Olympia:Inder trainiert auf Himalaya-Straßen für Sotschi

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Neu Delhi (dpa) - Einen Eiskanal gibt es in Indien nicht, also improvisiert Rennrodler Shiva Keshavan. "Wir tauschen die Kufen gegen Rollen aus und fahren den einzigen Weg hinab, den es gibt: Die Bergstraßen", sagt er.

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Neu Delhi (dpa) - Einen Eiskanal gibt es in Indien nicht, also improvisiert Rennrodler Shiva Keshavan. „Wir tauschen die Kufen gegen Rollen aus und fahren den einzigen Weg hinab, den es gibt: Die Bergstraßen“, sagt er.

Wenn der 32-Jährige über die Himalaya-Hänge rast, muss er hupenden Autos und Lastwagen ausweichen. Das halsbrecherische Spezialtraining dient einem Ziel: In Sotschi die erste Winter-Olympiamedaille für sein Land zu holen.

Dabei hat Indiens einzige - wenn auch nicht gerade chancenreiche - Medaillenhoffnung ein Problem: Er darf gar nicht mit der orange-weiß-grünen Flagge an den Start gehen, sondern muss unter der olympischen Flagge antreten. Denn Indiens Nationales Olympisches Komitee wurde vorläufig vom IOC suspendiert, weil sich die Regierung bei den Komitee-Wahlen eingemischt haben soll. „Ich werde trotzdem in meinem Herzen und meinem Hirn für Indien kämpfen“, sagte Keshavan der Nachrichtenagentur dpa.

Der Exot im Kunsteislabyrinth ist schon das fünfte Mal bei den Winterspielen dabei. Mit 16 Jahren startete er in Nagano - als Jüngster in der Geschichte der olympischen Rodel-Wettbewerbe. Indiens Sportfans rieben sich damals verwundert die Augen. Denn für die Menschen auf dem Subkontinent gibt es nur eine Sportart: Kricket.

„Ich muss gegen Teams antreten, die jahrelang Tonnen an Geld investiert haben, um sich auf das Ereignis vorzubereiten“, sagt Keshavan. Solch einen Rückhalt habe er nicht, vielmehr musste er sich sogar Schlitten für Wettkämpfe ausleihen. Für das Training schloss er sich dem US-Team an, weil er sich selbst keinen Coach leisten konnte.

Aufgewachsen ist Keshavan im Himalaya-Ort Manali, auf 2500 Metern Höhe. Inspiriert hat ihn unter anderem der Film „Cool Runnings - Dabeisein ist alles“, bei dem ein jamaikanisches Bob-Team gegen alle Widrigkeiten zu Olympia fährt. Auch er habe sich bei seiner ersten Teilnahme als Außenseiter gefühlt, erinnert sich Keshavan. „Doch plötzlich kam das jamaikanische Team zu mir und sagte: „Hey Mann, wir müssen zusammenhalten.“

Der Rodel-Exot, der sechs Sprachen spricht, biss sich immer weiter durch - auch wenn er manchmal wegen der Geldsorgen ans Aufhören dachte, wie er zugibt. Mit jedem Rückschlag sei er aber gereift. „All meine Anstrengungen haben mich zu dem Sportler gemacht, der ich heute bin“, weiß er. „Mein Motto war immer: Gib niemals auf, und so habe ich weitergemacht. Nun bin ich hier, immer noch gut gelaunt, gehe zu meinen fünften Spielen und freue mich auf die sechsten in Korea im Jahr 2018!“

Vielleicht wird es ja dann etwas mit der Medaille für Indien. Auch wenn der Geschäftsführer von Indiens Wintersportverband, Roshan Lal Thakur, da skeptisch ist. Dass sich einige überhaupt qualifiziert haben, sei bei diesen abschreckenden Bedingungen schon eine Leistung für sich, sagt er. „Wir sind weit abgeschlagen beim Wintersport, der hierzulande wahrgenommen wird als die Spiele des reichen Mannes“, meint auch Verbandssprecher S.S. Patwal. Indien schicke diesmal nur drei Teilnehmer - bei einer Bevölkerung von 1,2 Milliarden.

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