Oliver Bierhoff kam spät aus dem Kabinentrakt des Stuttgarter Stadions, wie immer im Anzug und auch sonst mit perfektem Äußeren. Der Manager der Nationalmannschaft ist geübt im Präsentieren und Verkaufen. Diesmal aber nahm er keine Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Kunden. Das Stuttgarter Publikum bekam seine Abreibung.
"Ich habe die Pfiffe nicht verstanden", sagte Bierhoff, "wir haben das Spiel schließlich gewonnen und auch sonst haben die Zuschauer ein gutes Spiel gesehen."
Tatsächlich hat die deutsche Nationalmannschaft das Testspiel gegen Chile mit 1:0 gewonnen. Das Tor hat Mario Götze nach 16 Minuten erzielt. Doch das war nach 93 Minuten vielen zu lange her, als dass es einer Erinnerung wert gewesen wäre. Eine stattliche Anzahl unter den 54.449 Zuschauern setzte nach dem Schlusspfiff zum Pfeifen an, dass es unter dem Stadiondach dröhnte.
Wenn das Publikum bei einem Länderspiel seinen Unmut ausdrückt, ist das immer eine Kontroverse. Einige sehen es wie Bierhoff und ärgern sich. Andere reagieren wie Kapitän Philipp Lahm: "Das muss man verstehen, die Leute zahlen Eintritt, die wollen was sehen und deshalb muss man das einfach akzeptieren."
Da erlebt die deutsche Nationalmannschaft nach einhelliger Meinung aller Experten eine der schönsten Phasen seit ihrer Gründung, sie wirkt wie der Liebling der Nation mit all ihren begabten Feinfüßen. Dennoch schlägt ihr hin und wieder geballter Unmut entgegen. Im März 2011 war Bastian Schweinsteiger vor laufender Kamera fast geplatzt vor Wut, weil in Kaiserslautern nach einem 4:0 gegen Kasachstan die Leute gepfiffen hatten.
Richtig giftig werden die Beteiligten, wenn das Volk einzelne Spieler lautstark kritisiert. Diesmal traf es Mesut Özil. Bei seiner Auswechslung in der 88. Minute erhob sich fast ein Furor. "Schade, dass Mesut ausgepfiffen wird, ich wünsche mir da eine andere Unterstützung", klagte Bierhoff. Jérôme Boateng wurde deutlicher und bezeichnete die Pfiffe gegen den Kollegen als "Frechheit".