DHB-Handballerinnen:Über Paris zurück in die Weltspitze

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Zwei, auf die es ankommen wird: Kapitänin Emily Bölk (li.) und Xenia Smits wollen das Olympia-Ticket lösen. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Die deutschen Handballerinnen wollen nach 16 Jahren wieder bei Olympia spielen. Nach der locker bewältigten EM-Qualifikation ist die DHB-Auswahl gegen Slowenien, Montenegro und Paraguay Favorit. Allerdings könnte Spielmacherin Grijseels ausfallen.

Von Ralf Tögel

"Ich kenne Olympische Spiele nur aus Erzählungen und vom Fernsehen." Als Emily Bölk das sagt, lächelt sie, vielleicht auch, weil sie dabei an ihre Mutter denken muss. Das nämlich hat Andrea Bölk der Tochter voraus, sie kann Emily von den Olympischen Sommerspielen 1992 und 1996 erzählen, ihre Mitbringsel seien begehrte Souvenirs gewesen.

An diesem Wochenende kann Emily Bölk nachziehen. Die deutschen Handballerinnen spielen in Neu-Ulm gegen Slowenien (Donnerstag, 17.45 Sport1/Dyn), Montenegro (Samstag, 14.15 Uhr ARD/Dyn) und Paraguay (Sonntag, 13.30 Uhr ARD/Dyn). Zwei Mannschaften können sich bei diesem Turnier für Paris qualifizieren, das klingt machbar, aber Bölk spricht von einer "Killer-Gruppe". Sommerspiele seien ein Kindheitstraum, sagt die 25-Jährige, angesichts der jüngsten starken Auftritte der deutschen Mannschaft scheint er durchaus erfüllbar. Das letzte Mal nahmen die Handballerinnen vor 16 Jahren an Olympia teil, in Peking war damals nach der Hauptrunde Schluss.

Bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Dezember in Dänemark, Norwegen und Schweden war das Team des Deutschen Handballbunds (DHB) als Sechstes vor den beiden vermeintlich stärkeren Qualifikationsgegnern platziert, aber Slowenien als WM-Elfter, wie auch Montenegro, das die WM einen Platz hinter der deutschen Auswahl beendete, sind laut Bölk momentan auf Augenhöhe: "Wir sind alle eng beieinander, da kann die Tagesform entscheidend sein." Paraguay dürfte als großer Außenseiter in dieser Gruppe bei der Ticketvergabe für Paris keine Rolle spielen.

Für die passende Tagesform sind Führungsspielerinnen wie Bölk maßgeblich, sie wurde zum dritten Mal zur Handballerin des Jahres gekürt, spielt in der hoch einzuschätzenden ungarischen Liga für den Champions-League-Klub Ferencvaros Budapest und führt die deutsche Auswahl als Kapitänin an. Da ist auch Xenia Smits, die mit Metz vier französische Meisterschaften gewonnen hat und nun beim deutschen Meister Bietigheim angestellt ist. International erfahrene Kräfte also, die das deutsche Team nach Jahren im Mittelmaß wieder in die Weltspitze führen sollen. Auch Spielmacherin Alina Grijseels, die in der französischen Liga für den Spitzenklub Metz spielt, zählt zum Kreis dieser Anführerinnen - womit man beim großen Problem des Wochenendes wäre: "Ob sie spielen kann, wird sich erst noch zeigen." Als Markus Gaugisch das sagt, lächelt er nicht. Für den Trainer der Frauen-Nationalmannschaft wäre der Ausfall seiner Spielgestalterin eine empfindliche Schwächung.

Noch hofft Trainer Gaugisch auf den Einsatz seiner Spielmacherin: "Wir haben eine sehr gute medizinische Abteilung."

Grijseels ist nicht nur umsichtige Regisseurin in seiner Auswahl, sie ist neben den wurfgewaltigen Smits und Bölk dank ihres starken Eins-gegen-eins-Spiels auch eine der wichtigsten Torschützinnen. Nun hat sich die 27-Jährige vor genau einer Woche am Sprunggelenk verletzt, in der ersten der drei abschließenden Partien gegen die Ukraine und zweimal gegen Israel zur EM-Qualifikation. Diese waren ansonsten eine optimale Vorbereitung auf den Höhepunkt der bisherigen Spielzeit, ohne Grijseels aber muss Gaugisch umdisponieren. Müsste man diesem Malheur etwas Positives entnehmen, dann "dass es schon am Donnerstag passiert ist", wie Bölk findet. So nämlich war Gaugisch gezwungen, Alternativen zu testen - ohne Grijseels. Zudem bleibt mehr Zeit für die erhoffte Gesundung, wie der 49-Jährige anmerkt: "Wir haben eine sehr gute medizinische Abteilung, die alles dafür tut, dass Alina fit wird."

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Mareike Thomaier hat diese Rolle bravourös übernommen, allerdings waren weder die Ukraine beim 43:21-Sieg der DHB-Auswahl geschweige denn Israel ernst zu nehmende Gegner. Dennoch sagt Gaugisch, dass ihm selbst die beiden 35:12- sowie 46:9-Siege (letzterer war der höchste einer deutschen Auswahl überhaupt) gegen die überforderte Israelinnen verwertbare Erkenntnisse gebracht hätten; neben dem ersten Platz in der Qualifikationsgruppe und der EM-Teilnahme in Österreich, der Schweiz und Ungarn (28. November bis 15. Dezember). "Wir haben schon ein paar Dinge gesehen, die wir so wollten, und ein paar, die wir so nicht wollten. Da kann man schon etwas herausziehen." Er habe sich einige Strategien zurechtgelegt.

Das dürfte schon im ersten Spiel gegen die Sloweninnen vonnöten sein, wie Smits erklärt: "Natürlich kennt man viele Spielerinnen aus der Champions League, aber die kennen uns auch", sagt die 27-Jährige, die wie ihr Trainer die vorhergehenden Partien trotz der deutlichen Überlegenheit als hilfreich erachtet. Neben zusätzlichem Selbstvertrauen habe man "ein paar taktische Dinge" probieren können. Die Ukraine etwa habe starke Rückraumwerferinnen, ähnlich wie Slowenien, deren stärkste Spielerin Ana Gros im rechten Rückraum zu Werke geht. Die 33-Jährige und 1,86 Meter große Linkshänderin ist Haupttorschützin, ihre Kreise gilt es einzuschränken.

Montenegro ist ein unangenehmer Gegner mit einer giftigen Abwehr, der bei der EM 2022 Dritter wurde und Deutschland in der Hauptrunde geschlagen hat. Die Qualifikation "wäre ein Riesenschritt für den Verband", sagt Amelie Bölk, auf dem angepeilten Weg zurück in die Weltspitze. Dort soll das Team spätestens in einem Jahr stehen, wenn Deutschland neben den Niederlanden WM-Gastgeber ist. Das Ziel ist eine Medaille, dann hätte auch Amelie Bölk einiges zu erzählen.

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