Probleme beim FC Barcelona:Dreieck mit stumpfen Kanten

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Iniesta gegen Thomas Müller: Szene vom Hinspiel in München. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Die Spieler des FC Barcelona dachten und kombinierten stets einen Tick schneller als die Gegner, doch in München gelang plötzlich nichts mehr. Beim Rückspiel gegen Bayern will das Trio Xavi, Iniesta und Messi nun wenigstens die Ehre seines Vereins retten. Vielleicht aber auch noch mehr.

Von Oliver Meiler, Barcelona

Es ist auch eine Woche danach noch immer nicht ganz klar, für wen die Ohnmacht schmerzvoller war: für die Ohnmächtigen selbst oder für die Fans. Xavi Hernández, Andrés Iniesta und Lionel Messi, Barças Schalter und Walter, deren Namen man ja gerne in einem Atemzug und besser noch ohne Komma aufzählt, waren beim 0:4 im Hinspiel in München so ohnmächtig, wie sie das in den vergangenen fünf Jahren nie gewesen waren. Zermürbt von Javi Martínez und Bastian Schweinsteiger, die ihre Wege kappten, ihre Pässe kaperten.

Da war plötzlich aller Glanz des Trios verschwunden - die Erschütterung darüber stand ihnen anschließend in die Gesichter geschrieben.

In den Köpfen der Zuschauer bleibt aber vor allem die erstaunlich blasse Vorstellung des erkennbar angeschlagenen Messi hängen. Doch wahrscheinlich symbolisierte Xavis Wirkungslosigkeit die Ohnmacht des Modells noch besser: Dem Schrittmacher des Teams gelangen 90 Prozent aller Pässe - im Normalfall bringt er es auf eine Rate von 95 bis 100 Prozent. Doch kaum ein Ball ging in die Tiefe, kaum einer hatte Kreativpotenzial. Alles nur horizontal oder nach hinten.

Und so fragt man sich in Barcelona, ob der Glaube an die Macht des Ballbesitzes, dieses Dogma des Barcelonismo, nicht endgültig überholt sei. Oder anders: Wie viel bringt der Besitz des Balles, wenn der Ball nie gefährlich wird?

FC Barcelona in der Einzelkritik
:Lionel Messi, das Phantom

Barcelonas große Hoffnung wirkt höchstens zu 15 Prozent fit und spielt unsichtbarer als einst Roy Makaay, Dani Alves agiert vorne respektlos, kriegt hinten aber Probleme gegen die großen Bayern und Xavi wird vom Buddha des Fußballs zum Rumpelstilzchen. Der FC Barcelona beim 0:4 in München in der Einzelkritik.

Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Bisher war es ja immer so gewesen, dass das Trio meist einen Tick schneller dachte und kombinierte als die Gegner. Es war ein wirbelnder Block, wie das Auge eines Sturms bohrte sich das Dreieck in die gegnerischen Abwehrreihen - nicht immer besonders temporeich, aber beharrlich und ständig drehend. Tat sich eine Lücke auf, wurde sie genutzt. Ging der Ball verloren, wurde ihm sofort nachgehetzt - auch, weil man ja allzu gut Bescheid weiß um die Schwächen in der eigenen Abwehr. So funktionierte Barça.

Lange Zeit sah das spielerisch aus, obwohl es anstrengend war und eine enorme Intensität voraussetzte. Das alles war weg in München, so wie es davor auch schon bei den Spielen in Mailand, Glasgow und Paris weg war.

Damit hängt der Erfolg der Katalanen mehr denn je an der individuellen Klasse von Messi, der Tore zur Not auch aus dem Nichts schießen kann. Seit München weiß man aber, dass auch er mal einen schlechten Tag erwischen kann. Messi wirkte müde und überspielt.

Er lief nur 7400 Meter, während es Schweinsteiger und Martínez auf mehr als 11.000 brachten. Barça setzt Messi so oft ein, dass er in der laufenden Saison schon mehr als 4000 Minuten auf dem Platz stand. Die Spiele, die er für die argentinische Nationalelf macht, sind da noch nicht mitgerechnet. Messi möchte immer spielen, auch die zweitklassigen Begegnungen. Und er lässt sich nicht einfach bremsen, auch, wie zuletzt gesehen, von einer Blessur nicht wirklich.

Xavi sieht ebenfalls müde aus. Er ist jetzt 33 Jahre alt, spielt seine 15. Saison für Barça. Es ist eine seiner schwächeren, was im Vergleich natürlich immer noch sehr gut ist. Doch bei Barça sinniert man schon über eine Zukunft ohne Xavi. Vom 22 Jahre alten Thiago Alcántara heißt es, er beherrsche die Xavi-Rolle schon, er könne sie sogar noch etwas offensiver interpretieren. Oft hat man das aber noch nicht gesehen. Alternativ wird diskutiert, dass Messi in einigen Jahren etwas tiefer stehen und den Regisseur geben könnte. Sofern Barça bis dahin einen Stürmer gefunden hat, der all die Tore schießt, die heute Messi schießt. Und das sind ziemlich viele Tore.

Aus diesem Trio scheint nur Iniesta einigermaßen fit zu sein - und erstaunlich kommunikativ obendrein. Der sonst so reservierte Mittelfeldspieler ärgerte sich in diesen Tagen über das immer wiederkehrende Gerede, wonach Barças Zyklus am Ende sei. Das sei nicht fair, sagte er. Immerhin stehe man kurz davor, die spanische Liga zu gewinnen, was den vierten Meistertitel in fünf Jahren bedeuten würde.

Zudem stehe man zum sechsten Mal nacheinander im Halbfinale der Champions League, die man in den letzten fünf Jahren überdies zweimal gewonnen habe. Im Gegensatz zu Real Madrid, schwang da mit, das seit mehr als zehn Jahren keine große europäische Trophäe mehr gewonnen hat.

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Die spanischen Zeitungen freuen sich, dass Real Madrid den Stolz wiedergefunden hat. Nur ein wenig trauern sie den verpassten Chancen nach. Die britische Presse stört es gar nicht, dass ziemlich sicher zwei deutsche Teams zum Finale nach London reisen, sie fühlen sich vielmehr von Mourinho geschmeichelt.

Am Mittwoch gegen Bayern geht's wohl nur noch um eine Ehrenrettung, um einen Sieg im Rückspiel. Nur wenige glauben, dass er torreich genug ausfallen könnte. Und vor allem glaubt kaum jemand, dass Barcelonas Abwehr dichthält. Der Verein hat sich eine Choreografie ausgedacht, mit fast 95.000 blauen, roten und gelben Kartonstücken: "Barça! Orgull! Barça!", wird man vor dem Spiel im Oval des Camp Nou lesen können. "Orgull" ist Katalanisch und heißt: "Stolz".

© SZ vom 30.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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