhöht den Druck. Nun fordert auch die ungefragt geküsste Spielerin Jenni Hermoso eine "exemplarische Maßnahmen" gegen Verbandschef Rubiales.

Von Javier Cáceres

In der "Kuss-Affäre" wird die Luft für den affärenumtosten spanischen Fußball-Verbandschef Luis Rubiales immer dünner. In einer Mitteilung, die am Mittwoch von der Spielerinnengewerkschaft FutPro verbreitet wurde, forderte Weltmeisterin Jenni Hermoso "exemplarische Maßnahmen" gegen Rubiales. Hermoso war bei der Siegerehrung der Frauen-WM in Sydney auf dem Podest von Rubiales auf den Mund geküsst worden. Damit bricht eine der letzten denkbaren Verteidigungslinien von Rubiales in sich zusammen. Er sieht sich seit Tagen einer Reihe von Rücktrittsforderungen aus Politik und Medien, von Sportfunktionären und sogar von klassischen Gewerkschaftsbossen ausgesetzt.

Der Verband bestätigte, eine Untersuchung des Vorfalls eingeleitet zu haben. Zudem wurde für Freitag eine Sondersitzung des Verbandes einberufen, bei der es bis zuletzt als sicher galt, dass die Regionalfürsten Rubiales stützen werden. Denn die Zuwendungen für die Regionalverbände haben sich seit Beginn der Amtszeit von Rubiales im Jahr 2017 multipliziert. Die Positionierung von Hermoso könnte die Lage noch ändern. Zumal im Raum steht, dass eine angebliche Stellungnahme von Hermoso, die unmittelbar nach Ausbruch der Affäre vom Verband an die Medien verschickt worden war und den Vorfall herunterspielte, nicht mit ihr abgesprochen war. Zudem soll Hermoso gedrängt worden sein, in dem Video aufzutreten, in dem Rubiales halbherzig um Entschuldigung bat.

Ärger droht Rubiales auch auf sportrechtlicher Ebene. Der Chef der obersten spanischen Sportbehörde, Víctor Francos, bestätigte, dass vier Anzeigen gegen Rubiales eingegangen seien - unter anderem von der stellvertretenden Ministerpräsidentin Yolanda Díaz. Ihr Ziel: der Entzug der Befähigung, einen nationalen Sportverband zu führen. Diese Entscheidung kann das oberste spanische Sportgericht TAD treffen - auf Antrag der Regierungsbehörde CSD. Rubiales selbst lehnt einen Rücktritt ab. Sein Jahressalär als RFEF-Präsident beläuft sich auf 675 000 Euro.

Im Lichte der Vorwürfe - sowie seinem wilden Griff an sein Geschlechtsteil auf der Ehrentribüne - erhielten alte Sexismus-Vorwürfe gegen Rubiales neue Aktualität. So meldete sich Tamara Ramos, die frühere Marketing-Leiterin der Spielergewerkschaft AFE zu Wort, die Rubiales leitete, ehe er 2018 an die Spitze des Fußballverbandes rückte.

Der Vorfall überrasche sie nicht, er passe zu ihren Erlebnissen mit Rubiales, so Ramos. Zu den "sendefähigen" Kommentaren, die sie ertragen habe müssen, habe Rubiales' Bemerkung gezählt, dass sie "hergekommen sei, um sich Knieschoner überzuziehen" - und Fragen nach der Farbe ihrer Unterwäsche. Ramos hatte die AFE nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Mobbings verklagt.

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