Real siegt in Manchester:"Das bessere Team hat verloren"

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Entscheidende Szene: Schiedsrichter Cüneyt Çakır schickt Nani vom Platz.  (Foto: AFP)

Eine umstrittene Schiedsrichter-Entscheidung dreht das Duell der Giganten in der Champions League: Manchester United hadert, Real-Madrid-Trainer José Mourinho erklärt sich solidarisch. Doch nun droht der Premier League, der finanzstärksten Liga der Welt, ein seltenes Desaster.

Von Thomas Hummel

Alex Ferguson ist in einem Alter, in dem er es sich erlauben kann, nicht allen Verpflichtungen nachkommen zu müssen. Vor allem diese Pressetermine sind ihm ein Graus, schon im normalen Ligabetrieb bekommt ihn außer dem vereinseigenen Sender MUTV kaum einer vor die Kamera. Dass der 71-Jährige aber nach einem Champions-League-Spiel nicht zur Pressekonferenz erscheint, war dann doch außergewöhnlich.

Statt des Managers von Manchester United erschien nach dem Achtelfinale gegen Real Madrid dessen Assistent Mike Phelan im Presseraum des Stadions Old Trafford. Ferguson sei nicht in der Verfassung zu sprechen, richtete Phelan aus. Nicht mit Reportern - und schon gar nicht mit dem Schiedsrichter.

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Schon auf dem Spielfeld war die Wut des Alex Ferguson nicht zu übersehen. Seine Mannschaft hatte nach dem glücklichen 1:1 im Hinspiel diesmal den Gegner völlig unter Kontrolle gehabt. Madrid kam trotz seiner exquisiten Offensive zu keiner Torchance, United war defensiv bestens organisiert und kam über schnelle Gegenstöße zu schönen Torchancen. Als kurz nach der Pause ein rechtes Durcheinander im Real-Strafraum in einem Eigentor von Sergio Ramos mündete (48.), schien die Sache gelaufen. Bis zur 56. Minute, als eine Szene das Spiel drehte.

Der Portugiese Nani wollte einen weiten Ball aus der Luft herunterpflücken. Er fixierte dabei die Kugel und streckte seinen Fuß hoch in die Luft. Dumm nur, dass von hinten der Madrider Verteidiger Álvaro Albeloa heranlief, statt des Balles traf Nani seinen Gegenspieler in die Rippen. Es sah nach Kung-Fu aus, war aber völlig unabsichtlich. Dennoch zeigte der türkische Schiedsrichter Cüneyt Çakır glatt Rot.

Gleichzeitig nahm Real-Trainer José Mourinho Arbeloa raus und brachte für ihn den offensiven Mittelfeldspieler Luca Modric. Mit dem Kroaten erlangten die Gäste gegen die nun orientierungslosen Engländer eine erdrückende Überlegenheit und binnen 15 Minuten stand es nach Toren von ihm selbst (Weitschuss an den Innenpfosten, 66.) und Cristiano Ronaldo (nach einer scharfen Hereingabe von Higuaín, 69.) 1:2. In der Schlussphase konnte Manchester der Partie mit einem Spieler weniger keine Wendung mehr geben.

Ferguson schimpfte und rannte an der Seitenlinie auf und ab, seine Gesichtsfarbe glich sich langsam dem Dunkelrot in den United-Vereinsfarben an und er kaute im Stakkato auf seinem Kaugummi herum. Er musste nicht viel sagen, es war zu sehen: Ferguson fühlte sich um den Erfolg betrogen.

Überraschende Unterstützung erhielt er von Kollege Mourinho: "Das bessere Team hat verloren", sagte der Trainer von Real. Verwies aber auf so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit. Nach der roten Karte befragt, antwortete er: "Wenn jemand (über falsche rote Karten) jammern kann, dann bin ich der erste." Er erinnerte an einen Platzverweis seines Spielers Pepe im Halbfinale der Champions League 2011 gegen Barcelona. "Meine Geschichte ist nicht die, gegen zehn Mann zu spielen, sondern selbst nur mit zehn zu spielen." Das bessere Team habe verloren, wiederholte Mourinho, "aber das ist Fußball".

Der deutsche Nationalspieler Sami Khedira bedankte sich im TV-Sender Sky fast beim Schiedsrichter: "Die rote Karte hat uns sehr gut getan. Dann haben wir begonnen, Fußball zu spielen. Wir sind froh übers Weiterkommen, egal wie." Auch Mesut Özil meinte: "Nach der roten Karte hatten wir etwas mehr Räume, die haben wir auch gut ausgenutzt."

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Für Real Madrid hat sich damit binnen einer Woche die gesamte Saison gedreht. Vor zehn Tagen herrschte noch Untergangsstimmung: 16 Punkte Rückstand in der Meisterschaft auf Barcelona, 1:1 im Pokal-Hinspiel zu Hause gegen Barcelona und 1:1 im Hinspiel gegen Manchester. Alles schien verloren und Trainer Mourinho auf dem Absprung. Es folgte ein 3:1 im Pokal-Rückspiel in Barcelona, ein 2:1 in der Liga gegen den Erzrivalen und nun der Sieg in Manchester. Plötzlich spricht Madrid davon, dass der zehnte Titel in Europas Königsklasse möglich sei.

Als Beilage bot der Abend noch sentimentale Geschichten für die Spanier: Zum einen die hervorragende Leistung von Torwart Diego Lopez, der Welttorhüter Iker Casillas nach dessen Handbruch ersetzt. Zum anderen das Happy End für Cristiano Ronaldo. Der Portugiese tat sich an seinem alten Arbeitsplatz sichtlich schwer und bot wie im Hinspiel eine schwache Leistung. Doch dann entschied er mit seinem 2:1 die Begegnung. Sowohl nach dem Tor wie auch nach dem Schlusspfiff tat er allerdings alles, um ja keine Freude auszudrücken. Rührendes Theater.

Und Manchester? Debattiert am Tag eins nach dem Ausscheiden über den Schiedsrichter und die Nichtberücksichtigung von Wayne Rooney. Manche Analysten sehen bereits die Trennung des Stürmers von United am Horizont, Alex Ferguson sei sich der Stärke des Nationalspielers wohl nicht mehr sicher. Immerhin läuft bei zwölf Punkten Vorsprung in der Premier League alles auf die 20. Meisterschaft hinaus, auch im FA-Cup ist United noch dabei.

Spannender wird die Langzeitwirkung dieser Niederlage sein. Der finanzstärksten Liga der Welt droht ein seltenes Desaster: Erstmals seit 1996 wird kein englischer Klub im Viertelfinale der Champions League dabei sein. Es sei denn, dem FC Arsenal gelingt in der kommenden Woche beim FC Bayern eine himmlische Auferstehung. Wer darauf setzt, bekommt derzeit für einen Euro Einsatz 21 Euro zurück. Selbst die wettfreudigen Engländer werden trotz dieses verlockenden Angebots ihr Geld lieber woanders anlegen.

Alle Statistiken zum Spiel finden Sie hier:

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