Real-Trainer José Mourinho:Denn er weiß, was er tut

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Ihr könnt mich alle mal: José Mourinho hat sich den stolzen Klub Real Madrid komplett einverleibt. Er diktiert das Personal, klügelt seine eigene Taktik aus und hält sich einen Pressesprecher, der ihm lästige Aufgaben abnimmt. Dem Portugiesen sind alle Stilmittel recht, um historische Titel zu gewinnen - das will er auch gegen die Bayern beweisen.

Javier Cáceres, Madrid

Es gibt keinen größeren Lärm als schreiende Stille. Und es wäre insofern auch falsch, zu sagen, dass es ruhig geworden wäre um José Mourinho, den portugiesischen Trainer von Real Madrid. Vor ein paar Wochen legte er eine Art Schweigegelübde ab und mimte, wie so oft, den Unverstandenen, den zu Unrecht von Freund und Feind Verfolgten, der lieber durch seinen Assistenten Aitor Karanka zur Menschheit spricht.

Grinsen gegen die Kritiker: José Mourinho hat sich in Madrid seine eigene Welt konstruiert. (Foto: REUTERS)

Nicht mehr selbst. Dann aber tauchte, zum Rückspiel des Viertelfinales in der Champions League, doch ein Interview mit Mourinho auf - und er war dort genau das Gegenteil: ein Dickhäuter, an dem alles abperlt. Er sei, sagte er dem Corriere della Sera, an Kritik gewöhnt. Sie komme ja immer und zuverlässig. "Ob ich weiß sage oder schwarz, ob ich schweige oder rede, ob ich diese Richtung nehme oder die andere." Die Satiresendung Crackóvia verwandelte die Vorlage sofort und band ihren Mourinho-Imitator im (imaginären) Pressesaal des Bernabéu-Stadions ans Kreuz. "Herr, verzeihe Ihnen. Denn sie wissen nicht was sie tun..."

Sieger mit Porto und Inter

Seit bald zwei Jahren ist Mourinho bei Real Madrid und er hat sich seither den Klub in beispielloser Weise untertan gemacht. Er dirigiert nicht nur Taktik und Strategie. Sondern auch die Medizin- und Ernährungs- und erst recht die Kommunikationsabteilung. Mourinho hält sich einen persönlichen Sprecher, der Funktionäre wie die frühere Real-Legende Emilio Butragueño veralbert.

Jorge Valdano, Generaldirektor des Klubs, wurde gemobbt. Präsident Florentino Pérez meidet die Medien schon seit einem Jahr wie ein scheues Reh - obwohl er einer der mächtigsten Unternehmer Spaniens und Herr über den deutschen Baukonzern Hochtief ist. Alle Mittel sind einem Zwecke untergeordnet: Titel für Real Madrid zu erlangen. Doch in Wahrheit geht es mindestens ebenso sehr darum, Titel für Mourinho zu erringen.

Wenn er die spanische Meisterschaft gewinnen sollte, wird er der Erste sein, der einen Titel in England, Italien und Spanien gewann. Wenn er die Champions League gewinnen sollte, hätte er mit drei verschiedenen Teams aus drei verschiedenen Ländern in Europas Königsklasse zugeschlagen (zuvor: Porto, Inter Mailand). Er hätte Geschichte geschrieben. Noch nie dürfte er daher vor so entscheidenden acht Tagen gestanden haben wie jetzt: Zwischen den beiden Champions-League-Halbfinalspielen gegen den FC Bayern muss er am Samstag ins Camp-Nou-Stadion von Barcelona. Es geht um alles. Oder nichts.

Mourinho liebt solche Situationen. Er liebt es, zu pokern, zu bluffen, Gegner und Freunde aus dem Konzept zu bringen, indem er sogar über den längsten und breitesten aller Schatten springt, die Madrid derzeit wirft: seinen eigenen.

Spanischer Clásico Barça gegen Real
:Khedira und Özil kapern Camp Nou

Was für eine Wendung im spanischen Spitzenspiel: Ein Treffer von Sami Khedira sowie eine glänzende Vorlage von Mesut Özil verhelfen Real Madrid zum umjubelten 2:1-Sieg in Barcelona. Für Barça ist die Meisterschaft damit vom Tisch, während die "Königlichen" fast schon am Ziel sind. Das Team von José Mourinho zeigt: Die Bayern werden es schwer haben im Bernabeu.

Jonas Beckenkamp

Er hat Widersprüche von Spielern wie Cristiano Ronaldo und Iker Casillas ertragen, von Sergio Ramos und anderen Spaniern im Team. Als er am Montag in Madrid aufbrach, nahm er 24 Profis mit, überraschenderweise auch den Franzosen Lassana Diarra, alias "Lass", den er in den vergangenen Wochen missachtet hatte. Denn dass der gewagt hatte, Mourinho intern zu widersprechen, war die eine Sache. Die andere, sehr viel schwerwiegendere war, dass die Zeitung El País davon erfuhr und Details des Disputs veröffentlichte.

Vielleicht aber braucht der Trainer Diarra am Dienstag, denn Mourinho will aus München ein gutes Resultat fürs Rückspiel mitbringen. Ihm ist es egal, ob die Mannschaft brilliert. Deshalb ist auch nicht klar, ob der deutsche Zehner Mesut Özil das Spiel machen darf. Ihm ist auch egal, dass er sein erstes wichtiges Spiel in der Münchner Arena bestreitet.

Ihm ist wichtig, am 19. Mai dorthin zurückzukehren. Denn dort findet das Finale statt. Womöglich gegen Barcelona, die zurzeit noch immer beste Elf der Welt. Und gegen Josep Guardiola, Mourinhos persönlichen Antipoden.

Mal wieder eine obszöne Geste

Dass es keine hohle Ankündigung war, als Mourinho bei seiner Vorstellung sagte, er komme mit all seinen Tugenden und Fehlern zu Real, ist hinreichend bewiesen. Fehler? Am Samstag war wieder einer zu begutachten, als die Partie gegen Gijón nicht unter Kontrolle war und er das Stadion anzündete wie ein Pyromane.

Er raste in die "Coaching Zone" von Sporting und zettelte fast eine Schlägerei an, ein Reservist von Gijón behauptete, Mourinho habe ihm eine gewischt. Das Publikum tobte, der Schiedsrichter pfiff wirres Zeug, Real siegte 3:1 - und stellte so Mourinhos Tugenden heraus.

Die sind längst in Zahlen gegossen, die kein Team je erreicht hat und vielleicht nie erreichen wird. Er kommandiert eine Mannschaft, die im Halbfinale der Champions League steht, fünf Spieltage vor Schluss die Ligatabelle mit vier Punkten Vorsprung auf Barça anführt - und 107 Tore erzielt hat. Rekord!

Als der erreicht war, sprang Mourinho unter dem Dach der Ersatzbank hervor und machte eine Geste, die man in Spanien als "corte de mangas" kennt, als eine obszöne Geste, bei der man mit einer Hand auf den Oberarm schlägt und die so viel heißt wie: Ihr könnt mich alle mal!

© SZ vom 17.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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