Polen in der WM-Qualifikation:Zwei Millionen zusätzliche Fans

Lesezeit: 2 min

Robert Lewandowski (rechts) und seine Polen treffen auf Schweden - doch der Krieg beschäftigt auch sein Land enorm. (Foto: David Ramos/dpa)

Im WM-Playoff gegen Schweden hoffen die Polen auch auf Unterstützung aus der Ukraine. Wer mit Beteiligten spricht, bekommt ein eindrückliches Bild vom Spagat zwischen Fußball und Putins Krieg.

Von Thomas Hürner, Chorzów

An Fußball denken? Das geht schon, findet Maciej Balazinski, dafür sei der Fußball schließlich da. Balazinski ist der Vize-Präsident von Wisla Krakau, dem 13-maligen polnischen Meister. In den vergangenen Wochen sind polnische Fußballvereine aber auch kleine NGOs, in denen Hilfsgüter gesammelt und verteilt werden, in denen ukrainische Flüchtlinge mitkicken dürfen und eine Anlaufstelle für Unterbringungsmöglichkeiten finden. "Alle helfen", sagt Balazinski, der einige Jahre als Rechtsanwalt in Deutschland gearbeitet hat: "Und wir helfen natürlich auch."

Es sind schon besondere Umstände, die der WM-Play-off-Partie zwischen Polen und Schweden vorauseilen. Da ist einerseits enorme Euphorie in einem ohnehin "fußballwahnsinnigen Land", wie das Balazinski charmant ausdrückt. Da ist die Hoffnung auf den Volkshelden und Weltfußballer Robert Lewandowski, und da werden an diesem Dienstag auch die fast 55 000 Zuschauer im ausverkauften Schlesischen Stadion in Chorzow sein, die auf eine erneute Teilnahme am globalen Fußballevent hoffen. Man erinnert sich: Die erste WM seit 2018 in Russland, wo sich Wladimir Putin noch als gemäßigter Gastgeber präsentierte, ehe er nun die Ukraine von seinen Truppen überfallen ließ.

SZ PlusFC Bayern
:Stabile Weltklasse in der roten Zone

Der FC Bayern muss seine Spiele gerade von vorne denken - das Ungleichgewicht zwischen Abwehr und Angriff wird auch die Transferphase prägen. Im Fokus vor allem: die Verträge von Lewandowski und Müller.

Von Christof Kneer

Der Krieg hat Auswirkungen auf Polens Fußball

Denn das ist ja die andere Seite aus Sicht der Polen: Der Krieg, der nur unweit der Landesgrenzen zum Nachbarstaat stattfindet - und der natürlich auch Auswirkungen auf den polnischen Fußball hat. Der Gegner in der ersten Ausscheidungsrunde wäre ausgerechnet Russland gewesen, und die Polen hätten das Spiel boykottiert, wenn die russische Nationalmannschaft wenig später nicht ohnehin ausgeschlossen worden wäre.

"Die absolut richtige Entscheidung", sagt Balazinski, der auch auf die engen Beziehungen zwischen dem polnischen und dem ukrainischen Fußball verweist: Es gibt Kooperationen zwischen Klubs, es werden regelmäßig Jugendturniere mit der Beteiligung von polnischen und ukrainischen Teams veranstaltet, die Profis spielen häufig in den Ligen des Nachbarstaates. Und, nicht zu vergessen: Die beiden Länder haben gemeinsam eine sehr erfolgreiche Europameisterschaft 2012 auf die Beine gestellt, trotz vernehmbarer Skepsis in anderen Teilen Europas.

Polen und die Ukraine haben ein geschichtlich ambivalentes Verhältnis, mit Höhen und Tiefen, auch nach dem Zerfall der Sowjetunion. Doch es herrschte selten so viel Einigkeit und Solidarität wie momentan: Laut der neuesten Zahl der Vereinten Nationen haben 3,6 Millionen Ukrainer das Land verlassen, etwa 2,1 Millionen davon hat Polen aufgenommen - das sind zirka 60 Prozent der aus der Ukraine Geflüchteten. Insofern ist es wenig überraschend, dass Balazinski sagt, er kenne niemanden aus dem polnischen Fußball, "der nicht in irgendeiner Art und Weise hilft."

Kosta Runjaic, Cheftrainer in Stettin, war einst auch Trainer bei 1860 München - hier ein Bild von 2016. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Ähnliches berichtet auch Kosta Runjaic, der Trainer des polnischen Tabellenführers Pogon Stettin und früherer Coach diverser deutscher Profimannschaften. Er sagt: "Man merkt, dass der Krieg in der Kabine ein Thema ist." In den polnischen Stadien jedoch seien auch anti-russische Sprechchöre zu vernehmen, mit teils wüsten Beschimpfungen. Nicht auszuschließen also, dass so etwas auch während des Spiels gegen Schweden zu hören sein wird.

Für das Play-off nominiert sind jedoch nur wenige Akteure aus der heimischen Liga, denn die Führungskräfte des Teams stehen allesamt im europäischen Ausland unter Vertrag: Im Tor steht Wojciech Szczesny von Juventus Turin, die Defensive organisiert der Routinier Kamil Glik, und der Spielmacher Piotr Zielinski vom SSC Neapel gilt als der herausragende Einzelkönner im Kader - direkt hinter, na klar: Robert Lewandowski. "Auf ihn wird's ankommen", lautet die wenig überraschende Prognose des Wisla-Vize-Präsidenten Balazinski. Einen Faktor gelte es aber nicht zu unterschätzen: "Wir haben am Dienstag zwei Millionen zusätzliche Fans im Land!"

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusRobert Lewandowski
:Jetzt trifft er auch noch neben dem Platz

Der Weltfußballer äußerte sich früh und deutlich zum Krieg in der Ukraine, nun kündigt er einen Vertrag mit dem chinesischen Konzern Huawei, der angeblich Russland unterstützt. Über einen Stürmer, den die Fußballwelt neu kennenlernt.

Von Christof Kneer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: