Angelique Kerber:Leidenschaftliche Kämpferin mit Wohnsitz in Polen

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Deutsche Tennis-Hoffnung mit Wohnsitz in Polen: Angelique Kerber (Foto: dpa)

Angelique Kerber kann gegen Serena Williams ihr erstes Grand-Slam-Turnier gewinnen. Die schüchterne Zweiflerin von einst hat sich zu einer selbstbewussten Spielerin entwickelt.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Wenn Angelique Kerber von ihrem Beruf abschalten will oder einfach ein paar ruhigere Trainingstage braucht, dann fährt sie gerne nach Puszczykowo. In der Kleinstadt an der Warthe fühlt sie sich zu Hause. Ihre Großeltern leben dort, sie betreiben eine Tennisanlage, die "Angie" heißt. Eine Hommage an die Enkelin, die der Stolz der Familie ist. Vor einem Jahr hat Kerber ihren Wohnsitz ganz in den Landkreis Posen verlegt. Deutschlands beste Tennisspielerin lebt seitdem offiziell in Polen.

Das ändert natürlich nichts daran, dass Kerber weiterhin für den Deutschen Tennis-Bund (DTB) antritt. Sie mag die polnische Seele, aber Deutschland ist ihre erste Heimat. Die 28-Jährige wurde in Bremen geboren, wuchs in Kiel auf. Mutter Beata ist Deutsche. Deshalb war ihr auch die Entscheidung, für welches Land sie antreten soll, nie schwer gefallen. Wenn Kerber am 6. und 7. Februar wieder die deutsche Fed-Cup-Mannschaft anführen wird, dürfte der Empfang im Austragungsort Leipzig besonders herzlich ausfallen. Möglicherweise reist Kerber dann ja sogar als Siegerin der Australian Open an - jedenfalls hat sie am Wochenende die Chance, das erste von vier Grand-Slam-Turnieren im Jahr zu gewinnen. In Melbourne steht sie im Finale; ihre Gegnerin ist keine Geringere als die Weltranglisten-Erste Serena Williams (USA).

Um die historische Dimension von Kerbers Leistung zu ermessen, reicht ein kleiner Seitenblick ins Geschichtsbuch: Die bisher letzte deutsche Siegerin in Australien war Stefanie Graf. Im Januar 1994.

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Dem Tennissport konnte Kerber gar nicht ausweichen. Vater Slawek, ein Pole, arbeitete als Tenniscoach und war ihr erster Lehrer. Um auf den Platz zu gehen, musste sie nur ein paar Stufen nehmen - die Kieler Wohnung der Familie lag über einer Tennishalle. Sie war früh erfolgreich und entschied sich, nach dem Realschul-Abschluss Profi zu werden. Dass sie mit der linken Hand spielt und so einen Vorteil gegenüber der zumeist rechtshändigen Konkurrenz hat, liegt an einem Zufall. Eigentlich ist sie auch Rechtshänderin. Aber als Kind hatte sie die Schlagbewegungen, die ihr vorgeführt wurden, auf der anderen Seite des Netzes spiegelverkehrt imitiert.

Kerbers Bilanz auf der Frauentour ist beeindruckend, wenngleich ein spektakulärer Triumph noch fehlt. Sie gewann sieben mittelgroße Turniere, stand in zwei Grand-Slam-Halbfinals, verdiente mehr als neun Millionen Dollar Preisgeld, zählt seit vier Jahren zu den besten zehn der Welt. Dabei hätte sie 2011 nach einer erfolglosen Phase fast aufgehört, aber es ist bezeichnend, dass sie die Wende schaffte; längst gilt sie als eine der leidenschaftlichsten Kämpferinnen der Branche.

Nur zweifelt sie gerne mal an sich und ihren Fähigkeiten, diese Neigung stand ihr oft im Weg. Vor den Australian Open hat Kerber, die Zweckpessimistin, mit Trainer Torben Beltz eine Wette abgeschlossen. Sollte sie in Melbourne gewinnen, muss sie einen Tanzkurs machen. Nicht auszuschließen, dass sie bald tanzen geht.

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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