Das letzte Heimspiel eines Jahres ist oft eine festliche Angelegenheit, es gibt Videos von Fußballern mit Nikolausmützen, die letzten Weihnachts-Sonderangebote aus dem Fanshop werden beworben, und zum Schluss läuft die Mannschaft noch mit einem Transparent mit Dankesbotschaft in die Fankurve. Nun war am Mittwoch natürlich wie immer in diesem tristen Herbst kein Fan da, dem man ein Transparent widmen konnte. Es fiel diesmal aber noch etwas mehr auf. Denn das 2:1 (1:1) des FC Bayern gegen den VfL Wolfsburg wäre ein besonders feierlicher Anlass gewesen, schließlich geht ja ein Jahr zu Ende, in dem die Münchner fünf Titel gewonnen haben. Und man kann sich durchaus vorstellen, dass die Menschen in der Arena einen Spieler ganz besonders gefeiert hätten.
Es lief die 50. Minute, da sagte der Stadionsprecher schon zum zweiten Mal diesen Namen durch, den er in den vergangenen Jahren so oft gerufen hat, zumindest den Vornamen - mit dem Nachnamen antwortet ja sonst das Publikum. Robert Lewandowski hatte soeben sein zweites Tor des Abends geschossen, was zum einen deshalb besonders war, weil es seine Saisontore Nummer 14 und 15 sowie seine Bundesliga-Tore Nummer 250 und 251 bedeutete. Und gegen keinen Gegner hat er dabei so oft getroffen wie gegen die Wolfsburger, gegen die er einst, im September 2015, fünf Tore in einer Begegnung schoss. Es war aber auch deshalb ein besonderer Treffer, weil er Lewandowskis Ambitionen unterstrich, an diesem Donnerstag bei einer virtuellen Fifa-Gala zum ersten Mal als Weltfußballer geehrt zu werden, sollte er die Wahl gegen Cristiano Ronaldo und Lionel Messi gewonnen haben.
FC Bayern in der Einzelkritik:Boateng spielt den Pass des Abends
Eine Aktion des Verteidigers passt wie ein Schlüssel ins Schloss, Corentin Tolisso vereinsamt und Serge Gnabry kommt mächtig ins Schnaufen. Der FC Bayern in der Einzelkritik.
Das Tor, für das er einen Steilpass von Jérôme Boateng aufnahm, den Ball im Strafraum führte, mit großer Lässigkeit den Wolfsburger Verteidiger Maxence Lacroix ausdribbelte und mit einem Schuss in die linke Ecke abschloss, war aber auch aus aktuellem Anlass ein bedeutendes: Es rettete die zum Ende dieses Jahres zunehmend müden Münchner vor dem nächsten Punktverlust.
"Wir haben gewonnen, das ist das entscheidende. Wir haben uns nach dem 0:1 zurückgekämpft. Wir haben uns dagegen gestemmt, wir wollten einen Sieg, weil es ein gutes Zeichen ist. Von daher bin ich zufrieden", meinte Hansi Flick nach dem Spiel.
Dass die vielen Spiele dieser Saison der Mannschaft des Triple-Siegers an die Substanz gegangen sind, das zeigte einmal mehr die Startaufstellung. Es fehlte noch immer Joshua Kimmich, obwohl der Nationalspieler inzwischen nach seiner Operation am Außenmeniskus wieder im Mannschaftstraining ist und am Samstag beim Spitzenspiel bei Tabellenführer Bayer Leverkusen zurückkehren könnte. Auch Leon Goretzka war wegen muskulärer Probleme nicht dabei. Und weil auch Javier Martínez und Tanguy Nianzou fehlten, war es für Trainer Hansi Flick einmal mehr die größte Herausforderung, die zwei Positionen im defensiven Mittelfeld zu besetzen. Er entschied sich dafür, aus zwei Positionen eine zu machen: Corentin Tolisso spielte vor der Abwehr und hinter Thomas Müller und Serge Gnabry. In der Viererkette begann außerdem Innenverteidiger Niklas Süle auf der rechten Seite statt Benjamin Pavard.
Die ungewöhnlichen Änderungen bedeuteten auch für die Offensive mehr Defensivarbeit, so zum Beispiel für Flügelspieler Leroy Sané, der damit in der fünften Minute mindestens für einen Augenblick gedanklich überfordert zu sein schien, jedenfalls versuchte er den Ball nach einer Wolfsburger Flanke im eigenen Strafraum anzunehmen, anstatt ihn zu klären. Die Annahme misslang, er verlor den Ball. Und die Gäste spielten Maximilian Philipp frei, der zur Führung traf. Es war für den FC Bayern der sechste Rückstand in der Bundesliga im sechsten Spiel in Serie.
Die Münchner kamen gegen starke, immer wieder mutig angreifende Wolfsburger, zuvor in dieser Saison noch ungeschlagen, nur unter großem Aufwand in die Partie. Die Gäste blieben gefährlich, hätten durch Josip Brekalo (12.) oder Philipp nach einer Direktabnahme (30.) durchaus das 2:0 schießen können. Es dauerte eine Viertelstunde, bis sich der FC Bayern die ersten Chancen herausspielte, die Lewandowski (17.) und Gnabry (18.) vergaben. Kurz vor der Pause erzielte Lewandowski dann aber sein erstes Tor, ein Kopfball nach einer starken Vorarbeit von Kingsley Coman.
Die Wolfsburger blieben aber auch in der zweiten Hälfte, auch nach Lewandowskis zweitem Tor, bis zum Schluss gefährlich. Und sie kamen in der 86. Minute noch zur großen Ausgleichschance durch Angreifer Bartosz Bialek, der allein vor Manuel Neuer auftauchte. Doch der Torwart der Münchner zeigte dann noch mal, warum auch ihn so mancher gerne als Weltfußballer gesehen hätte, und warum er am Donnerstag zumindest zum Welttorhüter gewählt werden dürfte. Neuer machte sich so groß, das Tor wurde ganz klein - und er lenkte den Ball über die Latte. "Leider hat Manuel Neuer wieder gezeigt, dass es schwierig ist, gegen ihn zu treffen", sagte Wolfsburgs Trainer Oliver Glasner dazu.