Champions League gegen Real Madrid:Citys brutaler Monolog

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Erling Braut Haaland und sein Coach Pep Guardiola haben prima Laune: Das 4:0 gegen Real Madrid war eine Demonstration von ManCity. (Foto: Jason Cairnduff/Action Images via Reuters)

Real geht in einem Meer aus Pässen unter, Manchester steht im Finale: Beim 4:0 gegen den Titelverteidiger zelebriert die Guardiola-Elf Fußball ganz nach dem Gusto des Trainers - die Partie beweist, dass City derzeit das beste Team der Welt ist.

Von Javier Cáceres, Manchester

Das Champions-League-Finale von Istanbul am 10. Juni wird aller Voraussicht nach Züge eines Selbstgesprächs tragen. Dank einer brillanten Aufführung besiegte Manchester City im Halbfinalrückspiel den spanischen Rekordmeister Real Madrid mit 4:0 (2:0) - und stieß den Titelverteidiger vom kontinentalen Thron. City wird im Endspiel auf Inter Mailand treffen - eine Mannschaft, die am Vorabend den Halbfinalsieg gegen den Nachbarn AC Milan perfekt gemacht hatte. Und nun damit rechnen muss, dass der designierte englische Meister und FA-Cup-Finalist im Endspiel den Ball vor ihr verstecken wird. Denn so erging es dem brutal gedemütigten Real Madrid am Mittwoch. Real ging in einem Meer aus Pässen derart unter, dass angebracht gewesen wäre, Schwimmwesten aufs Feld zu werfen. Die Wucht der Niederlage wird Diskussionen über Real-Coach Carlo Ancelotti auslösen. Sein Vertrag läuft bis 2024.

Vor allem in der ersten Halbzeit, war die Partie das, was das Endspiel zu werden droht: Ein brutaler Monolog Citys. Niemand weiß, wie die Partie verlaufen wäre, wenn der von brutaler Schönheit gesegnete Distanzschuss von Toni Kroos im Netz des City-Tors gelandet wäre (35.). Doch er brachte beim Stand von 0:1 aus Sicht Madrids bloß die Querlatte zum Erzittern. Es war die einzige Chance, die Madrid in den ersten 45 Minuten überhaupt hatte.

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Wahrscheinlich wäre dies die einzige Option gewesen, die Real Madrid am Mittwoch hatte: Ein Tor aus dem nichts zu erzielen, und damit daran zu erinnern, dass sie in der Champions League die unglaublichsten Dinger gedreht haben. Unter anderem im vergangenen Jahr gegen City. Kurz nach der Halbzeit gab's dann noch so eine Szene, bei einem Freistoß eines weiteren Ex-Bayern-Profis, David Alaba. Er wurde von City-Torwart Éderson übers Tor gelenkt. Es wäre wohl ein zu großer Treppenwitz der Geschichte gewesen, wenn dieses City das Finale verfehlt hätte. Es ist die beste Mannschaft der Welt.

Die Anmut des fußballerischen Vortrags der Mannschaft von Pep Guardiola stand dem hübschen Bühnenbild, das City entworfen hatte, in nichts nach. Als die Mannschaften auf den Rasen gingen, flogen himmelblaue und weiße Luftschlangen von der Tribüne. Das Bild, das sich da bot, wies eine gar nicht mal so entfernte Verwandtschaft zu den Bildern der WM 1978 in Argentinien auf. Nur halt durchgestylt und organisiert. "Laaaa-la-la-lalalalaaaa, lalalalaaaa, Ci-tyyyy", sangen die Gastgeber-Fans, eine Spur inbrünstiger als sonst, zur Melodie des Beatles-Klassikers "Hey Jude".

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Und dann zog Peps Pass-Armee ihr zermürbendes Spiel auf.

Es erinnerte lange an geduldige Flechtarbeit. Guardiola hatte die gleiche Mannschaft wie im Hinspiel aufgeboten - und damit eine Ankündigung vom Vortag wahrgemacht: "Keine Sorge, Jungs, ich werde nicht dem overthinking verfallen". Sein Mittelfeld war überbevölkert: Kroos, Modric und Valverde sahen sich Rodri, Stones, Gündogan und De Bruyne gegenüber, die an den Außenbahnen von Bernardo Silva (rechts) und Jack Grealish assistiert wurden. Sie hatten offenkundig die Anweisung erhalten, jeden Ballverlust zu vermeiden: Der Hauch eines Zweifels reichte jedem City-Spieler, den Ball noch einmal quer oder nach hinten zu spielen.

Und doch kamen sie zu Chancen. Zum Beispiel: Als De Bruyne Erling Haaland lang schickte und der Norweger es noch schaffte, Madrids Torwart Courtois auszudribbeln, aber keinen Winkel mehr hatte, um aufs Tor zu zielen. Der Ball landete dafür bei Rodri, er schoss knapp am Tor vorbei. Oder: Als Haaland zwei Mal aus nächster Nähe per Kopf am unglaublichen Courtois scheiterte (13./21.). Dann fielen die Tore doch. De Bruyne erspähte eine Lücke zwischen Modric und Kroos, in der Bernardo Silva auftauchte. Die Vollendung der Aktion glich einem Elfmeter: Silva schickte Courtois nach rechts (24.) - 1:0! Das 2:0 folgte dreizehn Minuten später, wieder traf Silva, diesmal per Kopf. Nach einem von Militão abgeblockten Schuss von Gündogan landete der Ball auf der Stirn des freistehenden Portugiesen. Er nickte den Ball ins Tor (37.).

Der Moment des 3:0: Eder Militão hatte den Ball in Bedrängnis ins eigene Tor gelenkt, Manuel Akanji (li.) ließ sich trotzdem feiern. (Foto: OLI SCARFF/AFP)

Nach der Pause versuchte Real Madrid sich daran, City Furcht einzuflößen. Sie machten einen Schritt nach vorne und hatten größere Spielanteile - aber abgesehen von dem bereits erwähnten Freistoß von Alaba kamen die Madrilenen nie zu klaren Chancen. Auf der anderen Seite liefen sie immer wieder Gefahr, in die zumeist von De Bruyne initiierten Konter zu laufen. Ancelotti, der nun mehr Champions-League-Spiele hat als jeder andere (191), wechselte Modric (63.) und Kroos aus (70.), brachte den deutschen Verteidiger Antonio Rüdiger und Marco Asensio. Die größte Gelegenheit der zweiten Halbzeit vergab Haaland nach einem Hacken-Pass von Gündogan. Doch der Norweger scheiterte an Courtois, an wem sonst. Das 3:0 fiel dennoch - Akanji streifte eine Freistoßflanke von De Bruyne mit dem Kopf, Militão fälschte den Ball zum 3:0 ab (76.).

Und so gerieten die letzten Minuten der Partie eine einzige Einladung an die City-Fans, ihre Helden mit Ovationen zu verabschieden: Gündogan und vor allem De Bruyne gingen unter tosendem Applaus. Das galt auch für Haaland, der in der 89. Minute für den jungen argentinischen Weltmeister Julián Álvarez Platz machte. Und dabei zusah, wie Álvarez in der Nachspielzeit das 4:0 erzielte. Es zertifizierte Guardiolas vierte Champions-League-Finalteilnahme insgesamt - und die zweite mit City. 2021 scheiterte er in Porto am FC Chelsea. Nun steht er am 10. Juni in Istanbul Inter Mailand gegenüber.

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