RB Leipzig in der Champions League:Weit entfernt von autoritären Gesten

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Leipziger Unterschiedsspieler mit Barcelona-Vergangenheit: Xavi Simons (l.) und Dani Olmo. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Zuletzt wies die Spielweise von RB Leipzig einige Unwuchten auf. Marco Rose erwartet eine deutliche Verbesserung - ausgerechnet an diesem Abend gegen Real Madrid. Zumindest haben auch die Spanier einige Probleme.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Marco Rose, 47, betrat am Montag den Pressesaal der Akademie von RB Leipzig und hielt erst einmal inne. "Wow!!!", rief der Trainer des Bundesliga-Fünften und wirkte vom Aufgebot der Medienschaffenden aufrichtig überrascht. Es war, andererseits, nicht anders zu erwarten: Am Dienstag gastiert der größtmögliche Zirkus in der Stadt, im Rahmen der Achtelfinalspiele der Champions League (21 Uhr, live auf Prime Video). Real Madrid besucht Sachsen, und im Schlepptau sind dann nicht nur die Hofberichterstatter aus der spanischen Hauptstadt, sondern auch Reporter aus Italien, Brasilien, den Niederlanden. Für den Fall, dass der mutmaßlich nobelste Klub der Welt in einst gefürchteten deutschen Landen auf eine Bananenschale tritt. Und ausrutscht.

Die Prämisse darf als gewagt gelten, trotz der Widrigkeiten, mit denen Spaniens Rekordmeister zurzeit zu kämpfen hat. Dass der Arbeitskampf an den sächsischen Flughäfen die Madrilenen zwang, einen Flughafen in Thüringen anzusteuern und dann 165 Kilometer mit dem Bus weiterzureisen, war dabei das kleinste aller Übel, mit denen Spaniens Rekordmeister umgehen muss. Schwerer wiegt, dass mit Ausnahme von Nacho alle erprobten Innenverteidiger verletzt (David Alaba und Antonio Rüdiger) oder nicht hinreichend genesen sind (Éder Militão). Zudem verletzte sich der frühere Dortmunder Jude Bellingham am Wochenende so schwer am Knöchel, dass er auf der Passagierliste der Madrilenen fehlte. Aber was heißt schon Widrigkeiten? Die Mannschaft von Trainer Carlo Ancelotti bestätigte am Samstag ihre Stellung als Hegemon der spanischen Liga mit großer Beiläufigkeit. Sie fertigte den Tabellenzweiten FC Girona im heimischen Bernabéu-Stadion mit 4:0 ab.

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Von derart autoritären Gesten ist Leipzig im laufenden Kalenderjahr weit entfernt. An Silvester hatte RB noch sechs Punkte Vorsprung auf den damaligen Tabellenfünften Borussia Dortmund. Seit dem vergangenen Wochenende liegt Leipzig drei Zähler hinter dem BVB und muss also um das Erreichen des Minimalziels Champions-League-Qualifikation fürchten. "Dies ist ein anderer Wettbewerb als die Bundesliga", sagte Rose am Montag, als wollte er die eigene Brust mit Hoffnung füllen: "Wir haben in unserem Kader alles, was es braucht, um solche Spiele (wie gegen Real Madrid) zu gewinnen, und das haben wir auch schon nachgewiesen."

Die Offensivspieler strebten zuletzt oft nach Momenten eigener Unsterblichkeit

Dass dies 2024 bislang noch nicht geklappt hat und stattdessen ein Mangel an Konstanz zu begutachten ist, will Rose ein Stück weit geahnt haben. RB Leipzig habe im vergangenen Sommer einen großen Umbruch vollzogen, und auch wenn sich vieles "recht schnell gut gefügt" habe, weil verlorene Qualität durch "neue Qualität" ersetzt wurde, so sei doch "klar gewesen, dass irgendwann der Moment kommt, wo es unwuchtig und unrund wird", erklärte Rose. Dass dieser Moment nun da ist, lässt sich nicht von der Hand weisen, sondern mit Zahlen belegen. Von fünfzehn möglichen Punkten im laufenden Kalenderjahr hat RB Leipzig nur vier geholt.

Doch nicht alle Leipziger Probleme der Gegenwart lassen sich strukturell erklären; immer augenscheinlicher wird, dass gerade die aufregenden Offensivkräfte zu oft nach Momenten eigener Unsterblichkeit strebten, statt pragmatisch den besser postierten Nebenmann zu suchen. Und dann sind da noch die Unzulänglichkeiten bei der Kontrolle der Umschaltphasen, denen Rose am Montag mit Blick auf das Spiel gegen Madrid eine zentrale Rolle zuschrieb.

Wie wichtig Rose diesen Aspekt nimmt, konnte man unter anderem daran ablesen, dass er die Entstehung des Treffers der Augsburger zum 2:2-Endstand vom Samstag mit 48 Stunden Abstand neuerlich sezierte. Demnach habe eine falsche Entscheidung im Angriff deshalb fatale Folgen gehabt, weil nicht hinreichend nachgeschoben wurde und die Absicherung darob mangelhaft gewesen war. "Das ist dann für eine Spitzenmannschaft einfach nicht gut genug", urteilte Rose - und führe in Konsequenz auch dazu, dass "der Trainer hier und da mal in Erklärungsnot gerät". Gleichwohl betonte Rose, dass "viel von dem, was wir machen, richtig gut" sei, "das lasse ich mir auch nicht ausreden".

Gegen wen sollte man das besser unter Beweis stellen können als gegen Real Madrid? Erst recht, wenn man große Hoffnungen auf Künstler wie Xavi Simons und Dani Olmo setzen kann. Sie sollten besonders motiviert sein. Denn die beiden "Unterschiedsspieler" (Trainer Rose) wurden von Real Madrids Erzrivalen FC Barcelona ausgebildet.

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