Spitzenspiel in England:Mourinho giftet wie in alten Zeiten

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Tottenham-Trainer José Mourinho (li.) hatte nach dem Spiel noch ein paar Provokationen für Liverpools Jürgen Klopp (re.) bereit. (Foto: JON SUPER/Pool via REUTERS)

Der Tottenham-Trainer verliert das Spitzenspiel in Liverpool und die Tabellenführung. Danach startet er einen Rundumschlag gegen Klopp und Guardiola.

Von Sven Haist, London

Nach dem Handschlag mit Jürgen Klopp hätte José Mourinho einfach seines Weges gehen können. Stattdessen blieb der Portugiese vor Klopp stehen und teilte ihm süffisant mit, dass im Topspiel der Premier League am Mittwoch "die bessere Mannschaft" verloren habe, Tottenham Hotspur, seine Mannschaft. Diese bissige Aussage lächelte Liverpools Trainer Klopp mit einem Dauergrinsen erst mal weg. Nach dem kurzen Tumult legte Klopp seinem Widersacher gönnerisch den Arm auf den Rücken und erklärte später arglos, er habe gedacht, Mourinho mache einen Witz; aber das sei ja offenbar nicht der Fall gewesen. Er ließ Mourinho dastehen als einen, dessen Spieleinschätzung man nicht ernst nehmen kann.

Mourinhos wohlüberlegte Provokation hatte jedoch weniger damit zu tun, den Sieg des Gegners in Abrede zu stellen, als aus dem Nichts heraus plötzlich einen Streit vom Zaun zu brechen. Der Radau sollte in gewisser Weise eine laute Fanfare sein - eine Fanfare für seine persönliche Rückkehr in die Riege der besten Trainer der Welt. Denn: Auf den Tag genau vor zwei Jahren, am 16. Dezember 2018, kassierte Mourinho im Dienst des Rekordmeisters Manchester United ein schmerzhaftes 1:3 beim Erzrivalen aus Liverpool. Die Niederlage gegen Klopp führte unmittelbar zu Mourinhos Abschied aus Manchester und galt als vermeintliches Ende seiner titelreichen Karriere. Für viele Experten schien er aufgrund seiner pragmatischen Spielidee und streitlustigen Persönlichkeit aus der Zeit gefallen zu sein.

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Grund dafür sei das Coronavirus, sagt der Trainer - doch der Deutsch-Italiener wurde auch angefeindet. Leverkusen verlängert mit den Talenten Diaby und Tapsoba, Stuttgart mit Sportdirektor Mislintat.

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Das knappe 2:1 für Liverpool gegen Tottenham an der heimischen Anfield Road - sichergestellt erst durch einen Kopfball von Roberto Firmino in der 90. Minute - machte nun deutlich, dass mit Mourinho wieder zu rechnen ist. Wie zum Beweis knöpfte er sich Klopp nach Spielende gleich ein zweites Mal vor und setzte auch noch gegen Intimfeind Pep Guardiola nach, obwohl der als Trainer von Manchester City gar nicht zugegen war. "Wenn ich mich an der Seitenlinie verhalten würde wie er (Klopp)", giftete Mourinho, "hätte ich keine Chance. Ich wäre nach einer Minute weg!" Nach der gelben Karte für Tottenhams Lo Celso hätten "diese Kerle (Klopp und seine Assistenten) unglaublichen Druck auf den Schiedsrichter" ausgeübt, lästerte Mourinho. Und zu Guardiola, der am Dienstag bei Citys 1:1 gegen West Bromwich den vierten Offiziellen stark bedrängte, weil er mit der Nachspielzeit nicht einverstanden war, sagte er sarkastisch: "Wisst Ihr, was passieren würde, wenn ich die Anzeigetafel aus den Händen des Referees nehme?" Es sei traurig, dass er aus "irgendwelchen Gründen" anders behandelt werde.

Mourinho wettert: "Ein unfaires Resultat"

Mourinhos Angriffe änderten aber nichts an den Fakten: Mit drei Punkten Vorsprung hat Liverpool die Tabellenführung von Tottenham wieder übernommen - und demonstriert, dass man in dieser Saison erneut the team to beat sein wird: die Mannschaft, an der in der Meisterschaft kein Weg vorbeiführt. In fast jeder Statistik dominierte Liverpool den Gegner: 17 Torschüsse, 76 Prozent Ballbesitz und 200 gespielte Pässe im Angriffsdrittel - Tottenham kam lediglich auf 19 Zuspiele. "Wenn Ihr mich fragt", sagte Klopp stichelnd, "kann ich mich nicht mal an die 19 erinnern. Aber so ist es halt. Verschiedene Ideen, verschiedene Spielweisen." In der ersten Halbzeit verlegte sich Tottenham ausschließlich aufs Kontern. Den physisch starken Moussa Sissoko, eigentlich Zentrumsspieler, stellte Mourinho für die rechte Seite ab, um Liverpools Andrew Robertson einzubremsen. Dafür agierte der spielstarke Lo Celso in der Spielfeldmitte, was sich nur beim Zuspiel zum 1:1 durch Heung-min Son bewährte (33.). Zuvor hatte Mo Salah mit einem abgefälschten Schuss die Führung für Liverpool erzielt (26.).

Mit einem Taktikwechsel veränderte Mourinho die Spielweise seines Teams in der zweiten Halbzeit. Lo Celso und Sissoko tauschten die Positionen und fortan attackierte Tottenham früher und setzte auf hohe Zuspiele, die der kopfballstarke Mittelstürmer Harry Kane für seine nachrückenden Mitspieler ablegen sollte. Das deckte auch die Unerfahrenheit des 19-jährigen Talents Rhys Williams auf, der wegen den Verletzungen von van Dijk, Gomez und Matip zu seinem Premier-League-Debüt in Liverpools Innenverteidigung kam. Mehrmals liefen die Spurs frei aufs gegnerische Tor zu, bei der besten Chance scheiterte Steven Bergwijn am Pfosten. "Ein unfaires Resultat. Wir waren einem Sieg sogar näher als einem Unentschieden", fand Mourinho, "Liverpool sah nicht wie ein Champion aus."

Klopps Jubel geht verdächtig in Richtung Mourinho

Das Kuriose an dieser Partie war, dass Mourinho mit seiner Betrachtung genauso wenig falsch oder richtig lag wie Klopp, dessen Fazit genau anders herum ausfiel. Der Erfolg sei "absolut verdient" und "eine der besten Leistungen" gewesen, betonte er, "wirklich speziell", "drei ganz wichtige Punkte" und "ein sensationeller Kopfball von Bobby". Nach seinem Siegtreffer rannte Firmino quer über den Platz zur Kulttribüne The Kop, um zusammen mit den zugelassenen 2000 Fans zu jubeln. Klopp dankte den Leuten, indem er seine rechte Faust auf der Ehrenrunde durch die Luft schwang - so wie nach Abpfiff, als sein Jubel verdächtig in die Richtung von Mourinho ging.

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