Man kann sich im Kleinen oder im Großen an einer Antwort versuchen. Thomas Müller erwähnte die "fehlende Qualität in den Details". Hummels sagte zum Beispiel: "Oft haben Zentimeter gefehlt, ob beim Abschluss oder beim letzten Pass. Ich habe neulich über die 2013er Saison mit Dortmund nachgedacht, als wir erst Málaga mit zwei Toren in der Nachspielzeit rausgeworfen und dann in Madrid gezittert haben ohne Ende. In den letzten zehn Minuten hing die Champions-League-Saison am seidenen Faden. Manchmal hat man das Glück in diesen Momenten auf der Seite und manchmal nicht." Heynckes stellte die These auf, dass man, eben weil man im Mittelfeld so stark spielte, vor dem Tor nicht mehr so konzentriert war: "Es fehlt die letzte Konzentration und auch die Kraft im Abschluss. Ich weiß aus meiner Erfahrung als Spieler, dass es schwierig ist, wenn du als Stürmer viel unterwegs bist, hohes Tempo gehst."
Wenn man in die Details geht, dann landet man auch schnell bei Stürmer Robert Lewandowski, dessen Aufgabe es ja ist, das Dach aufs Haus zu bauen, sprich: die Tore zu schießen. Das hat er nicht geschafft, in beiden Spielen nicht und da er ja mehr oder weniger selbst den Anspruch erhebt, einer der besten Stürmer der Welt zu sein, ist das natürlich zu wenig. Aber allein am Polen lag es dann halt auch nicht, vor allem, weil auf der Gegenseite Cristiano Ronaldo auch nichts hinbekam.
Ein Muster zeichnet sich ab
Man kann es in Details versuchen, kann jeden Torabschluss der Bayern sezieren, jeden Halbraum vermessen, jede Schiedsrichterentscheidung in Superzeitlupe wiederholen. Es könnte dann aber auch sein, dass nur die Bäume sieht und nicht mehr den Wald.
Thomas Müller erkannte schon richtig: "Was sich in den letzten Jahren wiederholt, ist, dass wir in den Spielen, in denen wir ausscheiden, zu viele deutliche individuelle Fehler machen - ob es verschossene Elfmeter oder rote Karten sind." Und tatsächlich: Wenn man sich anschaut, wie die Reaktionen jetzt sind und zum Beispiel wie sie vor zwei Jahren beim Aus gegen Atlético waren - dann gleichen sich die Erklärungsmuster. Auch damals gab es ein schlechtes Hinspiel-Ergebnis, ein eklatanter Fehler im Rückspiel - zahlreiche Torchancen (unter anderem ein Elfmeter, verschossen von Müller) und am Ende die Niederlage.
Und auch bei Real Madrid zeichnet sich ein Muster ab. Nämlich, dass enge Spiele fast immer zu Gunsten der Galaktischen kippen. Schon gegen Juventus Turin im Viertelfinale war es ein Elfmeter in der Nachspielzeit, sauber verwandelt von Ronaldo. Toni Kroos, der Stratege am Ball, der ein Fußballspiel durchaus in seine Details zerlegen kann, argumentierte lieber mit Gefühlen: "Ich hab keine Zweifel gehabt, dass wir ins Finale kommen, weil jede Situation im Spiel, wo wir hier und da mal Glück hatten, hatte ich immer das Gefühl, wir können in jeder Sekunde des Spiels ein Tor schießen. Das ist ein Gefühl, das kommt mit dem Erfolg." Darum, so sagte er, würden sie die engen Spiele gewinnen.
Und auch Hummels, der lange über diesen Abend in der Interviewzone sprach, sagte irgendwann: "Real war gegen Juve fast raus, sie waren jetzt gegen uns fast raus, und trotzdem sind sie verdient im Finale, sie hatten immer Kracher als Gegner. Wenn man da immer weiterkommt, muss man das einfach anerkennen."
Der Satz, der da drinsteckt, ist für jeden Bayern-Fan eine Qual, er ist ungeheuerlich zu lesen und er schreit nach Ungerechtigkeit. Aber es hilft nichts, man muss ihn trotz aller Torschussstatistiken und Zentimeterentscheidungen dieser Welt schreiben: Real Madrid zieht verdient ins Finale der Champions League ein. Das Paradoxe ist, dass der Satz: Der FC Bayern scheidet unverdient aus der Champions League aus, vermutlich genauso richtig ist. Manchmal muss man damit leben, dass es auf banale Fragen keine banalen Antworten gibt.