Robin Dutts Entlassung in Leverkusen:Und die Fankurve schunkelt zum Abschied

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Bayer Leverkusen beendet das sportlich wenig zufriedenstellende Kapitel Robin Dutt und verpflichtet als Teamchef vorübergehend den ehemaligen Profi Sami Hyypiä - im Sommer könnte ein Trainer übernehmen, der seit längerem auf die Möglichkeit wartet, eine deutsche Spitzenmannschaft zu coachen.

Andreas Burkert, Leverkusen

0:2 nach einer Stunde, das ist aufzuholen. Ein Tor nach einem Eckball, und die doch recht fehlerhaften Freiburger wären nervös geworden. Aber in dieser 63. Minute wird auch Robin Dutt gewusst haben, dass er dieses Spiel nicht mehr gewinnen konnte, das zähe Machtspiel um seinen Job. Denn durch die Leverkusener Arena drangen zwar wenige Minuten nach Freiburgs 2:0 jene Gesänge, die er sich im Grunde immer gewünscht hat während seiner 275-tägigen Amtszeit: "Robin Dutt!!!"

Einfach nur sein Name, ohne weitere Zusätze aus dem Fäkaliengenre oder sonstige Desavouierungen. Doch der Kern der Bayer-04-Kundschaft feierte Dutt nicht, er besiegelte in diesen Sekunden nur ironisch das, was nicht mal ein später Doppelschlag nach zwei Eckbällen hätte verhindern können: Dutts Entlassung.

Dass es dazu sonntags eine Pressekonferenz geben würde, sollte die Partie gegen den Abstiegskandidaten verloren gehen, das hatte schon zur Pause die Runde gemacht. Etwas überraschend war dann nur, dass am Tag nach dem 0:2 gegen Dutts früheren Klub die Hauptperson zunächst mit am Pult saß. Dutt, 47, hatte sich das ausbedungen, ebenso den Abschied vom Kader ohne Anwesenheit von Sportchef Völler und Geschäftsführer Holzhäuser.

Neben den beiden erklärte er sich danach offiziell, und er tat das sinnigerweise mit jenem Fingerspitzengefühl, das ihm in den Monaten zuvor offenbar gefehlt hatte in der internen und externen Kommunikation. "Der Schritt ist aus Sicht des Vereins nachzuvollziehen", sagte er, da nun sogar das Startrecht in der Europa League in Gefahr geraten ist. Er sei ja selbst "nicht zufrieden mit meiner sportlichen Leistung". Deshalb liege "der Schlüssel bei mir", obwohl insgesamt sehr viele Dinge zusammengekommen seien.

Dann stand Dutt auf, er hatte seinen Schlüsselbund in der Hand und verließ den Saal durch eine Seitentür zum Aufzug. Zurück blieben Rudi Völler, Wolfgang Holzhäuser und die Tür. Durch diese trat eine Minute später der Nachfolger herein: Sami Hyypiä, der neue Teamchef.

Es menschelte also am Ende dieser komplizierten Beziehung ein wenig. Und doch bleibt nach dem wohl nur interimistischen Wechsel auf Hyypiä, den früheren Bayer-04-Innenverteidiger und aktuellen Co-Trainer der finnischen Nationalelf, das Bild eines heillos zerrütteten Verhältnisses zurück. Gegen seine Freiburger Freunde verlor Dutt, das realisierte er selbst, endgültig den Zugang zum Team, zu dessen Spiel und dem Publikum.

Das Stadion schunkelte fröhlich beim Anblick einer dilettierenden Elf. Bei Auswechslungen klatschte Dutt seine Leute schon nicht mehr demonstrativ ab wie sonst. "Es standen elf Spieler auf dem Platz", sagte der Augenzeuge Hyypiä, 38, "aber keine Mannschaft."

Dutts vorzeitiger Abschied zum Sommer trotz des Vertrags bis 2013 war offenbar bereits unter der Woche vom Gesellschafter-Ausschuss des Werksklubs abgesegnet worden. Mit dem Ziel Meisterschaft war der Schwabe angetreten - doch selbstbewusstes, oberlehrerhaftes Auftreten, irritierende Vorgaben und Verhaltensregeln sowie auch der von allen schlecht moderierte Machtkampf mit einem alternden Michael Ballack gingen einher mit der Verkümmerung des einst so ansehnlichen Leverkusener Spiels.

Nach dem 2:0 gegen den FC Bayern vor vier Wochen schien intern eine Wende möglich zu sein - es folgten fünf Nieder- lagen, darunter das 1:7 beim FC Barcelona und zuletzt zwei verstörende Punktpartien, in Schalke (0:2) und nun gegen Freiburg. "Nach dem Sieg gegen die Bayern dachten alle, dass wir die Kurve kriegen", sagte Völler. Doch das Debakel in Barcelona habe dem Team "vielleicht doch mehr zugesetzt, als wir wahrhaben wollten". Gegen Freiburg sei der Auftritt "von Angst geprägt" gewesen.

Trainerwechsel in der Bundesliga
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Die Trennung zwischen Bayer Leverkusen und Robin Dutt ist bereits der achte vorzeitige Trainerwechsel in dieser Bundesligasaison. Schon vor Dutt erwischte es diverse Übungsleiter - zwei davon sogar bei einem Klub.

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In der Tat genügte sehr vages Freiburger Pressing, um die längst spektakulär schlichte Spieleröffnung der Bayer-Defensive zu entlarven. Auf der Tribüne saß Bundestrainer Joachim Löw, wegen Gonzalo Castro, der diese Saison neben (dem verletzten) Lars Bender und Torwart Bernd Leno einziger Leverkusener von Format ist. Castro bereitete das 0:1 von Julian Schuster mit einem allzu lässigen Abwehrversuch vor.

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Und Castro ließ beim 0:2 Daniel Caligiuri gewähren wie auch Kapitän Simon Rolfes; diese beiden Stammkräfte haben es angeblich nicht sonderlich gehabt mit Dutt, ebenso wohl Stürmer Stefan Kießling. Aber Dutt kartete nicht nach, er beließ es bei seinem Abschied beim vielsagenden Lob: "Viele junge Spieler, die mir die Stange gehalten haben, die haben Gas gegeben."

Nach dem an vergleichbaren Attitüden gescheiterten Trainer Bruno Labbadia, der Autorität Jupp Heynckes und Dutt versucht Bayer im Frühjahr 2012, mit Respektsperson Hyypiä und dem bisherigen A-Jugendcoach Sascha Lewandowski, wenigstens Rang sieben zu schaffen. Der reicht diesmal für "das Minimalziel", wie Holzhäuser den kleinen Europacup nannte.

Der finnische Nationalheilige Hyypiä (105 Länderspiele, Uefa-Cup- und Champions-League-Sieger mit dem FC Liverpool) hatte 2011 in Leverkusen seine Karriere beendet und einen ab Sommer 2012 gültigen Anschlussvertrag als Co-Trainer erhalten. Zurzeit macht er in seiner Heimat den Trainerschein ("Bis Sommer bin ich aber frei") - ein Praktikum absolvierte er bei Dutt. Lewandowski, 40, besitzt die DFB-Lizenz.

Dieses Duo sei eine Lösung, die "auch länger halten kann", sagte Holzhäuser. Doch in Leverkusen gilt als wahrscheinlich, dass auch das ein Ablenkungsmanöver ist, wie die Äußerungen zu Dutt in den zurückliegenden Tagen: Nach SZ-Informationen hat es Anbahnungsgespräche mit Ralf Rangnick gegeben, der nach überstandenem Burnout-Syndrom ab Juli wieder arbeiten wird. Rangnick, 53, könnte das sein, was Bayer 04 bisher vergebens suchte, ein sogenannter Konzepttrainer mit Autorität. Beide Seiten, so ist zu hören, können sich eine Zusammenarbeit vorstellen.

© SZ vom 02.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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