Rainer Koch im Sportstudio:Die Bilder zum DFB-Crash

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Rainer Koch stellte sich im Sportstudio den Fragen von Katrin Müller-Hohenstein. (Foto: Martin Hoffmann/imago)

Der Auftritt des Vizepräsidenten Rainer Koch im ZDF zeigt die zerrüttete Situation im Deutschen Fußball-Bund. Moderatorin Müller-Hohenstein ringt ihm immerhin ein paar bemerkenswerte Aussagen ab.

Von Thomas Kistner

"Danach ist man schlauer", besagt eine alte Binsenweisheit; zwar ist die Redensart abgegriffen, aber halt oft zutreffend. Wie im Falle des ZDF-Sportstudio-Auftritts von Rainer Koch am Samstagabend: Die Chance, allein auf der Bühne die Deutungshoheit in dem im Showdown befindlichen Machtkampf an der DFB-Spitze auszuüben, hat der ewige Vizepräsident nicht packen können. Was ein Befreiungsschlag werden sollte, wurde zum Querschläger. Denn Koch hat sich von Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein einige bemerkenswerte Festlegungen und Thesen abringen lassen. Und manches nicht erwähnt.

Die Koch-Show brachte inhaltlich wenig Neues, erhellend war sie trotzdem: Sie präsentierte das ganze Personaldesaster an der Spitze des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) vor der Kamera. Während Koch in Mainz auf dem Stuhl saß, blendete das ZDF einige klare Distanzierungen gegenüber Koch ein, neben DFB-Präsident Fritz Keller wurde auch Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vorstellig. Auf der anderen Seite gab es bissige Attacken eines DFB-Multifunktionärs, in dessen Hinterzimmern seit Jahren die Fäden zusammenlaufen, der aber stets irgendwelche bösen Mächte des Profibetriebs als Urheber aller Zerwürfnisse beschwört.

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In der Affäre um einen auch intern scharf kritisierten Beratervertrag gerät der mächtige DFB-Vize Rainer Koch noch stärker in Erklärungsnot: Neue Dokumente zeigen, dass sein Verhältnis zum geheimnisvollen Berater Diekmann über Jahre enger war als bekannt.

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Koch ist seit Monaten die Zentralfigur in diesem epischen Streit. Dabei geht es insbesondere um einen mit gut 360 000 Euro vergüteten Vertrag für den Medienberater Kurt Diekmann, 74, und um die Frage, was der Agent dafür geleistet hat in dem (auch medial) sehr überschaubaren Zeitraum von Mai 2019 bis Spätsommer 2020. Mit Generalsekretär Friedrich Curtius und Schatzmeister Stephan Osnabrügge soll Koch den Vertrag eingefädelt haben, was er bestreitet. Zugleich wird immer klarer, dass er mit "Kurt", dem diskreten Berater, seit vielen Jahren bekannt ist. Parallel ist Kochs Streit mit Christian Seifert eskaliert. Der Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL) riet ihm jüngst öffentlich, der DFB solle seine "offenkundigen Probleme nicht durch den Aufbau imaginärer Feindbilder und abenteuerlicher Verschwörungstheorien" lösen. Koch warf Seifert wiederum "frei erfundene" Anschuldigungen vor.

Kochs ZDF-Auftritt bot nun also die Bilder zum Crash. Die Lippen zitterten, die Hände zuckten - aber geht es nach ihm, steht fest: Er selbst, im DFB-Vorstand seit 2007, hat keine tragende Rolle in der Führungskrise. Rücktrittsforderungen an ihn gleichen einer Majestätsbeleidigung. Was er nur nicht so klar ausdrückt: Er geht von einem angeblichen Rundum-sicher-Schutz aus dem Amateurlager aus.

Die Amateurvertreter fordern ein Amtsenthebungsverfahren

Dass ihn das Lager der Amateure stütze wie ein Bollwerk - mit großer Mehrheit, wie er behauptet -, ist Kochs letzte Verteidigungslinie. Wobei das eine originelle Interpretation ist. Tatsächlich bestätigte ihn die Konferenz der Amateurverbände am Wochenende zuvor in Potsdam; jedoch nur mit 21 Ja- gegen 13-Nein-Stimmen bei drei Enthaltungen. Das Wörtchen "nur" ergibt sich aus der Analyse dieser Stimmzahlen, die zeigt sogar eher ein Misstrauensvotum. Drei der 21 Ja-Stimmen kamen vom bayerischen Landesverband, den Koch regiert, eine vierte vom süddeutschen Regionalverband, den er auch regiert. Ins Gesamtbild gehört zudem, dass dieser Regionalverband Süd dank weiterer Landesverbände insgesamt zwölf Voten besitzt. Stark anzunehmen, dass die alle an den Boss flossen. Aber man braucht sie nicht einmal auf der Nein-Seite zu veranschlagen, um den schwindenden Rückhalt für Koch im Amateurlager zu erkennen. Wichtigste Erkenntnis aus der für Koch beunruhigenden Potsdamer Abstimmung ist ein Novum, das gerade für Personalfragen im netzwerkgesteuerten Sport künftig wichtig sein könnte: Die Wahl fand geheim statt.

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Wenn jeder Funktionär offen Farbe bekennen muss, zeigt sich hingegen eher das, was am Freitag zu besichtigen war. Per Videokonferenz, nicht per Geheimwahl wie in Potsdam, forderten die Landes- und Regionalverbände ein Amtsenthebungsverfahren gegen Keller. Das Ergebnis war standesgemäß: Keller muss weg - um "weiteren Schaden vom DFB abzuwenden", betonte Koch anderntags im ZDF. Keller hatte seinen Vize in einer Sitzung, leise vor sich hin murmelnd, mit dem NS-Blutrichter Roland Freisler verglichen.

Wusste Koch vorab von den "Spiegel"-Enthüllungen zum Sommermärchen?

Der Amateur-Coup zeigt Kochs strategische Raffinesse. Denn zu der unsäglichen Keller-Äußerung laufen ja verbandsintern längst die Prozesse auf dem Amtsweg: Die Causa wurde am Montag vom DFB-Ethikkomitee an das Sportgericht zur Beurteilung weitergeleitet. Warum also jetzt die Eile? Und warum soll dabei sogar das 2016 installierte Ethikgremium beim ersten großen Fall desavouiert werden? Einen Ethikrat braucht es nicht, wenn in ein laufendes Verfahren Kochs Amateure reingrätschen und die Sache ohne Zuständigkeit einfach mal per Video regeln können.

Aber das war nur eines der Themen, die Koch im ZDF ungeklärt ließ. Ohne klares Ja oder Nein blieb auch, ob er Kellers Entschuldigungen zur NS-Entgleisung akzeptiert habe. Stattdessen Fensterreden über Fans und Fußball, und dass jetzt, ernsthaft, "alle zu den Sachfragen zurückkehren" sollten. Erneut ins Rudern kam der Ex-Richter bei der Frage, ob er über den Berater Diekmann schon vor der Skandalenthüllung des Magazins Spiegel zum WM-Sommermärchen Mitte Oktober 2015 von diesen gewusst und sie dem DFB verschwiegen habe. Reinhard Grindel, 2015 Schatzmeister und ab 2016 drei Jahre Präsident, sagte dem ZDF, er wisse, dass Koch vor der Veröffentlichung von den Recherchen gewusst und weder Präsidium noch Präsident unterrichtet habe. Koch habe ihm von den Recherchen erzählt.

Der SZ bestätigt ein Zeuge, dass Grindel damals tatsächlich intern berichtet und deshalb sofort die Fühler in das Magazin ausgestreckt wurden; das ZDF verwies am Samstag auf zwei Zeugen für die Grindel-Aussagen. Die Sache ist heikel. Sollte Koch vorab davon gewusst haben, hätte er aktiv werden müssen - im Interesse des DFB. Grindel sieht das so: "Damit ist die Chance vertan worden, dass wir als DFB selber aktiv vor einer Veröffentlichung den Sachverhalt hätten aufklären und entsprechende Maßnahmen von uns aus treffen können." Jedenfalls stand am Ende ein Image-Desaster und ein Millionenschaden durch die Aufräumarbeiten.

Trifft Grindels Vorwurf zu? Koch sagte am Samstag letztlich: "Nein!" Damit könnte ein neuen Kapitel beginnen. Wie hatte Rummenigge am Samstag sinniert? "Seit der Aufarbeitung des Sommermärchens hat jeder Präsident, egal wer es war, die rote Karte gezeigt bekommen. Und der eine oder andere, der im Hintergrund dabei war, hat es immer überlebt."

Auch ein Schenkelklopfer war dabei. Als Müller-Hohenstein ankündigte, sie wolle jetzt eine Mail von Juni 2016 vorlesen, griff Koch hastig ein: "Diese Mail kenne ich nicht! Ich habe sie auch nicht bekommen." Sie wurde trotzdem verlesen, eine in vertrautem "Du" gehaltene Spöttelei des ominösen Diekmann an Koch, in der sich der Berater über den frisch gewählten Grindel lustig machte, dem ein Ehrendoktor angetragen worden war. Koch glaubt, die müsse gehackt worden sein. Fortsetzung folgt.

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