Paris in der Champions League:All die Millionen? Für die Katz'

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Paris' Kylian Mbappé am Boden: Paris scheidet aus der Champions League aus. (Foto: AFP)
  • Nach dem Aus im Champions-League-Achtelfinale wird bei Paris Saint-Germain alles hinterfragt.
  • Trainer Thomas Tuchel soll bleiben, doch sein Sportdirektor könnte ihn bald verlassen.
  • Nie war das Urteil in Frankreichs Medien härter, und diesmal klingt es irgendwie definitiv.

Von Oliver Meiler

Der Emir kam eigens aus Katar, das macht er nicht oft, und setzte sich auf die Tribüne. Sogar der König war da, Neymar Junior. Er konnte sich vom brasilianischen Karneval losreißen, um sich in Paris zu zeigen: mit Bart, auffälligen Silberkreuzen an den Ohren, ganz schwarz gekleidet, auch die Mütze war schwarz. Offenbar hatte man ihm sagen müssen, dass es ganz passend wäre, wenn er trotz Verletzung am Fuß seinen hoch bezahlten Allerwertesten in den Prinzenpark bemühen würde an diesem Abend der Glorie. So war das nämlich programmiert: als Vorstufe zur Apotheose, wie die Franzosen gerne sagen, wenn sie die Erhebung zu den Göttern meinen.

PSG - bien sûr! - würde sich gegen ein junges, in der Not völlig umgestelltes Manchester United locker durchsetzen und das Viertelfinale der Königsklasse erreichen. Wieder mal, nachdem der Klub in den vergangenen zwei Spielzeiten schon im Achtelfinale ausgeschieden war. Immerhin hatte man schon das Hinspiel auf der Insel 2:0 gewonnen, recht überlegen, taktisch brillant, auch ohne Neymar. Und nie, gar nie in der Geschichte der Champions League, die es ja nun auch schon eine Weile gibt, ist ein Team nach einem 2:0-Auswärtssieg im Hinspiel rausgeflogen. Diesmal träumte man schon viel weiter. In Paris sagte man sich, dass es in diesem Jahr reichen könnte für den Sieg in der "C1". So nennen die Franzosen, die gern allem eigene Namen geben, die Champions League, die CL.

Nun, alles aufgeschoben, vielleicht für immer. 1:3. Raus gegen "Red Devils", die allerhöchstens kleine Teufelchen waren. Trotz totalem Ballmonopol, trotz Torchancen in hoher Zahl. Der Emir war schnell wieder weg. Nur allzu gerne hätten die Pariser in seinem Gesicht gelesen, was er in Zukunft wohl mit seinem vielen Geld anstellen will. All die Millionen? Für die Katz'.

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Nie war das Urteil der Presse härter

Nur zwei Jahre nach der "Remontada des Jahrhunderts", dem 1:6 gegen Barça nach dem 4:0 im Hinspiel, fügt PSG seiner "schwarzen Legende", wie Le Parisien es beschreibt, eine weitere Negativpremiere bei. Ein "unverzeihlicher Betriebsunfall" sei das, eine "Selbstauflösung" sondergleichen. Die Sportzeitung L'Équipe fasst die Niederlage in historische Kategorien: "Die Pariser stehen jetzt für die größten französischen Katastrophen in diesem Spiel. Ihre Berühmtheit hängt ganz an ihrem Scheitern, es setzt sie dem Spott der Welt aus." Die Spieler hätten da "die psychische Stärke kleiner Jungs" offenbart.

Nie war das Urteil härter, und diesmal klingt es irgendwie definitiv. Es läuft Jahr acht des katarischen Projekts PSG. Der Businessplan sah eigentlich vor, dass man schon nach fünf Jahren auf dem Dach Europas hätte thronen müssen, wie Götter eben, damit der Golf kräftig mitstrahlt. Für die Katarer war Paris immer ein Schaufenster, eine Bühne für etwas Softpower. Die Ölvorräte halten nicht ewig an. Die Welt sollte bei der Gelegenheit erkennen, dass es Katar ernst ist mit dem Fußball, so schummrig die Vergabe der Weltmeisterschaft 2022 auch war. Paris war natürlich eine einmalig tolle Bühne: glamourös und doch billig zu haben.

Die sportliche Marge von Paris Saint-Germain schien grenzenlos zu sein, der Verein hatte davor nie Großes erreicht. So motzten sie den Klub zur Starcombo auf, wider alle Versprechen des Financial Fairplays. Nach der Schmach von Barcelona legte der Emir noch mal kräftig nach: 220 Millionen Euro für Neymar, 180 Millionen für Kylian Mbappé. Die zwei teuersten Transfers im Weltfußball, bei Weitem.

Doch dem Klub fehlt nun einmal das, was es mit Geld nicht zu kaufen gibt: Geschichte, Seele. In den vergangenen drei Jahren schied er gegen lauter Vereine aus, die eben das haben, eine gefestigte Identität, die alles trägt, die den Auftritt prägt: Barça, Real, ManUnited. An PSG riecht noch immer alles nach Retorte. Neymar ist nie in Paris angekommen, seine ganze Attitüde schreit: Was mache ich eigentlich hier? Es wirkt, als sitze er über dem Verein, alles ist ihm lästig. Beim nächsten Anruf von Real Madrid ist er wohl weg. In keinem anderen großen Verein in Europa würde man seine Allüren tolerieren. Aber PSG ist eben nur daheim groß, in der nationalen Meisterschaft, der recht unbedeutenden Ligue 1. Europäisch bleibt man klein, auch im Jahr acht mit dem Emir.

Und nun? Die Besitzer könnten wieder einmal versucht sein, alles hinzuschmeißen. Was ist Softpower, wenn sie nicht beißt? Die Position des Trainers, des Deutschen Thomas Tuchel, steht wohl nicht zur Diskussion. Bis zur "Unverzeihlichkeit" wurde ihm attestiert, alles richtig gemacht zu haben, auch in der Widrigkeit. Gefeiert wurde Tuchel. Man fragt sich nun zwar, warum Tuchel, der doch sonst immer und ständig Schemen und Formeln ändert, diesmal einfach zuschaute, wie seine Mannschaft unterging. Nach dem Spiel sagte er diesen bemerkenswerten Satz, jedenfalls bei seiner üblichen Eloquenz: "Ich habe keine Worte, um das zu erklären."

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Tuchel hadert mit seinem Sportdirektor

Viel wahrscheinlicher ist, dass die Katarer den Sportdirektor auswechseln. Der Portugiese Antero Henrique kann es nicht mit Tuchel, die französischen Medien beschreiben das Verhältnis als "eisig". Henrique muss sich vor allem den Vorwurf gefallen lassen, dass er den Rückraum der Mannschaft der Verkümmerung preisgegeben hat. Früher stand da mal Thiago Motta, ein Damm von einem Mann, ein Achter wie aus dem Bilderbuch, der das Team in Balance hielt. Adrien Rabiot könnte die Rolle spielen, doch der fiel in Ungnade, weil er mit Barça flirtete und dann doch nicht nach Spanien ging. Rabiot trainiert seither mit dem Nachwuchs. Doch anstatt eines Achters holte Henrique im Winter einen offensiven Mittelfeldspieler mit dürftigem Leistungsnachweis: Leandro Paredes, von Zenit St. Petersburg. Gegen Manchester spielte bei den Parisern nur ein gelernter Mittelfeldspieler, der Italiener Marco Verratti. Marquinhos und Dani Alves sind umfunktionierte Verteidiger.

Natürlich müsste man nach der jüngsten Darbietung auch noch einmal über die Verpflichtung von Gianluigi Buffon reden. Der große "Gigi" gibt einen wunderbaren Dressman, wie gemacht für das Pariser Parkett. Er ist jetzt 41, wenn er den Bart stehen lässt, ist der grau. Doch wie gut ist er noch? Paris hat seinen Vertrag um ein Jahr verlängert, zu acht Millionen Euro pro Saison und mit einer Option auf ein weiteres Jahr, also bis 2021. Buffon wäre dann 43. Wahrscheinlich geht es da mehr um Seele.

In der Kritik steht auch jener Mann, dem der Emir die Bestellung des Pariser Schaufensters anvertraut hat. Nasser al-Khelaïfi, der Präsident von PSG, war früher Tennisspieler. Er ist ein smarter Geschäftsmann und rundum beliebt, was kein Wunder ist bei dem dicken Geldbeutel. Französisch spricht er mittlerweile ganz passabel, nur mit den bestimmten Artikeln kämpft er noch immer. Und so gaben ihm Fernsehsatiriker den Namen "la prince", die Prinz. Zum Lachen. Dabei hört man gerade die ersten Töne des Requiems, den Abgesang auf ein Milliardenprojekt.

© SZ vom 08.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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