Regionalliga Bayern:42,5 Stunden Daumen drücken

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Wie viel Frust ist nötig? Gleich nach dem 1:3 sind Ansbachs Jonas Bayerlein (li.) und Niklas Seefried tief enttäuscht. Ihr gemeinsames Zittern dauert dann länger. (Foto: Alexander Schlirf/Zink/Imago)

Erst zwei Tage nach ihrer Niederlage im Relegationsspiel gegen den FC Memmingen wissen die Fußballer der SpVgg Ansbach, was das für sie bedeutet. Der Erfolg der SpVgg Unterhaching hat auch sie gerettet - und die ganze Stadt feiert mit.

Von Andreas Liebmann

Samstagabend, inzwischen sind bereits fast 23 Stunden vergangen. "Die Niederlage ist gegessen", versichert Harald Riegler - und meint das wörtlich. 1:3 (1:2) hat seine SpVgg Ansbach am Freitagabend das Relegationsrückspiel der zweiten Runde zur Regionalliga Bayern verloren. Dem FC Memmingen war damit der Wiederaufstieg geglückt, Rieglers Team dagegen hat den Ligaverbleib nicht sichern können. Sie seien dann eingekehrt im Lokal des Vereinsvorsitzenden, erzählt Abteilungsleiter Riegler, 68, es ist Altstadtfest in der fränkischen Stadt, überall Musik und Trubel, und gegen drei, vier Uhr morgens seien die Spieler vom Chef ein weiteres Mal bekocht worden. So kann man Frust natürlich auch verdauen. Riegler schwärmt vom Teamgeist in seinem Klub. Nur: Wie viel Frust ist eigentlich angebracht?

"Die Situation ist seltsam, ganz klar", bestätigt Riegler an diesem Samstagabend, "so etwas war ja noch nie da."

Wenn einer wie er so etwas sagt, heißt das was, der Rentner mit Spitznamen Festus ist nebenher als Sportjournalist tätig, seit vier Jahrzehnten. Das Seltsame ist ja: Sie haben zwar verloren, die Ansbacher, aber sie haben keinen Schimmer, was das für sie heißt. Denn das soll sich auf einem anderen Platz entscheiden, erst zwei Tage später, genauer: 42,5 Stunden danach. Bis dahin heißt es: Warten. Rätseln. Vielleicht "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten" vor sich hin summen. Und dann: zuschauen, wie die SpVgg Unterhaching spielt. Denn einzig von deren Rückspiel um den Aufstieg in die dritte Liga am Sonntagnachmitag hängt nun alles ab. Sie entscheidet, was auf die Niederlage vom Freitag für die SpVgg Ansbach folgt. Hachings Coach Sandro Wagner werde sich mit einem Aufstieg verabschieden wollen, das zumindest ist Rieglers Hoffnung.

43 Stunden später wissen sie dann alle mehr. "Haching hat das wirklich souverän gemacht", kommentiert Riegler erleichtert den Hachinger Aufstieg, der das Werk des Klubpräsidenten Manfred Schwabl sei, wie er sagt. Mit einem 2:0 hat der Meister aus dem Münchner Vorort auch das Zittern der Mittelfranken beendet.

Vorgesehen war alles mal ganz anders, da kann man auch dem Verband keinen großen Vorwurf machen. Zwei Relegationsrunden waren angesetzt, die Zweiten der Bayernliga-Gruppen Süd und Nord duellierten sich in Runde eins mit zwei Regionalligisten. Die Verlierer sind aus dem Rennen - in diesem Fall der Bayernliga-Zweite DJK Gebenbach und der Regionalliga-16. VfB Eichstätt. Und die Gewinner sollten nur dann noch gegeneinander antreten, falls es keinen bayerischen Aufsteiger in die dritte Liga gibt, im konkreten Fall also: Wenn die SpVgg Unterhaching gegen Cottbus ausgeschieden wäre. Ansonsten wären nämlich ohnehin zwei Regionalligaplätze frei, "eine zweite Runde wäre hinfällig", heißt es dazu auf der Homepage des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV). Auch der kann allerdings nichts dafür, dass Cottbus dann das Finale des brandenburgischen Landespokals erreichte und sich die Aufstiegsspiele zur dritten Liga deshalb so weit nach hinten schoben, dass die zweite Runde zur Regionalliga Bayern aus Termingründen quasi auf Verdacht ausgetragen wurde. Sechs oder sieben Ansbacher Spieler etwa seien gleich am Tag nach dem Spiel "nach Malle" aufgebrochen, alles längst gebucht, "wir sind ja alle Amateure", betont Riegler.

Nur drei der aktuellen Spieler haben keine Vergangenheit in der Ansbacher Jugend

Das Wort Amateure fällt oft in diesem Gespräch. Auch die Funktionäre wie er seien alle ehrenamtlich tätig. Das habe es auch schwierig gemacht, das Angebot des Hachinger Klubchefs Manfred Schwabl anzunehmen. "Er hat uns alle ins Stadion eingeladen", erzählt Riegler, eine schöne Geste, nur sei die Anfahrt lang, am Montag für die meisten wieder ein Arbeitstag, man entschied sich kurzfristig gegen den Ausflug. "Wahrscheinlich schauen wir das Spiel alle gemeinsam im Fernsehen an".

Es kommt dann noch etwas anders. Einige Spieler fiebern im Vereinsheim mit, andere beim Altstadtfest, wo sich inmitten Tausender Besucher Public Viewings entwickeln. "Das muss man sich mal vorstellen", schwärmt Riegler, "die ganze Stadt schaut Fußball und feiert mit, und es gibt Haching-Sprechchöre rund ums Rathaus. Das wird Manni Schwabl sicher auch freuen."

Riegler war nicht dagegen, die Runde zwei vorab auszutragen, selbst auf die Gefahr hin, dass man sie sich im Nachhinein hätte sparen können. "Dann haben wir halt 4000 Zuschauern ein Spektakel geboten", sagt er lachend; mehr sogar, 1600 im Hin-, 2600 im Rückspiel. "Etwas Geld haben wir auch mitgenommen." Ansbachs Zuschauerschnitt liegt bei 1215, damit ist der Klub die Nummer drei hinter Würzburg und Unterhaching. Vor einigen Wochen erst waren hier die Hachinger zu Gast, auch deren Trainer Wagner sei "begeistert" gewesen von dem, was er in Ansbach erlebte, "hier ist wirklich was entstanden". Nur drei der aktuellen Spieler hätten keine Vergangenheit in der Jugend des Vereins, sagt Riegler. Der Gegentreffer zum 1:2 in der 43. Minute, der habe ihnen "den Stecker gezogen", danach ging nichts mehr. "Aber deswegen reißen wir hier niemandem den Kopf ab, dann haben wir halt mal eine Halbzeit lang versagt." Es sei ihr 46. Pflichtspiel gewesen, 38 Punkt-, vier Pokal-, vier Relegationsspiele. Und die Memminger seien unglaublich auswärtsstark aufgetreten, wie schon in Eichstätt, "die waren selbst überrascht".

"Mit 50 Punkten steigt man nicht ab", sagen sie in Ansbach. Fühlt sich ungerecht an. Gab's noch nie

Etwas kritisch sieht Riegler das System aber doch. Dass ein Regionalliga-Meister nicht automatisch aufsteigt, aber auch, dass sich in dieser Relegation ebenso gut der VfB Eichstätt hätte durchsetzen können und Ansbach absteigen - obwohl die SpVgg in der Abschlusstabelle mit 50 Punkten sieben Zähler vor Eichstätt lag. "So wird die Saison zur Farce", findet er, und: "Mit 50 Punkten steigt man nicht ab." Noch nie! Den Hachingern hätte er den Aufstieg in jedem Fall gegönnt, ganz unabhängig vom Ansbacher Schicksal, "aber um uns wäre es schade gewesen".

Allein dass der Abstieg noch drohte, fühle sich "ungerecht an", sagt Ansbachs Trainer Christoph Hasselmeier am Freitag. Für Sonntag hoffe er, "dass wir zum ersten Mal in den letzten zwölf Monaten ein wenig Glück haben und der Fußballgott auf unserer Seite ist." War er dann wohl. Der Sonntagabend ist mild, auf Malle wie in Ansbach, wo das Altstadtfest ausklingt. Sie werden da wie dort Wege zum Feiern gefunden haben.

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