Meistens war es beim FC Bayern in den vergangenen acht Jahren ja so: Rechtsverteidiger hießen entweder Philipp Lahm oder Joshua Kimmich und wenn sie nicht so hießen, dann hießen sie mal Sebastian Rudy oder - in ganz seltenen Fällen - auch Mitchell Weiser oder Danijel Pranjic. Die letztgenannten Fußballspieler sind ein wenig in Vergessenheit geraten, aber der Vollständigkeit halber seien sie noch einmal genannt, wenn es um all jene Rechtsverteidiger geht, die der Rechtsverteidiger Marcio Rafael Ferreira de Souza, genannt Rafinha, überlebt hat.
Rafinha, 33, ist so etwas wie ein Evergreen in München, er ging immer, wenn man einen reinwerfen wollte, der in der 65. Minute mal ein sogenanntes "Zeichen" setzen sollte mit einer zünftigen Schubserei oder einem Nasenstüber. Und obwohl dieser kleine Emotionsverstärker aus Londrina (wo übrigens auch Giovane Elber herkommt) nie so ganz zum Dauerbrenner in der Stammelf wurde, hat er beim FC Bayern zum Beispiel sieben Meisterschaften gewonnen. Paul Breitner, den viele als "Klublegende" bezeichnen, gewann übrigens fünf, ein gewisser Franz Beckenbauer nur vier (plus eine als Trainer).
Rafinha war eben zur richtigen Zeit da, er durfte immer irgendwie mitjubeln oben auf dem Balkon. So auch gerade erst wieder Ende Mai, als er im Trachtenjanker und mit Sonnenbrille auf dem Marienplatz gefeiert wurde. Die Fans mochten ihren Rafinha, und der kleine Brasilianer mochte München - bei seiner Abschiedsrunde vor den Journalisten hatte er geweint und an die gute Kameradschaft bei den Bayern erinnert. "Wir sind jeden Tag zusammen und kennen uns sehr gut - wir sind eine Familie. Die Freundschaft, die wir hier haben, das ist das Größte", sagte er und schaute dabei zu seinen Teamkollegen, die im Pressestüberl des FC Bayern mit ihm schluchzten.
Rafinha konnte es mit Herz und Härte, er war - so erzählten es viele - extrem wichtig fürs Binnenklima der Mannschaft. Und natürlich hört so einer nicht einfach mit lächerlichen 33 auf. Die neueste Nachrichtenlage ist nämlich die, dass Rafinha zu Flamengo wechselt. Nach Rio. Zu einem der größten Klubs seines Heimatlandes, bei dem er einen Zweijahresvertrag erhält.
Rafinha biegt also - wie man so sagt - auf die Zielgerade einer erfolgreichen Karriere ein, er wird diese im Campeonato Brasileiro Série A bestimmt noch veredeln. Aktuell ist der Vizemeister Flamengo Fünfter, die Saison geht aber noch eine Weile - und Altgediente mit Europa-Erfahrung nehmen sie in Brasilien immer gerne. Bekanntester Kollege von Rafinha ist fortan ein gewisser Diego, 34, der einst bei Werder Bremen die Bundesliga verzückte. Zuvor hatte auch ein anderer Altmeister zum Karriereende nochmal auf ein paar Pirouetten bei Flamengo vorbeigeschaut: Ronaldinho, im Jahr 2011/2012.
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Er wirkte frustriert, dann legte ihm Uli Hoeneß einen Wechsel nah - jetzt erklärt Jérôme Boateng, dass er noch nicht mit Bayern abgeschlossen hat. Auch in Sachen Sané gibt es Neuigkeiten.
Schon einige Wochen hatten sich Gerüchte um Rafinha und Flamengo gehalten, mehrfach hatte der einstige Nationalspieler die Rotschwarzen als "erste Wahl" genannt, sollte er nach Brasilien zurückkehren. Offerten anderer Vereine soll es genug gegeben haben - auch aus Europa. Doch Rafinha wollte heim. "Ich habe nicht erwartet, dass solche Angebote kommen würden. Es war nicht nur eines, sondern drei Top-Angebote", verriet der Spieler kürzlich bei Fox Sports.
Rafinha blickt auf eine erstaunliche Bilanz in Deutschland zurück, denn auch wenn er nicht immer spielte, machte er seine Sache meist gut, wie in der abgelaufenen Hinrunde beim 3:0 in Frankfurt, wo er in der vorletzten Minute sein insgesamt sechstes Tor für die Bayern schoss. Manchmal aber zeigte sich auch, warum er eben doch nur ein jahrelanger Ersatzmann war - wie im April 2018. Damals war er scho' au' irgendwie mitverantwortlich für die 1:2-Hinspielpleite gegen Real Madrid im Halbfinale der Champions League. Ob es Alterserscheinungen waren, die damals zu seinem fatalen Querpass zu Marco Asensio führten (der dann Reals zweites Tor erzielte) - oder ob es halt ein kreuzverdammtes Unglück war, das in den besten Familien vorkommt, das weiß nur der liebe Fußballgott. An den glaubt Rafinha wie alle Brasilianer innigst, aber auch er kann das Rad der Zeit leider nicht anhalten.
So hatten die hohen Herren des FC Bayern spätestens in diesem Moment gemerkt, dass ihr lieber Rafinha klubintern zwar ein wichtiger Integrator zwischen "Mia san mia" und "Mia san Südamerikaner" ist, aber eben eher keiner für einen weiteren Henkelpott (einen hat er 2013 immerhin geholt, mehr also als etwa Lothar Matthäus). Mit dem Zukauf des weltmeisterlichen Rechtsverteidigers Benjamin Pavard war klar, dass Rafinha gehen würde.
Es tritt tatsächlich das ein, was lange als unmöglich galt: der FC Bayern braucht den alten Fahrensmann Rafinha nicht mehr, auch nicht als Kulturenvermittler, denn neuerdings ist ja Französisch die zweite Amtssprache in München. Das Flamengo-Projekt, zu dem ihm offenbar auch sein alter Schalker Bekannter Lincoln geraten hat (er arbeitet als Agent), habe ihm sehr gut gefallen und es biete ihm die Möglichkeit auf weitere Titel, sagte er unlängst. Rafinha, das ist klar, ist also noch nicht fertig.